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Achim Wambach im FES-info-Interview über eine Wirtschaftsordnung für die digitale Ökonomie.
Bild: Achim Wambach von Borchard A. Loeffler
Bild: Facebook von NeONBRAND
Prof. Achim Wambach ist Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sowie Vorsitzender der Monopolkommission. Die Fragen stellte Andreas Wille für das fes-Info Magazin 02/2019.
„Zumindest werden wichtige Prinzipien durch die Digitalisierung in ihrer Wirksamkeit herausgefordert. Die Gründungsväter der Sozialen Marktwirtschaft waren sich bewusst, dass es Märkte nicht von sich aus schaffen, sich zum Wohle der Allgemeinheit selbst zu regulieren. Märkte brauchen nicht nur Leitplanken, sondern in gewissen Fällen auch Eingriffe. Zur Gewährleistung eines fairen Wettbewerbs wurden regulierende Prinzipien, wie etwa die Monopolkontrolle, entwickelt. Um die Marktwirtschaft als Ideenwettbewerb zu schützen, setzte Deutschlands Wirtschaftsminister Ludwig Erhard vor 61 Jahren das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz GWB, durch – die Grundlage des deutschen Kartellrechts. Nur wenn das Konkurrenzprinzip intakt ist, so Erhard, kann es „Wohlstand für alle“ geben. Das Bundeskartellamt, als nationale Wettbewerbsbehörde in Deutschland, und die europäische Wettbewerbsaufsicht in Form der EU-Kommission haben seit Mitte des letzten Jahrhunderts basierend auf dem Wettbewerbsrecht erfolgreich mit ihren Wettbewerbsinstrumenten Monopole eindämmen können. Im Zuge der Digitalisierung haben es jetzt aber einige wenige Internetgiganten geschafft, sich über eine relativ kurze Zeit eine Monopolstellung in ihren Märkten aufzubauen.“
„Die jüngsten Verfahren gegen verschiedene Internetunternehmen deuten auf eine Verlagerung der Schwerpunkte der europäischen Wettbewerbsbehörden in der digitalen Ökonomie hin. Bisher stand das Instrument der Fusionskontrolle im Vordergrund. Dabei müssen die Wettbewerbsbehörden entscheiden, ob durch eine geplante Fusion ein zu marktmächtiges Unternehmen entstehen könnte, das den Wettbewerb einschränkt. Solche Fusionen werden dann zum Wohl des Wettbewerbs und der Verbraucherinnen und Verbraucher untersagt.
Bei den großen, marktmächtigen Internetunternehmen liegt der Fall anders. Sie sind nicht groß geworden, weil sie fusioniert haben, sondern aus eigener Arbeit und eigenem Wachstum. Hier wird dann das Instrument der Missbrauchskontrolle relevant: Wie gelingt es, dass marktmächtige Unternehmen ihre Macht, die sie sich selbst erarbeitet haben, nicht ausnutzen? Es ist nicht verboten, Marktmacht zu haben; diese zu missbrauchen, hingegen schon. Um die Ausnutzung von Marktmacht auf digitalen Märkten besser ahnden zu können, wurden zahlreiche Anpassungen in der 9. GWB-Novelle im Jahr 2017 gemacht. So wurde klargestellt, dass Märkte und somit Marktmacht auch dann gegeben sein können, wenn vom Konsumenten keine monetären Preise bezahlt werden. Dies wurde notwendig, weil die Dienste bei Google oder Facebook für den Nutzer weitestgehend kostenlos sind oder, anders ausgedrückt, die Nutzerinnen und Nutzer mit ihren persönlichen Daten bezahlen. Dass Marktmacht auch über die Kontrolle ebendieser wettbewerbsrelevanten Daten erzielt werden kann, konnte mit der alten Marktauffassung nicht im gleichen Maße sanktioniert werden.“
„Ja, allerdings muss auch die Fusionskontrolle an die Eigenschaften der digitalen Ökonomie angepasst werden. Einige der teuren Zukäufe im Zuge von Fusionen der letzten Jahre gingen von Tech-Unternehmen aus. Bekannte Beispiele sind, dass WhatsApp für 19 Milliarden von Facebook gekauft worden ist oder Skype für acht Milliarden von Microsoft. Die aus diesen Zukäufen resultierende Sorge ist zum einen, dass die großen Digitalkonzerne potenzielle Wettbewerber einkaufen, um damit ihre Marktposition abzusichern. Zum anderen besteht die Gefahr, dass sie Marktmacht aus einem Markt in den anderen übertragen. Diese neuen Herausforderungen haben bei den europäischen Wettbewerbsbehörden eine Diskussion über die Modernisierung der Fusionskontrolle ausgelöst und führten bereits zu einer Reform im deutschen Wettbewerbsrecht. Bislang entschied alleine der Umsatz der fusionierenden Unternehmen darüber, ob das Bundeskartellamt mit einer Fusionskontrolle aktiv wird. Mit der 9. GWB-Novelle wurde nun auch eine Transaktionswertschwelle eingeführt. Das heißt: Das Bundeskartellamt muss nun immer dann eingeschaltet werden, wenn der Kaufpreis eines Unternehmens 400 Millionen Euro übersteigt und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind.
Zusammen mit Regulierungen aus anderen Politikbereichen – denken Sie beispielsweise an die Datenschutzgrundverordnung – entsteht so Schritt für Schritt die Wirtschaftsordnung für die digitale Ökonomie.“
Die vollständige Ausgabe der FES-info 2/2019 zum "Jahr der Jubiläen" finden Sie unter www.fes.de/stiftung/ueber-die-fes/fes-info/
Weitere Informationen zur Arbeit der FES im Themenfeld Weltwirtschaft und Unternehmensverantwortung finden Sie unter www.fes.de/themenportal-die-welt-gerecht-gestalten/weltwirtschaft-und-unternehmensverantwortung/