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Ein Erfahrungsbericht über die erschwerten Bedingungen für zivilgesellschaftliches Engagement bei der COP24
Bild: #COP24 von Annamária Lehoczky
Bild: Side event COP24 von FES
Bild: Blick von den Arbeitsplätzen von FES
Bild: Einblick working space von FES
Bild: Climate Action - Fossil of the day von FES
Bild: Climate Action von FES
Kurz bevor es die ersten bilateralen Begegnungen, morgendlichen Briefings und freudigen Begrüßungen auf den COPs gibt, tippt man die letzten privaten Nachrichten in sein Handy und verabschiedet sich von seinen Liebsten für die Dauer von zwei vollen Wochen. Die COP bedeutet ein Eintauchen in ein eigenes Universum mit eigenen Regeln und einer andauernden Anspannung – diese Zeit, so scheint es, kann die Welt verändern, weil die Welt sich hier zu treffen scheint, weil die Menschen diese Welt schützen wollen. Wir sind die Generation, die die Welt zu retten, zu erhalten und zu verbessern vermag - für uns und für die künftigen Generationen.
Die Architektur eines COP-Geländes besteht aus Konferenzräumen verschiedener Größen, Besprechungsinseln, gut ausgestatteten Arbeitsplätzen, künstlerischen Ausstellungsflächen, Coffee & Foodbars und einer Agora des Austauschs. Auch wir wollen mit unseren FES-Veranstaltungen auf den jährlich stattfindenden Weltklimakonferenzen produktive Dialoge, echte Debatten ermöglichen und Lösungen mit globaler Perspektive konkretisieren. Wesentliche Grundvoraussetzungen dafür sind neben Zeit, aktivem Zuhören und Vertrauen, räumliche Gegebenheiten. Soweit die Theorie und die Erfahrungen der letzten Jahre.
Das Konferenzgelände in Katowice, welches für einige Delegierten bis zu zwei Stunden tägliche Anreise bedeutet, erstreckt sich wie eine unermüdliche Schlange von befestigten Hallen zu montierten Zeltlandschaften. Die Eingangshalle verspricht hoffnungsvoll eine gute Versorgung, gekühlte regionale Äpfel auf der einen und ein Wasserspender auf der anderen Seite, an dem eine nachfüllbare Wasserflasche (eines der fünf Gastgeschenke) befüllt werden kann. Auch Raum für Aktionen scheint es hier zu geben, stilvoll gezimmerte Lounge Areas aus Paletten säumen den Weg und es befinden sich ausreichend Steckdosen an den Wänden. Zur Not kann auch die Powerbank mit COP24-Logo genutzt werden (ein weiteres Gastgeschenk aus dem petrolfarbenen Gift Bag). Doch je weiter man in das Labyrinth eindringt, umso mehr verlieren sich Wasserspender und Sitz- und Arbeitsmöglichkeiten. Am Ende suchen wir vergeblich danach.
In der Pavillon Area, in der sich Länder, Institutionen und Organisationen dicht an dicht präsentieren und Programme vorstellen können, herrscht eine ungewohnte laute Geräuschkulisse. Ein Gemisch aus babylonischem Gemurmel, Werbejingles (Titanic Filmmusikmotiv!), Kaffeeautomatenrauschen und einem Trippeltappel von der zweiten Etage erschweren jegliches Zuhören der Podiumsdiskussionen. Um Debatten verfolgen zu können, werden im EU-Pavillon Kopfhörer ausgeteilt, nicht weil gedolmetscht werden soll, sondern vielmehr um die Tonübertragung der Sprecher_innen überhaupt gewährleisten zu können. Es erfordert viel Gleichmut und Stressresistenz, wenn z.B. während einer Debatte zum Leadership der EU in der Internationalen Klimapolitik eine der Chefverhandler_innen der Europäischen Union in ihren Ausführungen jäh unterbrochen wird von Paulchen Panthers »Wer hat an der Uhr gedreht ?« des Nachbarpavillons. In einem anderen Kontext, an einem anderen Ort sicherlich eine große Gaudi, hier allerdings eine Herausforderung für Podium und Publikum. Noch lächeln wir es weg. Es ist Tag 2.
Es sind in der Summe erschwerende Komponenten: viele akustische Reize, trockene Luft, überhitzte Räume, zu wenig Wasserspender, viel zu wenig Arbeitsplätze mit Zugang zu Ladestationen und wenn, dann liegen diese extrem weit vom eigentlichen politischen Geschehen entfernt. Für größere Gruppen ist es fast unmöglich, einen ruhigen Platz zur Strategieberatung – für zivilgesellschaftliche Gruppen versteht sich, denn Regierungsvertreter_innen können ihre eigenen Büros nutzen. Außerdem gibt es keine Rückzugsmöglichkeiten zum Denken und zum Innehalten.
Es fehlt die räumliche Konzeption für einen Austausch, für gemeinsame Entscheidungen, für ein gemeinsames Handeln im Sinne eines gesellschaftlichen Entwicklungsprozesses. Was haben sich die Messebauer nur dabei gedacht? Ist es schlicht vergessen worden, wusste man es nicht besser oder war es strategische Planung, Interaktionen gezielt zu vermeiden und zu verhindern?
Mittlerweile ist die erste Woche der COP zu Ende gegangen, und unsere Überlebensstrategie hat sich entwickelt: Wir gehen mit mindestens zwei vollen Wasserflaschen durch den Sicherheitscheck, füllen eine dritte auf, schnappen uns einen Apfel, flanieren am beleuchteten COP24-Logo vorbei und laufen nicht den regulären Weg, sondern biegen scharf rechts links in die zweite Etage, vorbei an kleinen Ausstellungsboxen für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die so schlecht besucht sind, weil sie kaum auffindbar sind, dass wir am liebsten unsere Äpfel gleich wieder an eine_n Standvertreter_in verschenken möchten. Nach einer weiteren längeren Wegstrecke führt uns ein Schild Computer Center über eine Treppe in die dritten Etage hinauf in einen Raum, der uns mit vielen Laptops und überraschend wenigen Menschen erwartet, denn kaum jemand weiß von diesem Raum, und denjenigen, die davon wissen, ist er einfach zu weit weg vom eigentlichen Geschehen der Verhandlungen.
Allerdings haben diesen großen Raum auch Gruppen entdeckt, die sich im Schneidersitz im Kreis auf dem Boden austauschen, somit steigt in einer konzentrierten Atmosphäre der Lärmpegel, und jedes Ansinnen, sie zur Ruhe zu ermahnen, scheitert an dem Bewusstsein, dass es einfache keine anderen Möglichkeiten für sie gibt. Wir sind solidarisch. Mitgegangen, mitgefangen also.
Apropos mitgefangen. Es ist die eine Sache, scheinbare Fehlplanungen in der Architektur von Konferenzräumen zuzulassen, vielleicht als Hindernis, um politischen, internationalen Dialog zu erschweren und Aktionen zu konterkarieren. Eine ganz andere Sache ist es, wenn dreizehn akkreditierte Teilnehmer_innen der COP24, zivilgesellschaftliche Vertreter_innen und Journalist_innen vor allem aus Osteuropa, an den Grenzen festgehalten und dann nach Hause zurückgeschickt werden. Warum ihnen die Einreise verwehrt wird, bleibt vorerst ungeklärt. Zwei von ihnen gelingt die Einreise nach Katowice, wo sie später festgenommen und einige Stunden festgehalten werden. Sie sind mittlerweile auf freiem Fuß, alle Anklagepunkte wurden fallengelassen – eine Begründung für ihre Festsetzung steht noch aus.
Ungewöhnlich ist auch, dass bereits in der ersten eher technisch ausgelegten Verhandlungswoche Observer (vor allem NGOs – ergo auch die FES) von zahlreichen offen ausgewiesenen Besprechungen ausgeschlossen und von Informationen abgeschnitten werden, sofern es keine expliziten NGO-Briefings seitens der Delegationen gibt – das ist sonst eher in der zweiten, der politischen Verhandlungswoche gängige Praxis.
Das Eine wirkt gegen das Andere harmlos. Zivilgesellschaftliches Engagement ist essenziell für eine ambitionierte internationale Klimapolitik. Wird dieses strategisch verhindert, werden Rechte und Möglichkeiten eingeschränkt, dann kann nur schwer von einer erfolgreich verlaufenden UN-Klimakonferenz gesprochen werden.
Die erste Woche der COP24 ist vorbei, die kollektive Aufregung groß. Jetzt geht es ums Ganze: um die Bestandteile des Pariser Regelbuchs.