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„I love EU“ – jedenfalls ein bisschen

Das Verhältnis der EU-Bürger_innen zu ihrer Union war stets ambivalent. Nach Jahren der Skepsis ist nun ein neuer Trend erkennbar, dank einiger unfreiwilliger Helfer.

Als die EU 2004 auf einen Schlag von 15 auf 25 Mitglieder anwuchs nachdem zwei Jahre zuvor der Euro eingeführt worden war, rückte Europa näher zusammen. Es herrschte eine Mischung aus Euphorie, Stärke und Zuversicht von Nikosia bis Stockholm.

Doch seither könnte der Eindruck entstanden sein, dass sich die Menschen in der EU von dem europäischen Gedanken abwenden. In Frankreich, Irland und den Niederlanden wurde 2009 eine europäische Verfassung per Referendum abgelehnt und acht Jahre später in Großbritannien, ebenfalls per Volksentscheid,  der Austritt aus der Gemeinschaft beschlossen. In der Zwischenzeit erlebte Europa eine Eurokrise, die zur Vertrauenskrise wurde, anti-europäische Parteien erfuhren plötzlich viel Zuspruch und der Umgang mit der Flüchtlingskrise spaltet die Nationen Europas und ihre Bewohner.

Stimmungshoch dank Brexit

Muss sich folglich damit abgefunden werden, dass die Anti-EU Ressentiments bei den Menschen in Europa überwiegen? Neue Zahlen deuten auf das Gegenteil hin. 44 Prozent der EU-Bürger_innen haben demnach eine positive Grundhaltung zur EU (siehe Abbildung 1). Dies ist das Ergebnis einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut „policy matters“ in acht EU-Staaten zwischen Mai und Juni dieses Jahres durchgeführt wurde.

Dabei dürfte es nicht nur einen zeitlichen, sondern auch einen kausalen Zusammenhang zwischen diesem Stimmungshoch und dem Brexit geben. Bis vor kurzem erschien der begehrte Zugang zur EU unumkehrbar. Nun hat erstmals ein Land die Ausstiegsoption gewählt, die Mitgliedschaft ist nicht länger etwas Selbstverständliches. Dies nicht zuletzt, weil in einer Reihe von Mitgliedsländern vorwiegend rechte Parteien mit dem Austritt ihres Landes kokettieren oder ihn sogar explizit einfordern. Diese Diskussionen und der Brexit haben offenbar eine stärkere Auseinandersetzung mit der Frage nach Vor- und Nachteilen einer EU-Mitgliedschaft zur Folge. Die positive Grundstimmung beruht vor allem darauf, dass die EU zunehmend mit steigendem Wohlstand assoziiert wird sowie mehr als Chance statt als Risiko wahrgenommen wird (siehe Abbildung 2 und 3).

Trendwende ja – aber keine flächendeckende Euphorie

Am deutlichsten wird eine Trendwende in Deutschland. Hier verdoppelt sich fast der Anteil der Optimisten von 34 auf 64 Prozent im Vergleich zu 2015. Ähnlich positiv wird die EU in Spanien, der Slowakei oder Schweden bewertet. Allerdings fällt das Ergebnis nicht überall so deutlich aus, wie das Beispiel Italien zeigt. In dem von wirtschaftlichen Problemen geplagten Land sehen die Bürger_innen in glei­chem Maße Vor- oder Nachteile in der EU-Mitgliedschaft ihres Landes, eine gegenüber dem Herbst 2015 kaum veränderte Haltung. Tatsächlich ist Italien derzeit das EU-Land, in dem mit Abstand am meisten Flüchtlinge ankommen und das infolgedessen am meisten mit den negativen Folgen der Kombination aus Schengen- und Dublin-Abkommen zu kämpfen hat.

Die EU ist kein Elitenprojekt mehr

Darüber hinaus hat die EU das verbreitete Image, ein Elitenprojekt zu sein, von dem die schwächeren sozialen Schichten weniger profitieren. Hier war die Skepsis gegenüber der europäischen Gemeinschaft lange Zeit am höchsten. Es gibt jedoch Anhaltspunkte, dass diese gesellschaftliche Spaltung in der Bewertung der EU bald Geschichte sein könnte. Dafür spricht, dass sich die Grundhaltung gegenüber der EU seit 2015 nicht nur in den oberen Schichten, sondern gesamtgesellschaftlich zum Positiven verändert. In manchen Län­dern, etwa in Deutschland und Frankreich, ist der Imagege­winn in den unteren Schichten stärker ausgeprägt als in den bessergestellten gesellschaftlichen Gruppen – in Deutschland zeigt sich heute sogar eine Mehrheit der sozial Schwachen (54 Prozent) von den Vorteilen einer EU-Mitgliedschaft ihres Landes überzeugt. Mit Ausnahme der Tschechen sprechen sich alle Nationen, die an der acht-Länder-Studie teilgenommen haben, mehrheitlich für eine stärkere Zusammenarbeit und gegen einen Rückfall in Nationalismen aus.

Es besteht also Hoffnung, dass der Zuspruch für die EU mehr als nur ein kurzfristiger Trend bleibt und dass sich immer mehr Menschen – und nicht nur die Bessergestellten – mit dem Satz „I love EU“ identifizieren können.

Ansprechpartner in der Stiftung

Arne Schildberg

Bild: #unitedforeurope von Ed Everett lizenziert unter CC BY 2.0

 


Demokratisches Europa

Eine Politik für Europa muss in erster Linie von den Bürger_innen Europas getragen werden. Wir wollen daher wissen, welche Erwartungen die Menschen an die EU haben. Momentan ist eine kritische Einstellung weit verbreitet. Wie muss sich die EU verändern, damit das Vertrauen in sie wieder wächst? Wie kann die EU fairer, demokratischer und inklusiver gestaltet werden? Vor allem im Rahmen der politischen Bildung wollen wir einen Beitrag leisten, um ein Europa des Zusammenhalts zu befördern.

Ansprechpartnerin

Marie Meier

+49 30 26935-7418
Marie.Meier(at)fes.de

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