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„Menschenrechte sind keine Bürokratie!“

Arbeitnehmer:innenrechte sind Menschenrechte. Ein neues gewerkschaftliches Kompetenzzentrum soll sie künftig in globalen Wertschöpfungsketten stärken. Was haben wir als Friedrich-Ebert-Stiftung damit zu tun?

Nach Jahren intensiver Vorbereitung und in enger Abstimmung mit internationalen Gewerkschaftspartner:innen nimmt das neue „Kompetenzzentrum für menschenrechtliche Sorgfaltspflichten“ im März 2025 Gestalt an.
Mit Mirko Herberg, dem Gewerkschaftskoordinator für Internationale Arbeit bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), sprechen wir über die Entstehung, die Ziele und die Bedeutung des Zentrums – und über die Rolle, die die FES dabei bisher eingenommen hat und künftig weiter ausfüllen wird.

Warum engagiert sich die FES so intensiv für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)?

Mirko Herberg: Das LKSG ist ein entscheidendes Instrument für unsere internationale Gewerkschaftsarbeit. Seit vielen Jahren unterstützen wir gemeinsam mit den Global Unions Initiativen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Rechte von Beschäftigten in multinationalen Unternehmen und deren Lieferketten. Mit dem Gesetz haben wir nun eine konkrete Grundlage, um menschenrechtliche Sorgfaltspflichten wirksam einzufordern.

 

Wie entstand die Idee, ein Kompetenzzentrum zu menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten aufzubauen?

Im Austausch mit unseren Partner:innen – insbesondere UNI Global Union und deutschen Gewerkschaften – wurde schnell deutlich, dass Ressourcen und Kapazitäten fehlen, um das LKSG in seiner ganzen Tragweite zu nutzen. Daraus ist die Idee entstanden, ein Kompetenzzentrum zu schaffen, das Wissen bündelt, Handlungsspielräume aufzeigt und Akteur:innen vernetzt. Die FES hat die Machbarkeitsstudie maßgeblich unterstützt und war eng in die weitere Entwicklung eingebunden.

 

Welche Rolle hat die FES konkret übernommen?

Wir waren von Anfang an Teil des informellen Koordinierungsgremiums und haben den gesamten Prozess aktiv begleitet: von der Projektkonzipierung und der Antragstellung beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bis zur strategischen Ausrichtung des Zentrums. Hinzu kamen Bildungsveranstaltungen in Panama und Côte d’Ivoire, die wir gemeinsam mit den Initiator:innen umgesetzt haben. Der Verkündung der Gründung des neuen Zentrums war ein wichtiger Schritt – und ein starkes Signal für die internationale Zusammenarbeit.

 

Was unterscheidet das Zentrum von anderen Ansätzen im Bereich Sorgfaltspflichten?

Es ist ein Projekt aus der Gewerkschaftsbewegung – mit einem klaren Fokus auf Arbeitnehmer:innenrechte entlang globaler Lieferketten, insbesondere für Organisationsfreiheit und Kollektivverhandlungen. Das Zentrum soll nicht nur Wissen vermitteln, sondern vor allem konkrete Handlungsmöglichkeiten für Gewerkschaften, Beschäftigte und ihre Vertretungen schaffen.

 

Wie wird sich die FES künftig einbringen?

Wir bleiben als Mitglied des Beratungsgremiums eng verbunden und werden das Zentrum mit eigenen Bildungs- und Vernetzungsangeboten weiter stärken. Die Verankerung menschenrechtlicher Sorgfalt in der internationalen Gewerkschaftsarbeit und der Gestaltung globaler Lieferketten bleibt ein zentrales Anliegen der FES.

 

Was braucht es aus Deiner Sicht, damit das Zentrum dauerhaft Wirkung entfalten kann – national wie international?

Es braucht verlässliche Strukturen, langfristige politische und finanzielle Unterstützung und eine starke Allianz von Partner:innen. Ziel ist es, Gewerkschaften weltweit dabei zu unterstützen, menschenrechtliche Sorgfaltspflichten wirksam zu nutzen – etwa durch den Aufbau von Kapazitäten, strategischen Interventionen und politischer Einflussnahme. Entscheidend wird sein, dass aus rechtlichen Vorgaben konkrete Verbesserungen für Beschäftigte entstehen.

 

Gab es für Dich einen Moment, in dem Dir klar wurde: Das hat echtes Potenzial?

Bei vorbereitenden Workshops in Afrika und Lateinamerika haben uns Gewerkschafter:innen sehr deutlich gemacht, dass das Kompetenzzentrum sie ganz konkret beraten kann, Probleme zu lösen, für die sie allein keinen starken Hebel haben. 

 

Wie kann es gelingen, dass globale Gewerkschaftsarbeit und deutsche Politik noch stärker Hand in Hand arbeiten?

Indem wir noch mehr Gewerkschafter:innen und Beschäftigte in Lieferketten, von denen Deutschland profitiert, ins Land und mit Politik und Wirtschaftsverbänden ins Gespräch bringen. Erfahrungsberichte von pakistanischen Textilarbeiter:innen oder ecuadorianischen Bananenpflücker:innen helfen uns zu verstehen, warum wir diese Regeln brauchen. Wie Yasmin Fahimi sagte: „Menschenrechte sind keine Bürokratie!“

 

Das Kompetenzzentrum im Überblick

Gründung verkündet: 20. März 2025
Eröffnung geplant: 4. Quartal 2025
Ort: virtuell, als gemeinnützige Stiftung in den Niederlanden
Zielgruppen: Gewerkschaften und Betriebliche Interessenvertreter: innen in Deutschland, Europa und Produktionsländern
Angebote: Schulungen, Help Desk, strategische Beratung, politische Einflussnahme

 

Über die Projektpartner:innen

UNI Global Union vertritt Beschäftigte aus über 150 Ländern im privaten Dienstleistungssektor und setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen und soziale Gerechtigkeit ein. UNI unterstützt Gewerkschaften beim Aufbau von Machtstrukturen, fördert Tarifverhandlungen und fordert Unternehmen sowie Regierungen zur Rechenschaft.

IndustriALL Global Unionvertritt 50 Millionen Beschäftigte in 130 Ländern in den Branchen Bergbau, Energie und Industrieproduktion. IndustriALL kämpft für bessere Arbeitsbedingungen, Gewerkschaftsrechte und eine gerechtere Globalisierung.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist die Dachorganisation von acht Mitgliedsgewerkschaften mit 5,7 Millionen Beschäftigten. Der DGB setzt sich für faire Arbeitsbedingungen, soziale Gerechtigkeit und starke Arbeitnehmerrechte ein – in Deutschland und entlang globaler Lieferketten.


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