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Donnerstag, 20.10.22 18:00 bis Donnerstag, 20.10.22 21:00 - Bochum

Rückblick | We are all Detroit - Zwei Städte - Ein Schicksal? Wie Bochum und Detroit mit dem Wandel umgehen.


Terminexport im ICS-Format

Detroit in den USA und Bochum im Herzen des Ruhrgebiets, zwei Städte die verschieden sind. Sie haben aber auch viel gemeinsam: über 50 Jahre lang war Bochum mit der Marke „Opel“ verbunden. Im Jahr 2014 dann der Schock: das Opel-Werk wird geschlossen. Was bleibt abseits der wirtschaftlichen Herausforderungen und Sorgen, der landschaftlichen Veränderungen, für die Menschen in Bochum? Detroit verbindet mit Bochum eine ähnliche Entwicklung, denn als die Nachfrage nach „Ford made in den USA“ abnimmt, fällt der große Industriestandort in sich zusammen. Was lernen wir aus Detroits Geschichte und „are we all Detroit“?

Bei der Filmvorführung „We are all Detroit. Zwei Städte – Ein Schicksal? Wie Bochum und Detroit mit dem Wandel umgehen“ mit anschließendem politischem Gespräch standen die Menschen im Vordergrund. Schon in ihrer Begrüßung betonte Dr. Annika Arnold vom Landesbüro NRW der Friedrich-Ebert-Stiftung, dass die Bedeutung eines massiven Wandels für eine Gesellschaft zu großen Herausforderungen führt und dass Bochum und Detroit diesem Wandel auf unterschiedliche Weise begegnet sind.

Die bildstarke Dokumentation der Grimme-Preisträger*innen Ulrike Franke und Michael Loeken begleitet die Schließung des Opelwerkes in Bochum und beleuchtet dabei auch die Geschichte des Werkes, für das in den 1950er Jahren die Zeche Dannenbaum weicht und von welchem sich die Bochumerinnen und Bochumer sichere Arbeitsplätze versprechen. So soll es auch sein, für fast 52 Jahre, bevor Opel den Standort schließt.

„We are all Detroit“ erzählt Aufstieg und Untergang zweier Industriestädte, indem er Menschen und ihren individuellen Geschichten Raum gibt. Da sind die Gastwirte, welche die Opelaner in ihrer Mittagspause versorgten oder der Besitzer eines Werkzeuggeschäfts in Detroit, das über viele Generationen für viele Detroiter*innen für 99 Jahre eine soziale Konstante und Begegnungsstätte war. Die Filmemacher*innen thematisieren die Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsplätze, des kapitalistischen Systems, begleiten Detroiter*innen und Bochumer*innen mit ihren zahlreichen Ideen für ihre Städte, begleiten die Verwandlung, dokumentieren die Verwüstung und zeigen den Stillstand.

In der belebten Diskussion konnte ein zahlreiches Publikum im Anschluss mit den Filmemacher*innen Franke und Loeken und Bochums MdL Bastian Hartmann in die Diskussion einsteigen. Moderator und ebenfalls Grimme-Preisträger Florian Bauer führte durch den zweiten Teil des Abends im Endstation.Kino in Bochum. Gleich zu Beginn hielt Ulrike Franke fest: „Menschen stehen bei uns immer im Mittelpunkt“. Loeken erklärte dann auch, warum: „Für uns war es wichtig, dass wir tief eintauchen über die Geschichten der Menschen. Es ändert sich ja nicht nur die Landschaft, es verschwindet nicht nur die Hardware. Was das Wesentliche ist: es verschwinden Strukturen, Lebenskonzepte, Arbeitsstrukturen und soziale Strukturen.“

Die Podiumsgäste stellten heraus, dass Bochum und Detroit bei allen Parallelen auch grundverschieden sind: der unterschiedliche Umgang im Sinne von privatwirtschaftlicher und politisch-staatlicher Steuerung führte in Detroit dazu, dass ein Großteil der Stadt heute in Ruinen liegt und die Umgestaltung vielfach nicht realisiert wird, in Bochum der Wandel dagegen schon vor Schließung des Werks politisch gestaltet wurde. Die schnellen Entscheidungen, die unter anderem zur Ansiedlung von DHL und einem neuen Standort des Max-Planck-Institutes führte, war gewollt und auch richtig, stellte Bastian Hartmann heraus. Die Zukunftssicherheit der etwa 600 geschaffenen Stellen bei DHL wurde von den Teilnehmenden weniger optimistisch gesehen. Auch das nahezu vollständige Wegbrechen des Mittelbaus auf dem neuen Gelände „MARK 51°7“ wurde mit Besorgnis thematisiert. Hartmann war sich jedoch sicher: „Wandel trägt immer eine schöpferische Zerstörung in sich und Anpassungslasten müssen kompensiert werden“. Durch die neugeschaffenen Stellen schließe sich jedoch eine Lücke und vielen Menschen kann eine neue Stelle angeboten werden. Die Ergänzung des O-Werks, welches als Thinktank Start-Ups der Universität, Forschung und Wissenschaft ein zu Hause bieten soll, gestaltet dabei nicht nur Bochums Wandel aktiv mit, sondern ziehe ebenfalls Arbeitsplätze an.

Die lebhafte Diskussion zeigte deutlich: Wandel ist alltäglich, die Frage ist nur, mit welcher Verantwortung er den Menschen und der Umwelt gegenüber gestaltet wird. Bochum hat, anders als in Detroit, schnell mit der Gestaltung dieses Wandels begonnen und dem ehemaligen Opel-Werk ein neues Gesicht gegeben. Problematisch sahen die Filmemacher*innen und ein Großteil des Publikums dabei jedoch, dass die Identität des Werkes und damit der Stadt weitestgehend nicht bewahrt wurde. Prägnante Hallen wurden abgerissen, die Opel-Schrift fast schon heimlich in einer Nachtaktion entfernt, der Opel-Ring soll umbenannt werden und auch der neue Geländename MARK 51°7 lässt die Vergangenheit des Geländes nicht einmal erahnen.

„Warum raube ich die Identität, anstatt Kraft daraus zu schöpfen?“ fragt Franke. Hartmann endet mit einem Kompromissvorschlag: immaterielle Aspekte des Opel-Werkes seien ohne Frage wichtig und müssen berücksichtig werden, so der SPD-Politiker. Gleichzeitig dürfe dies aber auch nicht zur Luxusfrage werden, wenn Menschen aufgrund identitätsbildender Aspekte für viele Jahre auf einen neuen Job warten müssen. Am Ende des Abends bleibt damit die Erkenntnis, dass Wandel unbedingt gestaltet werden muss und die Menschen in Zeiten des Umbruchs nicht ihrem Schicksal überlassen werden dürfen.

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