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Russland, der „Anti-Westen“?

Europas östlicher Nachbar grenzt sich dezidiert vom Westen ab. Mit Großmachtpolitik und militärischen Mitteln strebt Russland nach mehr Einfluss – und das nicht ohne Erfolg.

Bild: Bruderkuss von Isabell Schulz lizenziert unter CC BY-SA 2.0

Seit seinem Wahlsieg spricht die ganze (Medien-)Welt von Trump. Aufgrund der momentan unsicher erscheinenden Zukunft der NATO und den Beziehungen Europas zu den USA kann man mithin vergessen, dass auch es auch um das Verhältnis zu Russland seit einiger Zeit nicht zum Besten steht. So bestehen die nach der Annexion der Krim gegen Moskau verhängten Sanktionen weiterhin. Sie sind unterschiedlich wirksam. Insbesondere die Finanzmarktsanktionen und die Sanktionen, die Rosneft treffen, schränken die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit Russlands ein. Die Sanktionen führen jedoch zu keinem Konsumverzicht der Bevölkerung, wie Jens Hildebrandt, stellvertretender Leiter des Moskauer Büros der FES berichtet. Doch darf die Symbolik von Sanktionen auch in diesem Fall nicht unterschätzt werden. Denn als symbolisches Politik stehen sie für eine eindeutige Kommunikation des eigenen Standpunktes, was in der Diplomatie ja nicht oft der Fall ist: Sie markieren, dass die Krimannexion und das Verhalten des russischen Staates in der Ukraine fundamental abgelehnt wird, und dass dafür auch selbst Verluste in Kauf genommen werden.

Die neue Achse Washington-Moskau?

Hildebrandt sprach per Videokonferenz beim Seminar „Russland und die Europäische Union – eine schwierige Beziehung“ ausführlich über eine große Bandbreite von Aspekten. Sein Vortrag war damit auch fast eine Zusammenfassung des einwöchigen Seminars in Bonn, wie der hierfür verantwortliche Enno Litzkendorf berichtete. Aus der Sicht Europas ist dabei besonders von Belang, dass sich der größte Staat der Erde auch in Abgrenzung zum Westen definiert, der unter der Führung der USA natürlich auch Europa umfasst. Zu denken sei hierbei zum Beispiel an die bewusste Stärkung der orthodoxen Kirche oder auch Versuche eine Eurasische Wirtschaftsunion zu etablieren, samt der dazugehörigen Ideologie des „Eurasismus“. Alexander Dugin, prominentester Vertreter dieses Konzepts, hat zwar keine offizielle Position in Putins Regierung, sein Einfluss darf von daher auch keineswegs überbewertet werden. Bizarr ist allerdings, dass er Zustimmung ausgerechnet vom eigentlichen Erzfeind Amerika, genauer gesagt von Steve Bannon, erhält. Der Chefstratege des Weißen Hauses lobte Dugins „kompromisslosen Nationalismus“, vereint seien sie gegen Liberalismus und „Globalismus“.

Das passt auch zu Russlands Strategie, Einfluss auf die Öffentlichkeit in Europa zu nehmen – Stichwort RT und Sputnik News, die gezielt eine russlandfreundliche Sicht verbreiten oder die verdeckte Unterstützung rechter, anti-europäischer Parteien in der EU. Im amerikanischen Wahlkampf haben russische Hacker, ob mit oder ohne Putins Wissen oder Auftrag, mutmaßlich Desinformationen gestreut. Auch im europäischen Superwahljahr steht das zu befürchten. Gleichzeitig haben es die Medien in Russland selbst schwer, Hildebrandt sprach von einer eigentlichen „Machtlosigkeit der vierten Gewalt“. Die Medien seien quasi auf Putin fixiert, der Präsident ist der zentrale Adressat aller politischer Kommunikation, und die Mehrheit der Bevölkerung informiert sich durch die staatlichen Medien, an erster Stelle steht das Fernsehen. Aber: Im Internet gibt es weniger Kontrolle, freie Informationen sind verfügbar, hochwertiger Journalismus findet vor allem online statt. Ungeachtet des bestehenden Konflikts zwischen Russland und dem Westen besteht für Hildebrandt zur Fortführung einer Politik des Dialogs, der Kommunikation und gesellschaftlichen Kooperation keine Alternative, nicht zuletzt deshalb, weil zahlreiche gesellschaftliche Entwicklungen in Städten und Regionen und viele zwischenmenschliche Kontakte immer wieder hoffnungsvolle Ansatzpunkte zur Kooperation bieten.

Russland und die Medien

Für Europas Stabilität ist nicht zuletzt Russlands Verhalten in der Ukraine entscheidend. Da im vergangenen Jahr Syrien und die Flucht von Hunderttausenden im Zentrum der Aufmerksamkeit standen, ist der Konflikt im Donbass in den Hintergrund geraten. Leider verschärft sich der Ton auch von Seiten ukrainischer Nationalisten, und die Regierung scheint ihnen zu folgen – siehe die Wirtschaftsblockade des Donbass.

Der Westen: Von Russland aus gesehen ist Europa das nicht nur geographisch. Kurzfristig wird sich an Moskaus Politik eines Gegenpols nicht ändern. Doch kommt gerade in dieser Bezugnahme zum Ausdruck, dass man sich eben auch immer am Westen orientiert. Auf der anderen Seite verbietet sich in Europas Westen ein Blick, der in Russland nur das „ganz Andere“ sieht, ob quasi exotisch oder ablehnend. Wir sind Nachbarn – Selbstbewusstsein, Interesse(n) und Neugierde sollten unsere Beziehungen ausmachen.

Ansprechpartner in der Stiftung:

Enno Litzkendorf


Friedens- und Sicherheitspolitik in Europa

Die neuen außenpolitischen Herausforderungen überfordern nationalstaatliche Reaktionsmöglichkeiten: Europa muss einen gemeinsamen Weg finden. Bei der konkreten Ausgestaltung jedoch dominiert oft nationalstaatliches Denken. Eine europäische Zusammenarbeit ist hier besonders schwer, da nationale Sicherheit naturgemäß ein sensibles Thema ist. Trotzdem wollen wir mit verschiedenen Formaten Vertrauen schaffen und Möglichkeiten aufzeigen, an welchen Stellen eine bessere Kooperation sinnvoll wäre.

Ansprechpartnerin

Marie Meier

+49 30 26935-7418
Marie.Meier(at)fes.de

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