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Bericht vom Side Event im Deutschen Pavillon auf der COP23
Bild: FES-Sideevent "Towards a Just Energy Transition" im Rahmen von COP23 von Arthur Wyns (Climate Tracker)
Bild: Rhoda Boateng spricht beim FES-Sideevent "Towards a Just Energy Transition" von Arthur Wyns (Climate Tracker)
Stellen Sie sich vor, dass Sie seit Jahrzehnten in einem Kohlebergwerk arbeiten und plötzlich erfahren, dass Ihre Arbeitskraft durch ein neues System ersetzt wird, bei dem Ihre Fähigkeiten nicht mehr benötigt werden oder nicht mehr relevant sind. Wie würden Sie sich dabei fühlen?
Diese Frage stellte Rhoda Boateng, Projektkoordinatorin des Internationalen Gewerkschaftsbunds Afrika während der von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und der Stiftung „Brot für die Welt“ (BfdW) organisierten Veranstaltung „Towards a Just Energy Transition“, die am 9. November 2017 im Rahmen der UN-Klimakonferenz COP23 im Deutschen Pavillon in Bonn stattfand, ihrem Publikum.
Deutschland als Beispiel einer gerechten Energietransformation
Bärbel Höhn, ehemalige Ministerin und Mitglied des deutschen Bundestags und nun Energiebeauftragte für Afrika des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wies auf den Übergangsprozess im deutschen Steinkohlebergbau hin und beschrieb die Potentiale der erneuerbaren Energien. Für Höhn ist dies eine Angelegenheit, die sie selbst betrifft, denn ihr Schwiegervater arbeitete in einem Kohlebergwerk.
In Deutschland – einem Land mit einem hohen Kohlevorkommen – arbeiteten früher 500.000 Menschen nur im Ruhrgebiet im Steinkohlebergbau. Es sei eine konzertierte Aktion der Regierung und der Privatwirtschaft gewesen, für diejenigen, die früher im Bergbau gearbeitet haben, neue Arbeitsplatz für sich und ihre Kinder im Gesundheitsbereich, der Dienstleistung und an neue geschaffenen Universitäten zu finden, so Höhn.
Auch im Bereich der erneuerbaren Energien seien inzwischen 350.000 Arbeitnehmer beschäftigt, weitere 200 000 im Bereich der Energieeffizienz. Diese 500 000 Arbeitsplätze seien aber über Deutschland verteilt und nicht nur im Ruhrgebiet verfügbar. Leider habe nicht jeder aus dem alten Modell der „schmutzigen“ Energiegewinnung die Flexibilität und die Fähigkeiten, sich auf das neue System einzustellen, erklärte Höhn. Damit aus diesem Übergang wirklich eine sozial verträgliche Energiewende wird, habe es deshalb für die betroffenen Personen entsprechende Unterstützung gegeben.
Eine sozial gerechte Energietransformation ist ein langwieriger Prozess
„Die Energiewende in Deutschland hat zu einem hohen Strompreis geführt, weil die deutschen Verbraucher die Entwicklungskosten der Erneuerbaren Energien über den Strompreis finanziert haben. Die ganze Welt profitiert nun von der dadurch entstandenen technologischen Entwicklung der Erneuerbaren Energien und ihrem niedrigen Preis.“ fügte sie hinzu.
Es gelang Deutschland, die 500000 Arbeitnehmer durch zahlreiche Schulungsprogramme allmählich an andere Bereiche heranzuführen. Höhn zufolge habe der Abbau der 500000 Arbeitsplätze im Kohlebergbau 50 Jahre gedauert.
Jüngeren Arbeitnehmern wurde eine gute Ausbildung zum Schlosser, Elektriker usw. geboten, die mussten sich mit diesem Abschluss dann woanders bewerben. Die Arbeiter im mittleren Alter konnten im Betrieb bleiben bis zur Rente, die über 50 jährigen bekamen eine auskömmliche Rente und konnten in den Vorruhestand.
Höhn betonte: je mehr Zeit für die Energiewende zur Verfügung steht, umso gerechter und sozial verträglicher kann sie stattfinden. Deshalb sei es so wichtig, ein Ausstiegsdatum zu nennen, damit die Betroffenen Planungssicherheit bekommen. Von den ursprünglich 500 000 Arbeitsplätzen sind nach 50 Jahre nur noch weniger als 5.000 Arbeitsplätze vorhanden.
„Das Problem liegt im ‚fossilen Denken‘: Es gibt eine Tradition: der Großvater war Bergmann, der Vater war Bergmann, der Sohn und der Enkel soll möglichst dort auch beschäftigt sein. Die Menschen waren stolz, die Energie für ganz Deutschland produziert und damit zu dem Aufbau und Wohlstand in Deutschland beigetragen zu haben, erklärte sie.
Ethische Anforderungen sind von Land zu Land verschieden
Laut Francesca de Gasparis vom Southern African Faith Communities‘ Environment Institute (SAFCEI) muss die wirtschaftliche und politische Situation eines Landes genau untersucht werden, damit eine gerechte Energiewende für Arbeitnehmer erfolgreich umgesetzt werden kann.
Bei Überlegungen, wie Arbeitsstellen im „schmutzigen“ Energiesektor sozial verträglich auslaufen könnten, sei es besonders wichtig, die politische Infrastruktur eines Landes im Auge zu behalten.
Südafrika sei ein „in sich gefangener Staat“, erklärte sie, was konkret bedeute, dass der Privatsektor Einfluss auf die Entscheidungsprozesse vieler staatlicher Akteure nehmen kann.
Solche Überlegungen sowie die Umsetzung spezieller arbeitsethischer Anforderungen wie Renten- und Pensionsleistungen müssten in den Übergangsprogrammen von Regierungen berücksichtigt werden, fügte sie hinzu.
„Die Energiewende findet bereits statt“
Vertreter der Friedrich-Ebert-Stiftung betonten, wie wichtig es sei, den Übergang derjenigen Personen zu planen, die im Sektor der fossilen Energie arbeiteten. Schon heute stellen erneuerbare Energien die preisgünstigere Technologie und einfacher zugängliche Energie dar. Darüber hinaus können erneuerbare Energiequellen – da sie auch dezentral genutzt werden können – vor allem Menschen im Globalen Süden Zugang zu Strom und Energie ermöglichen.
Niemand auf der Welt dürfe bei der Energietransformation auf der Strecke bleiben, betonten die FES und ihr Partner für diese Veranstaltung, Brot für die Welt.
„Die Energiewende findet schon längst statt. Es geht schon lange nicht mehr um die Frage, ob oder wann sie beginnt.“
Text von Alanah Torralba Bilder von Arthus Wyns
Ins Deutsche übersetzt von TL TRANSLATIONES
In diesem Jahr arbeiten wir mit Climate Tracker zusammen und unterstützen die jungen Journalist_innen Alo Lemou aus Togo und Alanah Torralba aus den Philippinen dabei, an deren Programm teilzunehmen. Sie werden von Climate Tracker weitergebildet, berichten für uns über die COP23 und sind auch bei Veranstaltungen der Friedrich-Ebert-Stiftung dabei.