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Für die zweite Kommunalpolitische Online-Marketing-Konferenz lud die KommunalAkademie der FES am 29. Februar 2020 in das LVR-Museum Zinkfabrik Altenberg in Oberhausen ein. Knapp 90 Teilnehmer_innen machten sich auf den Weg, ihr kommunalpolitisches "digitales Ich" besser kennen und neue Strategien für die kommunale Ebene anwenden zu lernen. Neben Vloggen, Bloggen und Podcasten stand der Umgang mit Rechtspopulismus im Netz auf der Agenda: Vor allem der Umgang in den Sozialen Medien stand im Zentrum der Debatte.
Leif Neugebohrn, Politik- und Strategieberater, stellte gleich zu Beginn eine viel zu häufig vergessene, aber dennoch zentrale Frage in den Raum: "Warum sollte man mich eigentlich wählen?" Was banal klingt, scheint im Kommunalwahlkampf (wie auch auf Bundes-und Landesebene) viel zu selten adressiert. Viel eher, so Neugebohrn, gehe es darum zu betonen, warum man andere Kandidat_innen besser nicht wählen solle. Dabei bestehe die Kommunikationsherausforderung gerade für Kommunalpolitiker_innen darin, sich auf einige wenige Themen zu fokussieren und glaubhaft darzustellen, warum genau man derjenige/diejenige ist, der/die dieses Thema angehen will und kann.
Weil auf kommunaler Ebene Parteipolitik meist weniger deutlich zutage trete, sei es umso wichtiger die Themen auch in Zusammenhang mit der eigenen Person zu stellen. In diesem Zusammenhang führt Leif Neugebohrn ein Beispiel an: "Wenn ein Familienvater die Sanierung des örtlichen Schwimmbads fordert, damit seine Töchter schwimmen lernen, kann das ein guter Grund sein, dieses Argument auf die politische Ebene zu übertragen." Dabei gelte es, die Zielgruppe nicht aus den Augen zu verlieren: "Nie kann ein politisches Angebot alle Wähler_innen ansprechen – und das soll es auch gar nicht. Der Familienvater, der sich für das Schwimmbad einsetzt, konkurriert automatisch mit jenen, die dasselbe Geld in einen Parkplatzneubau lenken wollen."
Dass die konsequente Fokussierung und Verknüpfung eines Themas mit der eigenen Person durchaus erfolgreich sein können, beschrieb Leif Neugebohrn anhand der Wahlkampagne von Ralf Lottermann. Ausschließlich digital und mit wenigen Themen gelang es dem bis dato unbekannten Ratskandidaten, Ralf Lottermann, von Listenplatz 36 auf Listenplatz 11 und damit in den Wormser Stadtrat gewählt zu werden. Dabei kam Lottermann auch das Wahlsystem zugute: Das Kumulieren und Panaschieren von Stimmen begünstigte die personelle Dimension, denn mehrere Stimmen konnten auf eine_n Kandidat_in verteilt werden.
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Zwei der Referenten waren zur Konferenz virtuell zugeschaltet - in Zeiten von Klimawandel und Corona eine sicher zukunftsweisende Möglichkeit. Der Praxistest offenbarte, dass der rein digitale Austausch weder der inhaltlichen noch der atmosphärischen Dimension Abbruch tun muss. Martin Fuchs,Berater für digitale Kommunikation, wurde aus Hamburg begrüßt. Dennis Eighteen, Leiter Verkauf und Kommunikation der ASK, aus der Hauptstadt Berlin.
Martin Fuchs machte vor allem auf zweierlei aufmerksam: Zwar sei die Bundesrepublik nach wie vor "TV-Land", d.h. das lineare Fernsehen oder das Fernsehen über Mediatheken dominiere, dies führe aber nicht selten dazu, dass die Netzkultur als solche nicht wirklich verstanden werde. Zentral hierbei sei die Erkenntnis, dass Social Media – im Gegensatz zum Fernsehen - in erster Linie über "Push" funktioniere: "Nachrichten kommen also zu mir, nicht umgekehrt." In der Folge, so prognostizierte Fuchs, sei eine Form der „Messengeraliserung“ gerade der politischen Kommunikation zu erwarten. Messenger-Dienste hätten bald das Potential das zukünftige Leitmedium zu werden. Diese Form der geschlossenen Kommunikation berge dabei die große Gefahr, die politische Auseinandersetzung nicht mehr öffentlich zu führen und damit jeglicher demokratischen Debatte den Wind aus den Segeln zu nehmen. Kurzum: Fuchs plädierte für ein besseres Verständnis der „Netzlogik“ und Funktionsweise und gleichermaßen der Berücksichtigung ihrer negativen Folgen für eine offene, demokratische und kontroverse Debattenkultur. Grundsätzlich betonte Fuchs, dass gerade in der Politik verstanden werden müsse, dass die On-und Offlinewelt zusammengehöre und genauso behandelt werden müsse.
Dennis Eighteen, ebenfalls digital zugeschaltet, machte sich in seinem Vortrag daran, die Worte von Martin Fuchs praktisch auszugestalten: Podcasten als ideales Bindemedium zwischen On-und Offlinewelt. Das Podcasten habe dabei zwei zentrale Vorteile: Der Beschaffungsaufwand reduziere sich zuerst einmal auf den Besitz eines Smartphones und Podcasten böte – anders als Twitter oder Facebook - die Möglichkeit, eigene Gedanken zu entwickeln und auch zu Ende zu bringen. "Wer podcastet, nimmt sich Zeit!", bekräftigte Dennis Eighteen. Neben dem Faktor Zeit spiele aber auch die emotionale Verbindung, die durch das gesprochene Wort entstehe, eine Rolle. Nur wer eine emotionale Bindung aufbaue, schenke dem/der Autor_in schließlich seine/ihre Zeit. Diese Vertrauenssituation, so Eighteen, eröffne dann die Möglichkeit, die eigene Sicht der Dinge darzulegen und in Zusammenhang mit den Themen zu stellen, die die Wähler_innen umtreiben. Apropos Wähler_innen: Wer podcastet, brauche eine Botschaft, mahnte Eighteen. Wie Leif Neugebohrn betonte auch der Kommunikationsexperte Eighteen die unbedingte Notwendigkeit einer eigenen Überzeugung. Zentrale Fragen dabei seien: Was veranlasst mich zu diesem Podcast? Welches Thema brennt mir warum unter den Nägeln? Weil Podcasts als solche nicht nur ein langsames, sondern auch langfristiges Medium seien, gelte es deswegen vor allem ein Thema zu finden, für das man sich tiefergehend interessiere. Dabei könne das Thema erklärend, beratend oder einfach unterhaltend besprochen werden. Es gäbe kein "Schema F", vielmehr gelte es herauszufinden, auf welche Art und Weise die Authentizität gewahrt bleibt. Zum Schluss hob Eighteen noch einmal einen wichtigen Punkt hervor: "Zum Podcasten braucht es nicht viel, die technischen Einstiegshürden sind gering. Die größte Herausforderung? Regelmäßigkeit und Langfristigkeit – angesichts der "Offline-Belastung" im Ehrenamt eine Hürde, die nur mit genug Schwung genommen werden kann!"
Ähnlich und doch ganz anders ist das, was Hauke Wagner macht. Der Kommunikationsberater und derzeit noch Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft ist seinerseits Meister des digitalen „Vloggings“, sprich des Video-Bloggings. "Wer nicht lesen will, der schaut einfach!", verdeutlichte Wagner auf prägnante Weise. Damit die Menschen gerne schauen, empfahl Wagner, sich vorher genau zu überlegen, welche Vlogs man selbst gerne konsumiere, dabei sei ers einmal auch legitim nachzuahmen. Außerdem unabdingbar sei der Spaß am Format selbst. Wer sich nicht gerne selbst filme oder Spaß daran habe, vor der Kamera zu agieren oder sich gar das typische „Radiogesicht“ zuschreibe, für den könne doch eher der Podcast das richtige Medium sein. Ähnlich gilt aber auch beim Vlogging: Das Medium könne zwar Inhalte transportieren, nicht aber Inhalte schaffen. "Ohne Botschaft, ohne Geschichte, die erzählt werden will, funktionieren auch die schönsten Videos nicht", fasst Hauke Wagner zusammen. Apropos Storytelling: Um die eigene Geschichte in Form eines Vlogs zu erzählen und mit politischen Inhalten zu bestücken, helfe es, so Wagner, sich die Frage zu stellen, was die Welt heute von der Welt morgen unterscheiden soll. Wie ist der Status quo und wie sollte er eigentlich sein? Welche politischen Maßnahmen bedarf es hierfür? Vlogging böte dann die Möglichkeit, diese Geschichte als Bewegtbild zu erzählen. Diese Geschichte, die schließlich in Form eines digitalen Avatars durchs Netz gleitet, könne immer dann abgerufen werden, wenn die Zuschauer_innen bereit und willens seien, sie anzuschauen. Wer vloggt, der brauche nicht nur eine spannende Geschichte, sondern auch ein wenig Mut, ein bisschen mehr von sich zu zeigen, hält Wagner fest.
Lia-Alexis Hildebrandt, im Referat „Digitale Plattformen“ der SPD-Parteizentrale tätig, zeigte schließlich, wie politische Kommunikation im digitalen Zeitalter funktionieren kann und welche Schwerpunkte die SPD legt. Die Herausforderung stelle sich schon bei der Wahl des „richtigen“ Kanals. Alle Kanäle, so Hildebrandt, hätte Vor-und Nachteile und es komme ganz darauf an, was und vor allem wem etwas kommuniziert werden soll. Der große Unterschied zwischen den Sozialen Medien und den immer stärker werdenden Messenger-Diensten liege dabei im Grad der Aufmerksamkeit, die wir den über sie vermittelten Inhalten schenken. In den Sozialen Medien liege der Fokus lediglich darauf einen Inhalt zu registrieren, während Messenger-Dienste eher dazu auffordern, sich mit Themen auch inhaltlich zu befassen. "Wir wollen, dass sich die Menschen mit unseren Inhalten auseinandersetzen", so Hildebrandt. Dies könne nur gelingen, indem man einen Mehrwert schaffe, denn Kommunikation sei nur dann effektiv, wenn ihr Konsum neue Informationen oder Sichtweisen bereitstelle. Wie das medial funktioniert beschrieb Hildebrandt anhand von digitalen Informationstafeln, die zu unterschiedlichen Themen aufbereitet werden. Eine Art Faktenboard beispielsweise. Dabei gelte es in erster Linie diese Informationsangebote bereitzustellen – die Kommunikation der Inhalte erfolge dann über Multiplikator_innen. Im Vorfeld gehe es also auch darum, so Hildebrandt, eine Online-Community aufzubauen, die wiederum auf aufbereitete Inhalte zurückgreifen könne. Was analog in Form von Stammtischen oder Parteitreffen vonstattengehe, das könne auch online praktiziert werden. Das erinnert doch an Martin Fuchs: On-und Offline, das ist eine Welt!
Vor große Herausofrderungen steht die Kommunalpolitik beim Umgang mit Rechtsextremismus in der virtuellen Welt. Für dieses Thema bot der Buchautor Johannes Hillje seine Expertise an. Der in Berlin und Brüssel tätige Politik- und Kommunikationsberater stellte sich dem „Umgang mit Rechts 4.0.“ Wie gehen wir in den Sozialen Medien mit flachen Parolen, koordiniertem Hass oder gar persönlichen Angriffen um? Was tun gegen Desinformation oder rechte Trolle? Fragen, mit denen sich fast alle Teilnehmer_innen der #KOMK20 in ihrer politischen Arbeit schon beschäftigen mussten – entsprechend groß der Andrang und rege der persönliche Austausch. Hillje stellte drei Themen in den Vordergrund: Desinformation, Rechtsumsetzung und „Reden mit Rechts“. Wie kann der digitale Umgang hier aussehen und wie kann er gelingen?
Desinformation, ob strategisch geplant oder individuell mitgetragen, sei eine der größten Herausforderungen in den Sozialen Medien. "Je krasser die Information, desto häufiger wird sie geteilt und damit steige ihre Reichweite", erklärt Johannes Hillje. "Fake News" nutzen die Social Media-Logik auf perfide Art und Weise. Doch es gebe gute Ansätze, wie dem auf individueller und auf institutioneller Ebene begegnet werden könne, sagte Hillje. So haben sich nicht nur in Medienhäusern, sondern beispielsweise auch in der SPD-Bundestagsfraktion „faktenfinder“ etabliert, die über den Wahrheitsgehalt kursierender „Nachrichten“ informieren und offenlegen, wie diese zustande kommen. Solche Redaktionsdatenbanken böten nicht nur professionell recherchierte Informationen, sondern beschleunigten auch die Reaktionsgeschwindigkeit, dennviele Falschnachrichten fänden schließlich immer wieder Eingang in die Welt der Sozialen Medien.
Auf individueller Ebene zeichnete sich der Umgang mit der „Angst“ als besondere Herausforderung ab; dabei ging es in erster Linie um die Angst, der „besorgten Bürger_innen“. Angst, so Hillje, sei in einem ersten Schritt einfach anzuerkennen. Ob sie begründet sei oder nicht, spiele dabei keine Rolle: "Viele Menschen haben Flugangst, aber keinerlei Sorge davor, jeden Tag ins Auto zu steigen. Die Faktenlage würde aber für das Gegenteil sprechen." Im Umgang mit der irrationalen Angst helfe dabei häufig das Nachfragen: Wovor genau haben Sie Angst? Wann haben Sie so etwas erlebt? Wo haben Sie es erlebt? Was könnte Ihnen die Angst nehmen? Die W-Fragen führten nicht nur dazu, das Gefühl der eigenen Ernsthaftigkeit auch zu vermitteln, sondern lege in vielen Fällen offen, dass die gefühlte „Angst“ nicht den eigenen Erfahrungen entspringe. „Medien beeinflussen nicht wie wir denken, aber worüber wir denken“, betonte Hillje. Es gelte, von der Angst über den Weg der Sachlichkeit in politische Umsetzung zu gelangen, denn, so der Kommunikationsberater, jede Debatte müsse wieder eine politische Dimension erreichen. Für den Bereich der Rechtsumsetzung gelte ganz allgemein: Regeln sind Voraussetzung für deren Vollzug. Auch wenn der Rechtsstaat noch nicht gänzlich bereit sei für das digitale Zeitalter, gebe es mittlerweile zahlreiche Urteile gegen "Hatespeech", die Mut machten. Jene Urteile, so Hillje, dürften ruhig häufiger in den "Nettiketten" von Facebook-Gruppen Erwähnung finden: Strafe müsse greifbar werden. Wenn die kommunikative Prävention keinen Erfolg habe, dann gelte es, den Aufwand einer Anzeige in Kauf zu nehmen – und dann nicht zu vergessen, betonte Hillje, diesen Vorgang auch zu kommunizieren. Anlaufstellen für Betroffene von Hatespeech böten außerdem schnelle Hilfe. Für das "Reden mit Rechts" verwies Hillje auf die Logik der Sozialen Medien: Likes verteilen, die eigene Community stärken und besser vernetzen. Das, was analog passiert, müsse in den digitalen Raum übertragen werden. Auch die Teilnehmer_innen betonten einstimmig, wie wichtig es sei, nicht die emotionsgeladene Sprache zu übernehmen, sondern „Sachkritik herauszufiltern“ und das Gespräch auf eine konstruktive politische Ebene zu heben.
Diskursstrategien finden sich u.a. auch bei HateAidhttps://hateaid.org/oder https://www.kleinerfuenf.de/de.
Im Workshop einigte sich das Plenum schließlich auf eine ganz allgemeine Strategie: Auf Angriffe von „Rechts“ müsse nicht reagiert werden, wenn sie abseits des gesellschaftlichen Konsenses liegen.
Aus politischer Sicht könne es besipielsweise nie konstruktiv sein, auf die Leugnung des Klimawandels einzugehen, wohl aber auf die unterschiedlichen Lösungsansätze für den Kampf gegen die Erderwärmung. Konflikte, betonte Hillje, müssten in der politischen Mitte ausgetragen werden; nicht über die radikalen Ränder. Für den digitalen Raum bedeute dies vor allem auch die Stärkung von demokratischen Institutionen: Redebeiträge aus dem Parlament beispielsweise müssten in die digitale Welt übertragen werden. Die analoge Öffentlichkeit bedürfe immer mehr der digitalen Substitution.
Wenn eines in Oberhausen ganz deutliche wurde, dann die Einsicht darin, dass On-und Offline zusammengehören und gerade auch auf kommunalpolitischer Ebene zusammengedacht werden müssen.