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Frauen stärker in den indischen Arbeitsmarkt eingliedern – eine mühsame Herausforderung

Der Frauenanteil auf dem indischen Arbeitsmarkt ist gering und sinkt trotz zahlreicher politischer Strategien und Maßnahmen weiter. Nandita Mondal untersucht das Thema aus gesellschaftlicher Perspektive.

Im Februar 2021 kündigte die indische Finanzministerin Nirmala Sitharaman an, dass Frauen bei angemessenen Schutzmaßnahmen in allen Branchen und auch in der Nachtschicht arbeiten dürften. Damit eröffnete sie Frauen neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Obwohl indische Frauen pro Tag 3,26 Milliarden Stunden unbezahlte Arbeit leisten – das entspricht ungefähr 271 Milliarden US$ - geht ihr Anteil am Arbeitsmarkt zurück. Nach dem Global Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums sank er von 35% im Jahr 1990 auf gegenwärtig 25%, womit Indien auf Rang 145 von 153 Ländern liegt.   

 

Verschärfte Herausforderungen

Traditionell waren Frauen in Indien hauptsächlich für Haushalt und Betreuung zuständig und hatten entsprechend begrenzte Chancen, eine bezahlte Arbeit zu finden. Sie wagten oft nur dann den Schritt in den Arbeitsmarkt, wenn sie durch eine plötzliche Verringerung des Haushaltseinkommens dazu gezwungen waren, und fanden sich dann in schlecht bezahlten und unproduktiven Jobs wieder. Frauen, die ihre Erwerbstätigkeit aufrechterhielten, taten dies zumeist unter schlechteren Bedingungen als Männer, vor allem was die Bezahlung betraf. Sie hatten außerdem weniger Zugang zu Schulungen, Bildung und beruflicher Weiterentwicklung.

In ländlichen Gegenden werden diese Herausforderungen noch dadurch verschärft, dass viele Männer zum Arbeiten in die Städte abwandern. Die Frauen werden oft zurückgelassen und müssen alleine zurechtkommen und sich um den Haushalt kümmern, wodurch es ihnen unmöglich wird, außer Haus zu arbeiten. Ohne eine bessere Unterstützung von Seiten des Staates in Form von Kinderbetreuung und Gesundheitsversorgung wird der Weg in den Arbeitsmarkt für Frauen auch weiterhin schwierig sein.  

Für Frauen aus ländlichen Gegenden, die mit ihren Männern in die Stadt ziehen, sind die beruflichen Chancen oft auf Heimarbeit, geringfügig bezahlte Jobs und Gelegenheitsarbeiten beschränkt, und sie müssen den Großteil ihres Lohns an ihre Männer abgeben. Im Bundesstaat Maharashtra in Zentralindien werden die Arbeitsplätze in der Zuckerrohrindustrie jeweils an Paare vergeben, die Bezahlung erhält der Ehemann. Frauen müssen sich außerdem oft verpflichten, nicht schwanger zu werden, denn eine Schwangerschaft wird von vielen Arbeitgebern als Hindernis betrachtet. 

Technische Entwicklungen und Automatisierung in der Landwirtschaft, wo Frauen überrepräsentiert sind, haben die Arbeitsstunden und Lohnniveaus, die für weibliche Arbeitskräfte verfügbar sind, weiter reduziert. Diese Situation verschärfte sich noch, als Arbeitskräfte in einer durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten umgekehrten Migrationswelle aus den Städten zurück aufs Land strömten. Die zurückgekehrten Männer wurden bei der Vergabe der verfügbaren Arbeitsplätze bevorzugt und drängten die Frauen weiter aus dem Arbeitsmarkt und zurück in den Haushalt.

 

Öffentliche Politik: Fahrplan für die Zukunft

Um einen spürbaren Wandel herbeizuführen, muss jede getroffene Maßnahme alle Aspekte des Problems berücksichtigen. In einem ersten Schritt sind aktuelle Daten und analytische Konzepte notwendig, um ein vollständiges Bild der Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt zu erhalten. Weibliche Arbeitskräfte müssen sichtbarer werden, insbesondere die große Zahl der Frauen, die im informellen Sektor tätig sind. Ihren Stimmen muss bei der Gestaltung der staatlichen Politik mehr Gehör geschenkt werden, und zwar nicht nur als passive Empfängerinnen von Hilfsleistungen, sondern als Bürgerinnen, die ihre legitimen Rechte einfordern. Diese verstärkte Sichtbarkeit berufstätiger Frauen erfordert nichts weniger als eine Aufhebung ihrer gesellschaftlichen Unterordnung und ein Ende des ungleichen Zugangs zu Wissen und Qualifikationen. Das Personal der Regierungsmaschinerie, das mit der Datenerhebung betraut ist, muss sensibilisiert werden, um sich vom vorherrschenden patriarchalischen Gesellschaftsverständnis zu lösen und die richtigen Daten zu sammeln.  

Die nächste Hürde wird sein, die zuverlässigen Unterstützungsleistungen zur Verfügung zu stellen (einschließlich Betreuungsdiensten), die Frauen benötigen, wenn sie in den Arbeitsmarkt eintreten sollen. Es gibt Möglichkeiten für öffentlich-private Partnerschaften, um Lücken zu schließen, wo der Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, solche Einrichtungen bereitzustellen. Arbeitnehmerinnen, besonders Migrantinnen, benötigen diese Einrichtungen jedoch sowohl an ihrem Herkunfts- als auch ihrem Bestimmungsort, um ihre familiären Aufgaben erfüllen zu können.  Die Einführung eines Verzeichnisses solcher Dienstleistungen und einer Arbeits-Beratungsstelle, die über die Gemeinderäte bekannt gemacht werden, würde Arbeitnehmerinnen im ganzen Land zugute kommen.

Im Bereich der Mutterschaft besitzt Indien bereits eines der fortschrittlichsten Arbeitsgesetze Asiens. Für die ersten beiden Kinder erhalten Mütter 26 Wochen Mutterschutz. Jedoch kommt nur ein Bruchteil der Arbeitnehmerinnen in den Genuss solcher Leistungen, nämlich Frauen, die im formalen Sektor beschäftigt sind, und es gibt Fälle, in denen diese Gesetzgebung potenzielle Arbeitgeber davon abgeschreckt hat, Frauen überhaupt einzustellen. Die Einführung einer Familienpause anstelle des Mutterschutzes, wie es ihn in einigen skandinavischen Ländern gibt, könnte eine innovative Lösung sein, damit beide Elternteile sich bei der Kinderbetreuung abwechseln können. Für Frauen, die zumeist im informellen Sektor beschäftigt sind, bedeutet eine Schwangerschaft den Verlust des Arbeitsplatzes und/oder des Einkommens. Eine Universalisierung der Mutterschutzleistungen einschließlich Bezahlung für alle berufstätigen Frauen (und Männer) könnte viel zu einer stärkeren Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt beitragen.

Wenn eine Frau ihre Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt anbietet, verdient sie volle Beachtung als Mensch in all ihren Facetten, nicht nur die eingeschränkte Identität, die ihr durch die restriktiven patriarchalischen Normen zugestanden wird. Die Achtung ihrer Würde als produktives Mitglied der arbeitenden Bevölkerung trägt maßgeblich dazu bei, die Ungleichstellung der Frauen zu reduzieren. Frauen stellen ein bedeutendes unausgeschöpftes Potenzial in der heutigen indischen Gesellschaft dar. Das Verstehen und Ausräumen der Hindernisse für eine volle Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt wird eine mühsame Aufgabe sein, aber eine, die sowohl den Frauen selbst als auch der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft zugute kommen wird.

 

Nandita Mondal ist Dozentin am Centre for Labour Studies (Zentrum für Arbeitsstudien) des Tata Institute of Social Sciences (Tata Institut für Sozialwissenschaften) in Mumbai. Sie ist ausgebildete Sozialarbeiterin und war sowohl für staatliche als auch nichtstaatliche Institutionen und Bildungseinrichtungen tätig. Sie forscht zu Frauen auf dem informellen Arbeitsmarkt, Erwerbstätigkeit von Frauen und Würde, kooperatives Regieren und Frauen, Kinderarbeit sowie unternehmerische Sozialverantwortung.


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Natalia Figge
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