Die FES wird 100! Mehr erfahren

Strategiedebatten von US-Kandidaten für die Zwischenwahlen 2018

Die Strategie von Parteien ist nicht immer auf Anhieb durchschaubar und wird von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Dabei ermöglicht das genaue Auseinandersetzen mit der strategischen Lage der Parteien, die politische Situation in dem jeweiligen Land besser zu verstehen und Entwicklungen nachzuvollziehen.

Wie positionieren sich politische Bewegungen? Wie reagieren sie auf gesellschaftliche Stimmungen und mit welchen Themen verorten sie sich wie in der gesellschaftspolitischen Debatte?

In dieser Übersicht über politische Strategiedebatten politischer Parteien in ausgewählten europäischen und außereuropäischen Ländern bemühen sich die Verfasser darum, politische Analysen nicht in Textform, sondern grafisch aufbereitet und zugespitzt darzustellen. Wir hoffen, mit diesem Produkt einen Beitrag zu einer konstruktiven Diskussion zu leisten.

Eine ideologische Polarisierung in den USA?

Die unterschiedlichen Parteienflügel der Demokratischen und Republikanischen Partei

Verschwinden die gemäßigten Politiker_innen und Wähler_innen aufgrund zunehmend zentrifugaler Tendenzen aus der politischen Landschaft? Zahlreiche Expert_innen diskutieren darüber,  ob die amerikanische Gesellschaft durch die tiefen ideologischen Gräben zwischen den politischen Parteien auseinandergerissen wird. Die folgende Analyse wird der Frage nachgehen, ob sich die Positionen der Kandidat_innen der zwei großen Parteien weiterhin ideologisch überlagern. Die verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Demokratischen und Republikanischen Partei lassen an dem Bild der amerikanischen Politik zweifeln, das Beobachter_innen bezüglich der Politik Donald Trumps als stark parteiisch und von einem Schwarz-Weiß-Denken dominiert beschreiben. Während Trump sowohl Politiker_innen als auch die Wählerschaft durch kompromisslose »Wir-gegen-Euch«-Statements aufgebracht hat, verdeckt diese Unterscheidung die innerparteiliche Meinungsvielfalt – sowohl bezüglich konkreter Politikvorschläge als auch im Umgang mit der aktuellen politischen Situation. Die Republikaner haben sich, zumindest zum Großteil, hinter dem unkonventionellen Regierungsstil von Donald Trump vereinigt. Dennoch existieren große Differenzen der innerparteilichen Gruppierungen bei Themen wie Freihandel, Zuwanderung und Umweltschutz. Zwar haben die Demokraten im Kongress versucht, sich als vereinten »Widerstand« in Opposition zu Trumps spaltender Rhetorik aufzustellen. Allerdings werden viele bereits im Vorwahlkampf zwischen Hillary Clinton und Bernie Sanders von 2016 hervorgerufene Risse in den verschiedenen Strategien und Kandidaturen sichtbar, die die Parteien in den Zwischenwahlen und im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2020 erproben. Die Ergebnisse zeigen, dass bezüglich wirtschaftlicher Themen eher zentripetale Effekte bestehen, die Kandidat_innen der Parteien also eher zur Mitte tendieren, während soziale Themen eher zentrifugale Tendenzen und damit eine Polarisierung auslösen. Insgesamt bekräftigt die Verortung der Kandidat_innen und Wähler_innen in unterschiedliche Lager innerhalb der beiden Parteien die Komplexität der Politik in den USA.

Die Strategiedebaten zu den US-Zwischenwahlen 2018 können hier auch als PDF-Version heruntergeladen werden.

Die einzelnen Parteien und politischen Flügel in der Übersicht

DEMOKRATEN

Innerhalb der Demokratischen Partei können vier Lager identifiziert werden: die Liberalen, die konservativen Demokraten, die Progressiven und die demokratischen Sozialisten. Trotz der zwei Jahre währenden Präsidentschaft Donald Trumps haben sich die innerparteilichen Konflikte, welche die Partei in den Vorwahlen zwischen den Lagern von Hillary Clinton und Bernie Sanders gespalten haben, tendenziell eher verstärkt als abgeschwächt. Ehemalige Außenseiterthemen wie die einheitliche Krankenversicherung oder eine kostenfreie College-Ausbildung sind dank Politiker_innen wie Bernie Sanders oder Elizabeth Warren innerhalb der Partei salonfähig geworden. Der unerwartete Sieg Trumps bei den Präsidentschaftswahlen beeinflusst die innerparteilichen Konflikte weiterhin stark. Einige demokratische Politiker_innen argumentieren, dass man durch eher gemäßigte Positionen versuchen sollte, Wähler_innen zurückzugewinnen. Andere fordern hingegen, dass der Fokus auf starke linke Positionen gelegt werden müsse oder dass marginalisierte Minderheiten und neue Wähler_innen durch starke progressive Politikvorschläge wie dem Schutz der LSBTI-Community oder einem besseren Zugang zu Abtreibungen überzeugt werden müssen. Während »#Resistance« in den letzten zwei Jahren als politisches Schlagwort für die meisten Demokraten fungierte, zeigen die Positionen in der politischen Landschaft, wie dieser Widerstand gegen Trump die Unterschiede bezüglich wichtiger politischer Themen verdeckt.

1. Liberale

Die Liberalen vertreten eine Kombination aus sozial-progressiven Positionen und gemäßigter wirtschaftsfreundlicher Politik. In der politischen Landkarte (siehe Schaubild) ist zu erkennen, wie die liberale Kandidatin Diane Feinstein (Kalifornien) im Vergleich zu den anderen demokratischen Kandidat_innen auf die rechte Seite der wirtschaftlichen Achse strebt, weil sie die Ausweitung von Freihandelsabkommen und die Absenkung von Steuern für Unternehmen (Körperschaftssteuer) unterstützt. Gleichzeitig fordert sie neue Antidiskriminierungsgesetze für LSBTI und den Schutz für unregistrierte Kinder (DREAMer), weshalb sie auf der konservativ-progressiven Achse auf der progressiven Seite verortet wird.

2016 gewann Hillary Clinton, die für den liberalen Flügel der Demokraten steht, die Nominierung als Präsidentschaftskandidatin gegen ihren linken Herausforderer Bernie Sanders (Vermont). Die meisten älteren Kandidat_innen dieser Gruppierung haben, wie Hillary Clinton oder der Senator Virginias, Tim Kaine, ihre politischen Wurzeln in der »New-Democrat«-Strömung, die von Bill Clinton in den 1990er Jahren unterstützt wurde. In den letzten Jahren haben die Liberalen jedoch verstärkt sozial-progressive Positionen eingenommen, wie beispielsweise zu den Themen Waffengesetzgebung, Abtreibung, gleichgeschlechtliche Ehe, Zuwanderungsreformen und Klimawandel. Trotz dieser progressiven Positionen gehen die Liberalen auf Distanz zu wirtschaftspolitisch linken Forderungen und befürworten stattdessen die Ausweitung von Freihandelsabkommen und Steuersenkungen. Obwohl sie sich als strikte Gegner der Außenpolitik von George W. Bush und Donald Trump präsentieren, befürworten viele Liberale ebenfalls eine starke interventionistische Linie. Zum Beispiel Sanktionen gegen den Iran und Russland sowie eine Aufrechterhaltung der Militärpräsenz im Ausland.

Senatorin Diane Feinstein (oben in der Grafik) ist die prominenteste Vertreterin des liberalen Flügels der Demokratischen Partei. Sie vertritt eine Kombination aus gemäßigten Mitte-Positionen bezüglich der wirtschaftlichen Links-Rechts-Achse und eindeutig libertär-progressive Positionen auf der vertikalen Achse. Obwohl Feinstein viele Positionen der Progressiven befürwortet, hat sie sich bislang gegen die Unterstützung einiger linker Forderungen wie einer einheitlichen Krankenversicherung ausgesprochen.

2. Konservative Demokraten

Die konservativen Demokraten unterstützen sozialkonservative Positionen in den Bereichen Abtreibung, Waffengesetze und Umweltschutz. Sie scheinen auf den ersten Blick eher republikanischen Positionen näherzustehen. Im Gegensatz zu den republikanischen Politiker_innen im Kongress vertreten konservative Demokraten jedoch eher linksgerichtete wirtschaftspolitische Positionen; sie unterstützen beispielsweise Gewerkschaften und treten als Gegner von Freihandelsabkommen auf. Während die konservativen Demokraten einst die Mehrheit innerhalb der Partei repräsentierten, haben sie in den letzten Jahren an Zuspruch verloren. Durch Kandidat_innen wie Heidi Heitkamp (North Dakota), Joe Manchin (West Virginia) und Conor Lamb (Pennsylvania, 18. Distrikt) haben sie aber kürzlich eine größere Medienpräsenz erhalten. Diese Kandidat_innen versuchen, Sitze in Wahlgebieten wiederzuerlangen, die 2016 eindeutig mehrheitlich für Trump stimmten. Durch die zunehmende Polarisierung in den USA sind die konservativen Demokraten in einer vertrackten Situation: Sie wollen den Einfluss der Progressiven eindämmen, um die weiße Arbeiterschaft, die in den letzten Jahren mehrheitlich republikanisch gewählt hat, als Stimmen zu gewinnen.

Die Verortung von Joe Manchin in der Grafik oben zeigt, wie konservativ seine Positionen sind, selbst im Vergleich zu eher moderaten republikanischen Kandidat_innen. Durch seine starke Kritik an umweltpolitischen Regulierungen des Kohleabbaus, als Gegner von Abtreibungen und Befürworter von Trumps Grenzmauer zu Mexiko nimmt Manchin, der auch für die Nominierung von Richter Brett Kavanaugh gestimmt hat, gezielt Gegenpositionen zu seiner Partei ein. Er möchte in seinem Staat, der mit 42 Prozentpunkten Vorsprung für Trump stimmte, sichtbar bleiben. Da er sich jedoch mit der Arbeiterschaft von West Virginia solidarisiert und beispielsweise höhere Einfuhrzölle fordert, nimmt er stärker linksgerichtete Wirtschaftspositionen als der wirtschaftsfreundliche liberale Flügel ein, der durch Feinstein vertreten wird.

3. Die Progressive

In den letzten Jahren hat eine neue Generation von Politiker_innen innerhalb der Demokratischen Partei an Einfluss gewonnen, die sowohl in wirtschaftlichen als auch gesellschaftlichen Fragen eindeutig progressive Ansichten vertritt. Politikerinnen wie Kamala Harris (Kalifornien), Elizabeth Warren (Massachusetts) und Kirsten Gillibrand (New York) konzentrieren sich auf linke Themen wie eine einheitliche gesetzliche Krankenversicherung, einen höheren Mindestlohn (»Fight for 15 Dollar«) und die Erhöhung von Unternehmenssteuern, um durch die Mehreinnahmen den Wohlfahrtsstaat ausbauen zu können. Damit bilden sie einen Gegenpol zu den Liberalen und den frühen Clinton-Demokraten, die sich vornehmlich auf die Stimmen der politischen Mitte konzentrier(t)en. Die Progressiven kritisieren den Staat für seine exkludierende und sozialkonservative Politik und setzen damit Themen wie den Toilettenzugang für Transgender, den Rassismus in der Polizei und die Abschaffung der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) auf die politische Agenda. Die Progressiven stehen in starker Opposition zur IdentitätspPolitik von Donald Trump, sind aber gespalten in der Frage, ob sie sich als Gegenpol zu Trump eher auf ökonomische Fragen wie die Einkommensungleichheit oder auf kulturelle Fragen konzentrieren sollten, um Frauen, Minderheiten und junge Wähler_innen zu mobilisieren.

Die Vorsitzende der Progressiven, Elizabeth Warren, ist auf der wirtschaftlichen Achse deutlich links verortet, so wie auch Diane Feinstein (siehe Grafik). Die Progressiven teilen die Kritik am transatlantischen Freihandelsabkommen mit den konservativen Demokraten wie Joe Manchin, sind aber in sozialen Fragen eindeutig progressiv und daher im Quadranten links oben verortet. Insgesamt teilen die Progressiven viele Anliegen der »Demokratischen Sozialisten«, den Sanders-Anhängern, wie die Grafik zeigt. Uneins sind sich die beiden Gruppierungen häufig darüber, ob der linke Wandel aus den Strukturen der Demokraten heraus entstehen kann oder nicht.

4. Demokratische Sozialisten

Die Vorwahl-Kampagne von Bernie Sanders (2016) hat den amerikanischen Wähler_innen linksradikale Forderungen nähergebracht, welche die Demokratische Partei sich zuvor nicht traute zu thematisieren. In der Folge gründete sich die innerparteiliche Gruppierung der demokratischen Sozialisten. Durch diese Gruppierung bewegten sich linke Themen wie die einheitliche Krankenversicherung und freie College-Bildung von den links-progressiven Rändern hin zur Mitte. 2018 haben Kandidat_innen der demokratischen Sozialisten, die von Sanders unterstützt werden, bereits in den Vorwahlen Siege erzielen können, unter anderem Rashida Tliab (Michigan, 13. Distrikt) und Alexandria Ocasio-Cortez (New York, 14. Distrikt). Sie stehen damit auch vor Siegen in ihren stark demokratisch geprägten Bezirken. Die meisten Kandidierenden dieser Gruppierung werden von Sanders’ Komitee »Our Revolution« (Unsere Revolution) unterstützt oder sind Mitglieder der Demokratischen Sozialisten von Amerika (Democratic Socialists of America, DSA), der größten und am schnellsten wachsenden sozialistischen Organisation in den USA. Die selbsternannten demokratischen Sozialisten haben eine angespannte Beziehung zur Demokratischen Partei, die sie zwar als Hindernis der linken »Revolution« in Amerika sehen, aber auch als einzig realistische Machtoption im amerikanischen Zweiparteiensystem.

Es ist bemerkenswert, dass Bernie Sanders als »Anführer« der demokratischen Sozialisten in der politischen Landschaft eine ähnliche Position wie die progressive Elizabeth Warren einnimmt. Beide vertreten ähnliche links-progressive Positionen. Die demokratischen Sozialisten haben jedoch weniger Probleme damit, auf aggressive Art und Weise die Normen der amerikanischen Politik herauszufordern wie in der Israelpolitik oder in der Wirtschafts- und Unternehmenspolitik. Obwohl die demokratischen Sozialisten sehr in kulturellen Fragen sehr fortschrittlich sind, ähnlich wie die Progressiven in der Partei, ist in wirtschaftlichen Fragen ein deutlich marxistischer Einfluss hinsichtlich der »Ungleichheit der Klassen« erkennbar. Zwar treten die demokratischen Sozialisten von Amerika formell für die Abschaffung des Kapitalismus ein und wollen den privaten Sektor durch Unternehmen ersetzen, die durch staatliche Stellen und durch Arbeiter_innen kontrolliert werden.

REBUBLIKANER

Innerhalb der Republikanischen Partei gibt es fünf Hauptströmungen: die Establishment-Konservativen, die moderaten Republikaner, die Libertären, die Trump-Populisten und die republikanischen »Crusaders« (wörtlich: Kreuzritter). Diese Gruppierungen werden durch jeweils fünf repräsentative Kandidat_innen dargestellt, die auf Basis ihrer politischen Vorstellungen codiert wurden (siehe Grafik).

Als regierende Partei setzen die Republikaner alles daran, um die internen Konflikte zu verschleiern und stellen sich hinter Präsident Trump. Dessen unkonventioneller Regierungsstil und seine scharfen Positionen in der Außen- und Handelspolitik weichen stark von den Positionen vieler Republikaner ab, wie auch in der politischen Landschaft erkennbar ist. Abgesehen von einer kleinen Gruppe innerhalb der Republikaner, die sich vor allem aus dem konservativen und moderaten Lager rekrutiert und Trump nie unterstützte, stärken die Republikaner Trump den Rücken und folgen dem Präsidenten und seinen politischen Richtungswechseln – vom freien Handel hin zu Einfuhrzöllen und vom Internationalismus hin zum Isolationismus. Expert_innen verweisen darauf, dass die Republikaner noch vor wenigen Jahren damit drohten, die Regierung »stillzulegen«, sollte diese die Staatsverschuldung erhöhen. Dennoch verabschiedeten sie im Jahr 2017 ein von Trump initiiertes Gesetz, das den Staat um weitere Milliarden US-Dollar verschuldet. Die Partei folgt Trump auch – bis auf wenige Ausnahmen aus dem moderaten und libertären Spektrum – in seinen strikten Ansichten zu kulturellen Fragen, womit sie immer weiter an den konservativen Rand des Parteienspektrums rückt. Damit distanzieren sich die Republikaner von früheren Kandidat_innen wie John McCain und Mitt Romney, die auf einen moderaten Kurs und auf Kompromisse setzen.

1. Establishment-Konservative

Die Establishment-Konservativen verfolgen eine rechte Wirtschaftspolitik und sind in sozialen Fragen konservativ, womit sie sich in der politischen Landschaft rechts-mittig positionieren. Diese Strömung bildet mittlerweile den traditionellen Kern der Republikanischen Partei. Viele republikanische Führungspersönlichkeiten im Kongress und Senat wie Mitch McConnell (Kentucky) und der aktuelle Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan (Wisconsin), sind Establishment-Konservative. Die Establishment-Konservativen haben ihren Ursprung in der Reagan-Ära und wurden von den Bushs weitergeführt. Sie sind sowohl in sozialen Fragen konservativ, beispielsweise bei den Themen Abtreibung und Rechte von Homosexuellen, und im finanzpolitischen Bereich (Steuern und Ausgaben). Die Establishment-Konservativen sind starke Verfechter der Privatwirtschaft, befürworten die Kürzung sozialer Programme im Inland und international eine neoliberale, wirtschaftsfreundliche Politik. Trump konnte sich in den Vorwahlen 2016 gegen viele konservative Kandidat_innen durchsetzen, die sich daraufhin größtenteils Trumps Kurs anschlossen. Die Politiker_innen dieser Gruppierung, wie beispielsweise McConnell, nahmen damit Abstand von traditionellen Positionen wie der Verringerung der Staatsverschuldung und der Unterstützung des transatlantischen Freihandels. Obwohl die Sitze vieler Establishment-Konservativer in diesem Herbst nicht zur Wahl stehen, wird Deb Fischer mit ihrer »klassischen« Mischung aus sozialem und wirtschaftlichem Konservatismus die Wahl in Nebraska voraussichtlich gewinnen, ohne sich so extrem wie die Trump-Populisten oder die rechten »Crusader« zu positionieren, deren Kandidat_innen weiter unten auf der libertär-konservativen Dimension verortet sind.

2. Moderate Republikaner

Die moderaten Republikaner unterstützen auf der einen Seite traditionelle Anliegen der Republikaner wie Steuersenkungen und Ausgabenkürzungen. Auf der anderen Seite brechen sie in sozialen Angelegenheiten mit der Parteilinie und setzen sich beispielsweise für die Rechte Homosexueller ein, für eine Verbesserung des Zugangs zu Abtreibungen und für den Umweltschutz zur Bekämpfung des Klimawandels. Obwohl die Moderaten innerhalb der Republikanischen Partei viel an politischem Einfluss einbüßen mussten, sind sie im Hinblick auf Wechselwähler_innen noch immer sehr einflussreich. Die moderaten Republikaner setzen auf Kompromissbereitschaft und arbeiten sogar mit den Demokraten zusammen, um die Gesetzgebung in Fragen der Zuwanderung und der Reform des Gesundheitswesens voranzubringen. Moderate Kandidat_innen wie Susan Collins (Maine) oder Lisa Murkowski (Alaska) können kritische Abstimmungen mit ihren Stimmen entscheiden und stehen entsprechend unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Deutlich wurde ihr Einfluss bei dem fehlgeschlagenen Versuch, Obamacare zurückzunehmen, oder der erfolgreichen Wahl Brett Kavanaughs für den Obersten Gerichtshof.

Carlos Curbelo, ein junger lateinamerikanischer Kandidat aus Florida, ist Vorsitzender der »Tuesday Group«, einer Vereinigung der moderaten Republikaner im Repräsentantenhaus. Diese Gruppe unterstützt progressive Themen wie Verbote für Schusswaffen und einen legalen Weg der Staatsbürgerschaft für illegale Einwanderer. Im Hinblick auf wirtschaftliche Themen wird Curbelo auf der rechten Seite platziert. Seine gesellschaftspolitischen Positionen sind jedoch progressiv, weshalb er liberaler als der konservative Demokrat Joe Manchin (West Virginia) angesiedelt ist. Manchin unterstützt die Aufhebung von Regulierungen der Kohleförderung und Ölbohrungen der Obama-Regierung, wogegen sich Curbelo gegen die Leugnung des Klimawandels durch die Trump-Regierung ausspricht.

3. Libertäre

Die Libertären fordern einen minimalen Nachtwächterstaat und werden hinsichtlich ihrer wirtschaftspolitischen Ansichten auf der rechten Seite verortet. Bezüglich gesellschaftlicher Themen sind sie jedoch relativ liberal (siehe Amash in der Grafik).

Sie befürworten eine strikt limitierte Auslegung der Verfassung und sind der Ansicht, dass die Regierung in Washington D.C. Befugnisse bei Weitem übersteigt. Die Libertären handeln vor allem aus einem großen Misstrauen gegenüber dem Staat und weniger aus politischem Eigennutz heraus, weshalb sie auch innerhalb ihrer Partei unpopuläre Positionen gegenüber den sozialen Konservativen vertreten. Der Senator Rand Paul (Kentucky) sowie zuvor sein Vater Ron sind bzw. waren prominente Gegner traditioneller interventionistischer Außenpolitik. Zudem nehmen sie liberale Positionen bezüglich Themen wie der Legalisierung von Marihuana und der Rechte Homosexueller ein. Der Vorsitzende der Vereinigung »House Liberty« im Repräsentantenhaus, Justin Amash, stimmte gegen Waffenexporte nach Saudi-Arabien und somit gegen die eigene Parteilinie und spricht sich gleichzeitig vehement gegen eine zu große Einmischung des Staates in bestimmte republikanische Politikfelder aus. So stellt sich Amash gegen den kontrollierten Waffenverkauf und gegen die Kriminalisierung von Marihuana-Konsum. Obwohl Amash eine ähnliche Position wie der moderate Curbelo einnimmt, sind die Haltungen der beiden Kandidaten hinsichtlich Themen wie Außenpolitik und Umweltschutz doch sehr unterschiedlich.

4. Trump-Populisten

Trump spricht mit seinem Regierungsstil, insbesondere mit seinen Ansichten zur Waffenregulierung und Zuwanderung, viele der konservativsten Strömungen innerhalb der republikanischen Wählerschaft wie die evangelikalen Christ_innen an. Dennoch steht Trumps Politik im Widerspruch zu traditionellen republikanischen Positionen der Establishment-Republikaner, wie beispielsweise hinsichtlich der Handels- und Außenpolitik. Diese Mischung führt zu einer Positionierung des Trump-Anhängers Corey Stewart, republikanischer Kandidat für das Gouverneursamt von Virginia, sehr weit am konservativen Pol der vertikalen Achse, aber dennoch wirtschaftspolitisch linker als Deb Fischer, eine Establishment-Republikanerin. Obwohl viele Republikaner dem normwidersetzenden Regierungsstil Trumps folgen, haben sie sichtlich Probleme mit Trumps Einfuhrzöllen auf chinesische Güter oder seine Nähe zu Autokraten wie Kim Jong-Un oder Wladimir Putin. Viele republikanische Politiker_innen knüpfen im Wahlkampf an Trumps strikten Kurs an und sprechen sich für seine harte Zuwanderungsregulierung, die populistische Unterstützung nationaler Produzenten durch Einfuhrzölle auf internationale Güter und weniger strikten Umweltschutz aus. Ob sich dieser Politikstil in der Ära nach Trump in der Partei halten kann, ist unklar. Kandidaten wie Joe Manchin und Corey Stewart liegen in der politischen Landschaft zwar auseinander, konzentrieren sich aber beide auf dieselbe Wählerschaft: die weiße Arbeiterklasse, die vor allem Trump unterstützt. Dieser Umstand lässt die beiden Kandidaten ideologisch näher erscheinen, als zu vermuten wäre. Das wird vor allem hinsichtlich ihrer Befürwortung von stärkeren Einfuhrzöllen sichtbar.

5. Rechte “Crusader”

Die rechten »Crusader« (wörtlich: Kreuzritter) unterscheiden sich kaum von den Establishment-Konservativen im Hinblick auf ihre wirtschaftlichen und sozialen Positionen. Allerdings weichen sie hinsichtlich der Intensität ihrer Vorstellungen und Umsetzung ihrer Haltungen sehr von ihnen ab und münden in ihrer Positionierung daher in der Grafik im rechts-konservativen Quadranten. Die Crusader haben ihre Wurzeln in der Tea-Party-Bewegung der Zwischenwahlen im Jahr 2010. Sie fahren einen strikten Kurs und fordern kompromisslos die Erreichung ihrer Ziele, beispielsweise in Form von radikalen Ausgabenkürzungen auf Bundesebene oder durch ein Gesetz für »religiöse Freiheit«, das es Unternehmen ermöglicht, Dienstleistungen für gleichgeschlechtliche Paare zu verweigern. Der »Freedom Caucus«, eine Vereinigung von Crusader-Abgeordneten innerhalb der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, übt seine Macht aus, indem er als Einheit abstimmt und sogar die eigene Partei daran hinderte, Obamacare abzuschaffen. Der »Freedom Caucus« begründete seine Haltung damit, dass die neue Gesetzgebung »nicht weit genug« ginge. Ted Cruz (Texas), das einzige Mitglied dieser Gruppierung, das auch im Senat sitzt, gilt als Führungsfigur des erzkonservativen Flügels der Republikaner. Auf der Karte positioniert er sich am untersten rechten Rand des ideologischen Spektrums. Diese Verortung ergibt sich aus seinen strikten konservativen Ansichten wie der Errichtung einer Grenzmauer zu Mexiko und sehr wirtschaftsfreundlichen Positionen.

Position und Verteilung der Wählerinnen und Wähler von Demokraten und Republikaner

Wo sind die Wähler zu verorten?

Vom 19. bis 29. Oktober 2018 wurde eine Umfrage zu den Zwischenwahlen durchgeführt, an der 2 296 amerikanische Wähler_innen teilnahmen. 1 246 Teilnehmer_innen sprachen sich dafür aus, die Republikaner zu wählen, 948 für die Demokraten. Die Teilnehmer_innen wurde gebeten, ihre Zustimmung oder Ablehnung anhand der gleichen zwanzig Statements abzugeben, welche die oben genannten Kandidat_innen in der politischen Landschaft positionieren. Die Wähler_innen der beiden Parteien befinden sich in gegenüberliegenden Quadranten der Grafik: die Demokraten im links-progressiven Quadranten, die Republikaner im recht-konservativen Quadranten. Interessant ist die räumliche Anordnung der Republikaner, die im Vergleich zu den Demokraten horizontaler angesiedelt sind. Dies lässt auf einen Konsens der Republikaner hinsichtlich der Statements zur Sozial- und Außenpolitik schließen und auf divergierende Ansichten im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik. In den letzten Jahren machten Präsident Trump und Corey Stewart (Virginia), welcher der populistischen Gruppierung angehört, eher linke Wirtschaftspositionen hinsichtlich Handelsfragen, Einfuhrzöllen und Freihandelsabkommen in der republikanischen Politik salonfähig. Dies ist eine Erklärung für die horizontale Anordnung innerhalb der republikanischen Wählerschaft. 

Kern der Demokratischen und Republikanischen Befürworter

Die höchste Konzentration an demokratischen Befürworter_innen ist links der Liberalen Diane Feinstein hinsichtlich des wirtschaftlichen Spektrums zu verorten und bei noch progressiveren Positionen auf der Vertikalen im sozialen Spektrum. Dies kann sich positiv für die progressiven Demokraten und die demokratischen Sozialisten auswirken, welche die Partei in den letzten Jahren noch weiter links positionieren wollten. Diese Strömungen sprechen sich für eine rein staatlich finanzierte Krankenversicherung aus, wobei diese Forderung noch vor einigen Jahren in der Partei undenkbar gewesen wäre.

Der Kern der republikanischen Sympathisant_innen befindet sich um die Konservative Deb Fischer, den Trump-Populisten Corey Stewart und den rechten »Crusader« Ted Cruz.

Die Karte zeigt auch zahlreiche Ausreißer, deren gemischte Ansichten sie weit weg von den großen Konzentrationen ihrer Wählerschaft verorten. Der stolze konservative Demokrat Joe Manchin hat sogar mehr Übereinstimmung mit republikanischen Wähler_innen als mit denen der Demokraten. Um in einem Bundesstaat zu gewinnen, in dem Trump im Jahr 2016 68,5 Prozent, Clinton jedoch nur 26,43 Prozent erzielen konnte, muss Manchin um die republikanischen Stimmen werben. Das zeigt auch seine Position auf der Karte. Aber auch bei den Republikanern befinden sich einige Kandidat_innen wie der moderate Carlos Curbelo und der libertäre Justin Amash abseits der Mehrheit ihrer Wählerschaft. Dies mag auch erklären, weshalb die Strömungen der Republikaner so wenige Führungspersönlichkeiten stellen.

Schlussbemerkungen

Die Analyse zeigt, wie politische Positionen mit den parteipolitischen Identitäten bzw. Strömungen der Kandidat_innen oder Wähler_innen zusammenhängen. Gleichzeitig müssen jedoch auch die Eigenheiten und regionalen Besonderheiten der politischen Einordnung in den Vereinigten Staaten berücksichtigt werden. In West Virginia wird beispielsweise seit einem Jahrhundert demokratisch gewählt. Auch wenn viele Wähler_innen in West Virginia und Kandidat_innen wie Joe Manchin mehr mit republikanischen Positionen übereinstimmen, ist die Wählerschaft traditionell bei den Demokraten verwurzelt. Daher hat Manchin in diesem sehr konservativen Staat dennoch eine Chance. Auf der anderen Seite kann sich Carlos Curbelo, als Republikaner in Miami, für relativ progressive Themen wie die LSBTI-Rechte und für eine Reform der Zuwanderung aussprechen und dennoch auf die Loyalität der kubanisch-amerikanischen Bevölkerung bauen, die aus Tradition die Republikaner wählt. Schließlich wurden auch die unabhängigen Wähler_innen analysiert, die nur einen sehr kleinen Teil der Wählerschaft darstellen. Im Ergebnis waren sie über das ideologische Spektrum stark verstreut. Unabhängige sind nicht in der politischen Mitte verortet, sondern nehmen ideologische Extrempositionen ein, so wie auch etliche demokratische und republikanische Wähler_innen.

Methodology & Authors

Wie wurden die Schaubilder erstellt?

Auf dem Schaubild oben sind die Positionen verschiedener Kandidatinnen und Kandidaten der republikanischen und demokratischen Parteien für die US-Zwischenwahlen 2018 auf einer zweidimensionalen Karte verzeichnet. Grundlage bilden die 20 wichtigsten Aussagen über besonders relevante Politikthemen in der derzeitigen politischen Debatte. Diese Inhalte gehen aus einer gründlichen Auswertung der Parteiprogramme und des politischen (Medien-) Diskurses durch ein Team aus Wissenschaftlern und Experten hervor. Jede dieser Aussagen bezieht sich auf einen politischen Inhalt, der sich als „links“ oder „rechts“ beziehungsweise als „libertär“ oder „autoritär“ einordnen lässt. Die Antworten auf diese Aussagen liegen auf einer fünfstufigen Skala: „Stimme überhaupt nicht zu“, „Stimme nicht zu“, „Neutral“, „Stimme zu“, „Stimme vollständig zu“. Die Position der Parteien zu diesen Aussagen ist jeweils entsprechend ihren offiziellen Verlautbarungen in Veröffentlichungen, Wahlkampfdokumenten und Medienauftritten kodiert.

Die Schaubilder entstanden auf Basis sämtlicher Positionen der Kandidatinnen und Kandidaten in den beiden Dimensionen (der Links-Rechts- und der Progressiv-Konservativ-Dimension). Die tatsächliche Position der Partei liegt im Zentrum der jeweiligen Ellipse. Die Ellipsen repräsentieren die Standardabweichungen der Antworten der Kandidatinnen und Kandidaten auf alle Aussagen, die für den Aufbau der Achsen verwendet wurden. Daher ist die Ellipse von Kandidatinnen und Kandidaten mit sowohl linken wie auch rechten politischen Inhalten auf der Links-Rechts-Achse breiter als bei Kandidatinnen und Kandidaten mit sowohl progressiven als auch konservativen Politikinhalten. Sie verzeichnen eine längere Ellipse auf der Progressiven-Konservativen-Achse.

Bei den sogenannten Heatmaps werden Wählerinnen und Wähler mithilfe einer zehnstufigen „Propensity-To-Vote“-Variable (Wahlwahrscheinlichkeit) erfasst, auf der die Befragten angeben, wie wahrscheinlich es ist, dass sie jemals die jeweiligen Parteien wählen werden. Als potentielle Wählerinnen und Wähler werden solche Nutzerinnen und Nutzer bezeichnet, die diese Wahrscheinlichkeit für die jeweilige Partei mit den Werten 8, 9 und 10 auf der zehnstufigen Skala angegeben haben. Die durchschnittliche politische Position dieser potentiellen Wählerinnen und Wähler liegt in der Mitte der Ellipse.

Autoren

Texte:

Andrew Charles Pasquier  - Politikwissenschaftler und freiberuflicher Forscher für Wahlkompass.
Tia di Salvo - Masterstudentin in Public Relations und Politikwissenschaften an der Hofstra University, USA.

Grafiken:

André Krouwel - Gründer von Kieskompas BV & Freie Universität Amsterdam
Yordan Kutiyski - Analyst - Kieskompas BV
Ognjan Denkovski – Analyst- Kieskompas BV
Oscar Moreda Laguna - General Operations Manager - Kieskompas BV

Projektkoordination:

Oliver Philipp - Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin
Arne Schildberg - Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin

International Policy Analysis

Head

Dr. Michael Bröning

Contact

Hiroshimastraße 28
10785 Berlin

+49 (0) 30 / 269 35-7738

E-Mail-Contact

The International Policy Analysis Department is working on key issues of European and international politics, economy and society. The aim is to develop policy recommendations and scenarios from a perspective of social democracy.

Do not hesitate to contact us.

more

nach oben