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Im nächsten Jahr stimmt die chilenische Bevölkerung über eine neue Verfassung ab. Eines ist jetzt schon klar: Der Text wird Bezug nehmen auf den Klimanotstand.
von Francisco Parra (Twitter:@frparrag)
Der 18. Oktober ist für Chile ein denkwürdiges Datum. Es erinnert an den Beginn der landesweiten Massenproteste vor zwei Jahren, die im Zeichen der Revolte gegen soziale Ungleichheit und des Kampfes für Würde standen. Die verfassungsgebende Versammlung, die zur institutionellen Lösung der politischen Krise einberufen wurde, nahm nun am 18. Oktober 2021 ihre Arbeit auf, nachdem sie in Rekordzeit ihre Verfahrensregeln verabschiedet hat.
Der Verfassungskonvent hat ein Jahr Zeit, den Chilenen eine neue Verfassung vorzulegen. Dann müssen die Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum entscheiden, ob sie den neuen Verfassungstext annehmen oder ablehnen.
Trotz vieler Hürden setzt die verfassungsgebende Versammlung deutliche Zeichen, die ankündigen, dass in dem kleinen südamerikanischen Land neue Zeiten anbrechen. Erst vor wenigen Wochen hat der Verfassungskonvent mit 137 von 155 Stimmen eine wichtige Erklärung verabschiedet: „Die Ausarbeitung der neuen Verfassung steht im Zeichen des klimatischen und ökologischen Notstands; daher muss sie in allen Kommissionen und bei allen von ihr entwickelten Vorschlägen im Blick behalten, dass zur Bewältigung der Klima- und Ökosystemkrise Folgendes gewährleistet sein muss: Umweltbildung, Vorbeugung und Vorsorge, die Sicherung des bereits erreichten Klimaschutzniveaus und die ökologische Transformation.“
Nach Meinung der indigenen Vorsitzenden des Verfassungskonvents, der Sprachwissenschaftlerin Elisa Loncón vom Volk der Mapuche, darf das Gremium bei seiner weiteren Arbeit „der Erde, der Natur und den darin lebenden Geschöpfen nicht den Rücken kehren, denn sie existieren auch in uns. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir unseren Verfassungsvorschlag im Einklang mit Mutter Erde erarbeiten“.
Die Initiative wurde von einer Gruppe von „Öko-Aktivisten“ unterstützt, der mehr als 30 Vertreterinnen und Vertreter verschiedener sozialökologischer Interessensgruppen angehören.
Für Manuela Royo, die dem Verfassungskonvent angehört und sich in der Bewegung zur Verteidigung des Zugangs zu Wasser, der Erde und des Umweltschutzes (MODATIMA) engagiert, muss die neue chilenische Verfassung „nach wirksamen und kollektiven Anpassungslösungen suchen, über territoriale Ordnung und eine Dezentralisierung nachdenken, die sich auf die Ökosysteme besinnt und um diese herum organisiert wird. Sie muss Modelle entwickeln, wie Umweltgerechtigkeit allgemein zugänglich gemacht werden kann – angesichts des Klimanotstands, in dem wir uns befinden, ist das ein zentraler Aspekt“.
Der Verfassungskonvent hat bereits kleine und wichtige Schritte unternommen. In der Debatte über die Verfahrensregeln betonte die Kommission für Menschenrechte und Garantien der Nichtwiederholung, Chile sei aus dem Genozid an den indigenen Völkern hervorgegangen und die Klima- und Umweltkrise sei „ein Akt des planetarischen Ökozids an der gesamten Biosphäre und ihren Arten“.
Vor zwei Jahren bereitete sich die Regierung von Sebastián Piñera auf die Ausrichtung des Klima-Gipfels APEC im November und der COP25 im Dezember vor. Beides musste Piñera wegen der sozialen Krise absagen. Heute, nur wenige Monate vor seinem Ausscheiden aus dem Amt, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen mutmaßlicher Steuervergehen und Bestechung im Zusammenhang mit einem umstrittenen, zweieinhalb Milliarden Dollar schweren Kupfer- und Eisenbergbauprojekt, das in der Nähe des Humboldt-Pinguin-Nationalreservats angesiedelt werden sollte. Dieses sensible Naturschutzgebiet ist Lebensraum für Wale, Delfine, Vögel und Humboldt-Pinguine.
Neben dieser juristischen Auseinandersetzung droht Piñera ein Amtsenthebungsverfahren wegen derselben Sachverhalte, die vor einigen Wochen in den Pandora Papers enthüllt wurden. Der Präsident darf inzwischen aufgrund eines Gerichtsbeschlusses das Land nicht mehr verlassen. An der COP26 in Glasgow wird er also nicht teilnehmen.
Aus dem Englischen von Christine Hardung
Francisco Parra ist Programm-Manager für Lateinamerika bei Climate Tracker. Nachdem er über drei COPs berichtet hat, möchte er nun seine Erfahrungen mit Journalisten aus ganz Lateinamerika teilen. Leidenschaftlicher Trinker von Fernet und Terramotos. Arbeitet von Chile aus. Spricht auch Spanisch.
@frparrag
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