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„Konzentrationslager. Ein Appell an das Gewissen der Welt – ein Buch der Greuel – die Opfer klagen an.“ Kommentierte Auszüge aus den Berichten von Überlebenden.
Bild: von nicht ermittelbar Häftlinge im KZ Sachsenhausen
Bild: von Archiv der sozialen Demokratie "Konzentrationslager" (1934)
Bild: von Archiv der sozialen Demokratie Gerhart Seger "Oranienburg" (1934)
Nach der Machtübernahme 1933 bauten die Nationalsozialisten ein System von Konzentrationslagern auf, in denen Gegner_innen des Regimes festgehalten, gefoltert und getötet wurden. Einer Anzahl von Häftlingen gelang die Flucht, sodass sie über ihre erlittenen Qualen berichten konnten. Im Exil entstanden 1934 und später – oft unter der Ägide der SOPADE – mehrere Bücher mit ihren Schilderungen dieser Zeit. Diese möchten wir hier für sich sprechen lassen.
„Du Hund, stell Dich in den Kreis!“ Der Kreis war mit Kreide auf dem Erdboden gezogen und kaum so groß, daß man darin stehen konnte. Vor mir saß mit wichtiger Amtsmiene der SA Mann Putzler und hinter mir standen die SA Leute Ude und Uhlemann. „Dein Name; Du Schwein?“ und die Peitsche knallte schon nieder. „Du hast Waffen, wo sind die Waffen?“ „Ich habe keine Waffen!“ „Du Verbrecher lügst mich an!“ Putzler schlug mit der Peitsche und Uhlemann und Ude mit Gummiknüppeln auf mich ein, bis ich bewußtlos zusammenbrach, Als ich wieder erwachte, war ich vollkommen durchnäßt. „Du schwitzt wohl, Du Hund, hier fang auf und sauf!“ Man warf mir eine leere Seltersflasche zu, die ich auffangen sollte. „Wirf die Flasche zurück!“ Dies tat ich. „Dieses Schwein wirft nach mir, warte, das sollst Du ...“ An den Fortgang dieser »Vernehmung« kann ich mich nicht erinnern. Ich erwachte erst wieder in einer dunklen Zelle. Dort lag ich drei Tage bei Wasser und Brot und kam alsdann ins Revier.“ (Konzentrationslager, S. 226)
So beschrieb Otto Urban (geb. 1911), Sozialist und Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, ein Verhör im Konzentrationslager Burg Hohnstein. Neben den körperlichen Quälereien war vor allem die Erniedrigung der Gefangenen eine Foltermethode der SA-Mannschaften.
Diesen und andere Erfahrungsberichte finden sich im Buch „Konzentrationslager. Ein Appell an das Gewissen der Welt – ein Buch der Greuel – die Opfer klagen an.“ Gefangene aus den Konzentrationslagern Dachau, Brandenburg, Papenburg, Königstein, Lichtenburg, Colditz, Sachsenburg, Moringen, Hohnstein, Reichenbach und Sonnenburg legen Zeugnis ihrer Haftzeit 1933–1934 ab.
Beispielhaft für das Gefüge von Haft, Folter, Suizid-Versuch und Ermordung kann man sich das Ende des bayrischen KPD-Landtagsabgeordneten Fritz Dressel (1896–1933) im KZ Dachau vor Augen führen:
Von einem Augenzeugen wurde mir im Lager Dachau wahrheitsgemäß über die Ermordung des Abgeordneten Dressel berichtet: Dressel wurde im Bunker gefangen gehalten und von Steinbrenner wiederholt grausam geschlagen. Eines Morgens wurde auffallenderweise dem Gefangenen Karl Kübler, der im Revier Sanitätsdienst tat befohlen, dem Dressel den Kaffee zu bringen. Als der SS Mann Dressels Zellentür öffnete, fiel Dressel bewußtlos heraus, es waren ihm die Pulsadern geöffnet. Kübler und der gefangene Arzt Dr. Katz schafften Dressel ins Revier, wo es ihrer aufopfernden Pflege gelang, Dressel ins Bewußtsein zurückzurufen und zu retten. Dressel schilderte später dem Dr. Katz den an ihm begangenen Mordversuch. Er hatte sich schon vorher geweigert, einen ihm ins Verließ gehängten Strick zum Selbstmord zu benützen.Als nun Dressels Erwachen aus der Bewußtlosigkeit den SS Leuten bekannt wurde, schaffte man ihn wieder in das dunkle Verließ zurück. Am anderen Tage fand man ihn, mit geöffneten Pulsadern, tot auf. In der Nazipresse hieß es, Dressel habe Selbstmord begangen. (Konzentrationslager, S. 37)
Von einem Augenzeugen wurde mir im Lager Dachau wahrheitsgemäß über die Ermordung des Abgeordneten Dressel berichtet: Dressel wurde im Bunker gefangen gehalten und von Steinbrenner wiederholt grausam geschlagen. Eines Morgens wurde auffallenderweise dem Gefangenen Karl Kübler, der im Revier Sanitätsdienst tat befohlen, dem Dressel den Kaffee zu bringen. Als der SS Mann Dressels Zellentür öffnete, fiel Dressel bewußtlos heraus, es waren ihm die Pulsadern geöffnet. Kübler und der gefangene Arzt Dr. Katz schafften Dressel ins Revier, wo es ihrer aufopfernden Pflege gelang, Dressel ins Bewußtsein zurückzurufen und zu retten. Dressel schilderte später dem Dr. Katz den an ihm begangenen Mordversuch. Er hatte sich schon vorher geweigert, einen ihm ins Verließ gehängten Strick zum Selbstmord zu benützen.
Als nun Dressels Erwachen aus der Bewußtlosigkeit den SS Leuten bekannt wurde, schaffte man ihn wieder in das dunkle Verließ zurück. Am anderen Tage fand man ihn, mit geöffneten Pulsadern, tot auf. In der Nazipresse hieß es, Dressel habe Selbstmord begangen. (Konzentrationslager, S. 37)
Neben einer Vielzahl von Vorwänden (z.B. politische Opposition, Kriminalität, Homosexualität) reichte es für die Nationalsozialisten bereits aus, dass vermeintliche Gegner_innen jüdischen Glaubens waren oder ihnen eine jüdische Identität zugeschrieben wurde. Im Gefüge nationalsozialistischer Ideologie erfuhren diese in Lagern noch häufiger Erniedrigung und Tod als andere Gefangene.
Schmitz, ein Einkäufer, des Warenhauses Tietz in Nürnberg, wurde von SA Leuten sehr geschlagen und mit Füßen getreten. Bei seiner Einlieferung in Dachau, am 26. August 1933, fieberte er stark und mußte von Mitgefangenen beim Gehen gestützt werden. Schmitz bat bei der Ankunft, ihn vor neuen Mißhandlungen zu schützen, da er ja ein totkranker Man wäre. Das Bitten half ihm nichts. Er wurde trotzdem geohrfeigt und geschlagen, und danach der bereits überfüllten Judenbaracke zugeteilt. Wir haben ihm ein Lager freigemacht. Er hatte 40° Fieber, wimmerte und stöhnte unausgesetzt. Wir mußten ihn entkleiden.Sein Körper bot ein grauenhaftes Bild. Die Oberschenkel, der Bauch bis über den Nabel, Rücken und Gesäß waren grün und blau. Breite, blutunterlaufene Striemen bedeckten beide Seiten des Körpers. Die Hoden blau verfärbt, das Gesäß stark geschwollen. Das war sein Zustand nach Einlieferung in Dachau am Sonnabend, dem 26. August. Am Sonntag lag er in der Baracke. Am Montag wurde er ins Revier geschafft und am Dienstag ist er gestorben. Wie wir durch andere Gefangene erfahren haben, ist er innerhalb des Lagers verscharrt worden. (Konzentrationslager, S. 79)
Schmitz, ein Einkäufer, des Warenhauses Tietz in Nürnberg, wurde von SA Leuten sehr geschlagen und mit Füßen getreten. Bei seiner Einlieferung in Dachau, am 26. August 1933, fieberte er stark und mußte von Mitgefangenen beim Gehen gestützt werden. Schmitz bat bei der Ankunft, ihn vor neuen Mißhandlungen zu schützen, da er ja ein totkranker Man wäre. Das Bitten half ihm nichts. Er wurde trotzdem geohrfeigt und geschlagen, und danach der bereits überfüllten Judenbaracke zugeteilt. Wir haben ihm ein Lager freigemacht. Er hatte 40° Fieber, wimmerte und stöhnte unausgesetzt. Wir mußten ihn entkleiden.
Sein Körper bot ein grauenhaftes Bild. Die Oberschenkel, der Bauch bis über den Nabel, Rücken und Gesäß waren grün und blau. Breite, blutunterlaufene Striemen bedeckten beide Seiten des Körpers. Die Hoden blau verfärbt, das Gesäß stark geschwollen. Das war sein Zustand nach Einlieferung in Dachau am Sonnabend, dem 26. August. Am Sonntag lag er in der Baracke. Am Montag wurde er ins Revier geschafft und am Dienstag ist er gestorben. Wie wir durch andere Gefangene erfahren haben, ist er innerhalb des Lagers verscharrt worden. (Konzentrationslager, S. 79)
In einem Nachtrag wurden Täter und Opfer der Lager genannt. So wurden für in der Hoffnung auf eine spätere Gerechtigkeit die Namen beider Seiten festgehalten.
So kommentierte Heinrich Mann den Bericht des SPD-Reichstagsabgeordneten Gerhart Seger (1896–1967), den dieser mit seinem Buch Oranienburg. Erster authentischer Bericht eines aus dem Konzentrationslager Geflüchteten über Haft und Flucht ebenfalls 1934 abgeliefert hatte. Mit Ausgaben des Buches in unterschiedlichen Sprachen (z.B. Französisch, Schwedisch, Dänisch, Norwegisch oder Niederländisch) wurden die nationalsozialistischen Verbrechen in aller Welt bekannt. Seger schilderte hier ausführlich unterschiedlichste Methoden der Folter.
Tatsächlich war diese grauenhafte Erfindung des Lagerkommandanten nichts anderes als eine Art aufrechtstehender Sarg. Ein Raum mit einer Bodenfläche von 60 zu 80 Zentimetern erlaubt gerade das Stehen: keine noch so geringe Beugung der schon nach kurzer Zeit erstarrenden Glieder ist möglich. Diese Steh-Bunker sind die Ausgeburt einer geradezu mittelalterlichen Folterknechtsphantasie. Die Gefangenen, die da hineingepfercht wurden, haben entsetzliche Stunden, unsagbar qualvolle Nächte durchgemacht. In einen Zementsarg eingeschlossen zu sein, kein Glied rühren zu können, fühlen, wie die Glieder von unten her starr werden, zu schmerzen beginnen, wie die Knie durchsacken und an die Wand stoßen, nicht wissen, wohin mit den Armen, wie noch länger stehen, und dazu die nicht geringere seelische Folter - das fürchterliche Bohren der Gedanken, die nur einen Inhalt haben: heraus aus dem entsetzlichen Zementsarg, die wachsenden Schmerzen des ruhelos eingesperrten Körpers, die die Tränen der Wut, der Verzweiflung in die Augen pressen, den rasenden Druck im Kopfe vermehrend, den das in den Schläfen hämmernde Blut erzeugt – es ist eine Hölle, und der sie erfand, ist kein Mensch, sondern ein Vieh. (Seger, Oranienburg, S. 63)
In weiteren Publikationen jener Zeit bildete sich fast ein eigenes Genre heraus. Hans Beimler (1895–1936), Abgeordneter für die KPD in bayrischen Landtag und im letzten freien Reichstag, schrieb in „Im Mörderlager Dachau. Vier Wochen in den Händen der braunen Banditen“ (Moskau 1933) über seine Haftzeit. Auch der Bericht von Werner Hirsch (1899–1941), Chefredakteur der „Roten Fahne“, erschien unter dem Titel Hinter Stacheldraht und Gitter. Erlebnisse und Erfahrungen in den Konzentrationslagern und Gefängnissen Hitlerdeutschlands 1934 in Zürich. Als letztes Beispiel für einen Zeitzeugen sei hier der Arbeiterdichter Julius Zerfaß (1886–1956) genannt, der als freier Redakteur der sozialdemokratischen Presse in München und Feuilletonist der „Münchener Post“ tätig war. Er legte in „Dachau – Eine Chronik“ (Zürich 1936) über seine sechsmonatige Haft und Flucht 1934 aus dem Konzentrationslager Dachau Zeugnis ab.
Hubert Woltering
Alle genannten Bücher sind im Bestand der Bibliothek der FES zu finden. Eugen Kogon (1903–1987), der während des ganzen Krieges im KZ Buchenwald inhaftiert war und in seinem Buch Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager über diese Zeit berichtete, überantwortete seinen Nachlass (1/EKAH) dem Archiv der sozialen Demokratie.
Konzentrationslager. Ein Appell an das Gewissen der Welt. Ein Buch der Greuel. Die Opfer klagen an. Dachau – Brandenburg – Papenburg – Königstein – Lichtenburg – Colditz – Sachsenburg – Moringen – Hohnstein – Reichenbach – Sonnenburg, Karlsbad 1934.
Hans Beimler: Im Mörderlager Dachau. Vier Wochen in den Händen der braunen Banditen, Moskau 1933.
Werner Hirsch: Sozialdemokratische und kommunistische Arbeiter im Konzentrationslager, Straßburg 1934.
Gerhart Seger: Oranienburg. Erster authentischer Bericht eines aus dem Konzentrationslager Geflüchteten, Karlsbad 1934.
Julius Zerfass: Dachau 1933. Eine Chronik, Zürich 1936.
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