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In zwei Jahren entscheidet die Bundesregierung, ob sie Unternehmen zum Menschenrechtsschutz verpflichtet – der Weg dahin ist kritisch.
Bild: This Way to the Light von Thomas Hawk lizenziert unter CC BY-NC 2.0
Eigentlich sollte es klar sein: Der Staat muss innerhalb seiner Einflusssphäre Menschenrechte schützen, egal wo und egal von welcher Person. In der politischen Praxis ist diese staatliche Schutzpflicht jedoch dann, wenn es transnational agierende Unternehmen sind, die Menschenrechte verletzen, nicht so leicht umsetzbar.
Diese Schutzlücke versuchten die Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2011 dadurch zu schließen, dass sie – rechtlich unverbindliche – Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte formulierte. Von da an dauerte es über fünf Jahre, bis die Bundesregierung ihren so genannten Nationalen Aktionsplan (NAP) für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedete. Mit ihm sollten die Leitprinzipien endlich auch in Deutschland konkret umgesetzt werden.
Nach monatelangem Gezerre und Gezurre wurde im NAP das weitere Vorgehen in Deutschland vereinbart: Bis zum Jahr 2020 soll ein externes Beratungsunternehmen überprüfen, ob mindestens die Hälfte aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten - also insgesamt etwa 3100 Unternehmen - angemessene Verfahren eingeführt haben, mit denen sie ihren Einfluss auf die Menschenrechte im In- und Ausland einschätzen und verbessern können. Dieser Kompromiss wird auch der so genannte 50-500-2020-Kompromiss genannt. Derzeit sucht die Bundesregierung nach einer geeigneten Organisation, die die Überprüfung durchführt. Ab Juni dieses Jahres soll dann dieser Monitoringprozess beginnen. Sollte sich schließlich herausstellen, dass weniger als die Hälfte der Unternehmen geeigneten Verfahren entwickelt haben, um die Menschenrechte zu schützen, will die Bundesregierung ab dem Jahr 2020 ein Gesetz für Unternehmen einführen wie es zum Beispiel in Frankreich seit dem Jahr 2016 mit dem „Loi de Vigilance“ existiert. Der Vertrag der neuen Großen Koalition kündigt dies jedenfalls ziemlich deutlich an: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen“.
Was zunächst nach einem plausiblen Vorgehen und einem beherzten Schritt nach vorne klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als schwacher Kompromiss. Zunächst ist da der so genannten „Comply-or-explain“-Mechanismus, in dem zivilgesellschaftliche Organisationen aus guten Gründen ein mögliches Schlupfloch für Unternehmen sehen. Denn der Mechanismus ermöglicht es ihnen, begründet darzulegen, warum sie Prozesse der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht umgesetzt haben. Auch der Monitoringprozess selbst steht unter Beschuss, denn die Teilnahme an der Bestandsaufnahme ist für Unternehmen bislang nicht verpflichtend. Daher ist davon auszugehen, dass sich nur relativ wenige Unternehmen auf die Monitoringanfrage der Bundesregierung zurückmelden und ihre menschenrechtlichen Sorgfaltsprozesse darlegen werden – und zwar genau diejenigen die den Menschenrechten sowieso eher zugeneigt sind. Wie die Regierung mit einer geringen Rücklaufquote umgeht, ist bislang völlig unklar. Werden die fehlenden Unternehmen per se als „non-compliant“ eingestuft, werden sie also so betrachtet als machen sie im Bereich Menschenrechtsschutz gar nichts? Dies würde dazu führen, dass das Monitoringergebnis insgesamt für eine gesetzliche Regulierung spräche. Oder werden nur die wenigen Rückläufe als Grundgesamtheit betrachtet, was das Ergebnis möglicherweise zulasten einer gesetzlichen Regulierung verzerren würde? Es spielt also eine große Rolle, wie hier in den nächsten Monaten diskutiert und entschieden wird.
Dazu kommt die Frage, inwieweit Menschen in anderen Ländern, deren Rechte durch Unternehmen verletzt werden oder wurden, in den Prozess mit einbezogen werden. Wie wird die Wirksamkeit etwaiger unternehmerischer Schutzmaßnahmen vor Ort überprüft, also nachvollzogen, ob sie überhaupt bei den Arbeitnehmer_innen in den Fabriken im Globalen Süden ankommt? Denn die Sozialaudits, mit denen normalerweise überprüft wird, ob Unternehmen ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflicht tatsächlich einhalten, sind in vielen Fällen unzureichend und thematisieren die eigentlichen Probleme nicht - zum Beispiel bei Landrechtsfragen oder Vertreibungen.
All diese Verfahrensfragen mögen sehr technisch erscheinen, aber wie die Bundesregierung sie beantwortet, ist von zentraler Bedeutung. Denn das wird mitentscheiden, ob es in Deutschland langfristig zu einem durchdachten und umfassenden Gesetz kommt, das den Schutz der Menschenrechte endlich über Grenzen hinweg verbindlich regelt. Wünschenswert wäre es.
Autorin: Maike Drebes
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