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Dimensionen der Nachhaltigkeit

Was ist Just Transition? Gewerkschaften prägen diese Idee: Was dahintersteckt und was der Green Deal damit zu tun hat, benennt dieses Dossier.

Aus einer sozialdemokratischen Perspektive ist es wichtig, den ökologischen Übergang in eine nachhaltige Zukunft so zu gestalten, dass die soziale Ungleichheit nicht weiter vergrößert wird. Die Gestaltung dieses Übergangs wird folglich als »Just Transition« bezeichnet.

Das vorliegende Dossier erläutert, was »Just Transition – gerechter Strukturwandel« bedeutet - vom Konzept innerhalb des Green Deals der Europäischen Union, bis zur praktischen Umsetzung vor Ort, d.h. an den Arbeitsplätzen, am Lebensort der Menschen in den unterschiedlichsten Regionen. Es enthält Beiträge des spanischen Vize-Premierministers und Ministers für den ökologischen Übergang, von führenden Persönlichkeiten der Gewerkschaftsbewegung in Europa und auf internationaler Ebene, sowie vom Direktor der europäischen Verbraucherorganisation.

Nachhaltigkeit ist dabei immer sozial, ökologisch und wirtschaftlich zu denken. Während Bewegungen wie »Fridays for Future“« den öffentlichen Fokus auf den Klimawandel verstärkt haben, geht es bei der Nachhaltigkeit nicht nur um die Umwelt.  Mit ihrer Forderung nach Klimagerechtigkeit fordern die Gewerkschaften eine weitreichende Umgestaltung der Wirtschaft, einen »gerechten Strukturwandels«, der die Arbeitnehmer_innen schützt und gleichzeitig rasch zur Senkung der Emissionen beiträgt.  Der Europäische Gewerkschaftsbund begrüßt den »Grünen Deal für Europa« der Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, der jedoch alle Dimensionen der Nachhaltigkeit einbeziehen muss: soziale, wirtschaftliche und ökologische.  Dieser »Green Deal« sollte über einen signifikanten Haushalts- und Investitionsplan zur Erreichung der Klimaziele verfügen, der durch die Mobilisierung neuer, nicht umgewidmeter Mittel durch die Wissenschaft ergänzt werden sollte.  Er sollte der sozialen Gerechtigkeit und der Umsetzung des Europäischen Pfeilers der sozialen Rechte und der Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung Vorrang einräumen und die Grundlage der EU-Politik bilden: »Nachhaltigkeit an erster Stelle« sollte der rote Faden sein, der alle EU-Maßnahmen vereint, und die Sozialpartner müssen in jede Phase der Politikgestaltung eng einbezogen werden, um die sozialen Auswirkungen der dringend benötigten Null-Emissionen zu mildern.

Wie Arbeitsplätze geschaffen werden können

Eine nachhaltige Wirtschaft kann Arbeitsplätze in vielen Sektoren schaffen, wenn Regierungen, Gewerkschaften und Arbeitgeber zusammenarbeiten, um den Wandel zu antizipieren und zu bewältigen. Die Herausforderungen der »Just Transition“« unterscheiden sich je nach Region, besonders sensibel sind in Europa Sektoren wie der Bergbau und die Automobilindustrie. Subventionen, die der Umwelt schaden, müssen schrittweise abgebaut werden, während die Struktur- und Sozialfonds der EU auf die Qualifizierung und Umschulung von Arbeitnehmer_innen und die Schaffung grüner Arbeitsplätze ausgerichtet werden sollten. Gewerkschaften spielen eine Schlüsselrolle bei der Vorbereitung und Vertretung von Arbeitnehmer_innen im Zuge dieser Transformation der Arbeitswelt. Die Klimapolitik sollte die internationalen Handelsbedingungen überprüfen, kurze und lokale Wirtschaftskreisläufe fördern und nicht die Verlagerung der Produktion außerhalb Europas bedeuten. Der soziale Dialog und die Informations-, Konsultations- und Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer_innen müssen auf allen Ebenen gestärkt werden.  Die EU muss die Verantwortung für die Förderung und Unterstützung von Kollektivverhandlungen übernehmen, damit Gewerkschaften und Arbeitnehmer_innen nachhaltige Arbeitsplätze und eine grüne Wirtschaft gestalten können Das verarbeitende Gewerbe ist die Grundlage der europäischen Wirtschaft und muss durch eine kohärente industrielle Strategie der EU, die die nachhaltige Entwicklung unterstützt, erhalten werden. Neue Technologien werden bei der Umgestaltung der Industrie eine wichtige Rolle spielen, aber die Arbeitnehmer_innen müssen bei ihrer Einführung ein Mitspracherecht haben.

Just Transition – eine robuste und gute Idee

Im November 2019 warnte eine globale Koalition von mehr als 11 000 Wissenschaftler_innen davor, dass die Erde vor einer »Klima-Notlage« stehe, die »unsägliches menschliches Leid« verursachen würde, wenn nicht drastische Schritte unternommen würden: Viele Industrien werden aufhören zu existieren, und viele Arbeitsplätze werden verloren gehen. Die Idee einer »Just Transition« wurde frühzeitig vom Internationalen Gewerkschaftsbund initiiert, da er befürchtete, dass die Arbeitnehmer_innen die Kosten tragen müssten, was zu Arbeitslosigkeit und Ausgrenzung führen würde.  Was sich aus dem zusammengetragenen Material herauskristallisiert, ist, dass »Just Transition« eine robuste und gut entwickelte Idee ist, die durch viele Beispiele belegt wird.  Es obliegt der Europäischen Union, die Mittel im Hinblick auf den Umfang des von ihr eingerichteten Fonds zu bestimmen. Die zentrale Frage ist, ob die Wählerinnen und Wähler darauf vertrauen werden, dass ihre Regierungen in der Lage sind, die für einen »gerechten Strukturwandel« erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.

 

Katharina Hofmann de Moura ist Referentin für Soziale Demokratie, Sozial- und Wirtschaftspolitik und Politischer Feminismus im Referat Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung.

 

Just transition

A social route to sustainability
Berlin, 2020

Zum Download (PDF) (1,7 MB PDF-File)


Ansprechpartnerin

Katharina Hofmann de Moura
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+49 30 26935-7713

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