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Politische Akademie

Hand in Hand mit Brüssel

Für eine transatlantisches Bündnis in der Technologiepolitik - Blogbeitrag von Ben Scott


Dieser Beitrag ist Teil der Blogreihe zum #DigiCap-Kongress vom 15. Bis 19. November 2021 Digitale Agenda für Europas Wirtschaft: – demokratisch • nachhaltig • gerecht.


Europa geht weiter seinen regulatorischen Weg, um die Interessen von Big Tech, Demokratie und Gesellschaft auszutarieren. Die USA werden dagegen oft als Verteidiger des Silicon Valley dargestellt, der die Interessen amerikanischer Technologie-Unternehmen vor rückschrittlicher und destabilisierender Regulierung aus Europa schützen will. Was aber, wenn die Schwarz-Weiß-Zeichnung der digitalen Kluft zwischen der EU und den USA trügt? Was wenn es in Wirklichkeit ein gemeinsames Interesse an der Gestaltung einer sozial und ökologisch nachhaltigeren digitalen Wirtschaft gibt? Die digitale Agenda der EU könnte sogar der Schlüssel dafür sein, dass die USA im Hinblick auf Big Tech eine ehrgeizigere regulatorische Agenda verfolgen. Der Blick auf die EU zeigt die Instrumente, mit denen die bisherigen Blockaden dort überwunden werden könnten.

Nie war deutlicher, dass politische Entscheidungsträger_innen jetzt dafür sorgen müssen, dass die Aktivitäten großer Technologieunternehmen stärker in den Dienst der Demokratie gestellt werden. Die jüngsten Enthüllungen von Whistleblower_innen haben gezeigt, wie Facebook konsequent und bewusst unternehmerischem Profit den Vorrang gibt vor Sicherheitsfragen. Es gibt keine Regeln, die den Konzern dazu verpflichten, das öffentliche Interesse zu schützen.

Um diese Krise zu bewältigen, bedarf es einer ehrgeizigen politischen Agenda, die die Bereiche öffentliche Sicherheit, Wettbewerb und Daten umfasst. Die EU ist auf einem guten Weg, dies durch eine Reform der Rechtsvorschriften zu erreichen. Zunächst wurden mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) wegweisende Regelungen zum Umgang mit Daten geschaffen. Ihr folgten Vorschläge zur Schaffung eines sichereren digitalen Raums (Gesetz über digitale Dienste) und für Wettbewerbsregeln für digitale „Gatekeeper“ (Gesetz über digitale Märkte).

Die Politik in den USA war indessen gelähmt durch politische Blockaden und aggressives Lobbying aus dem Silicon Valley. Doch langsam kommt Bewegung in die Sache. In immer mehr Bundesstaaten gibt es nun Datenschutzbestimmungen. Auch bundesweite Regelungen sind in Reichweite. Die DSGVO der EU hat weltweit Wirkung gezeigt und hat mit ihrem Vorbildcharakter andere Regierungen zum Handeln bewegt. Die Gesetze über digitale Dienste und digitale Märkte haben dasselbe Potenzial.

Eine amerikanische Außenpolitik gegenüber der EU, die dieses Potenzial erkennt, könnte dazu beitragen, die Barrieren zu überwinden, mit denen die Verantwortlichen in Washington heute konfrontiert sind. Diplomatische Bemühungen, die den Big-Tech-Ansatz der EU unterstützen, könnten den Weg für die Einführung ähnlicher Regeln in den USA ebnen. Der EU-US Handels- und Technologierat (TTC) hat das Potenzial, dabei eine wesentliche Rolle zu spielen. Um die Krise von Big Tech und Demokratie in den Griff zu bekommen sind vor allem drei Themen von entscheidender Bedeutung: Zugang zu Daten, Transparenz und die Verbreitung illegaler und schädlicher Inhalte.

Erste Aussagen seitens des TTC sind ermutigend. Beispielsweise hat er einen Plan zur Zusammenarbeit mit den Plattformen vorgestellt, um den Datenzugang für Forscher_innen bei der Bekämpfung systemischer Risiken zu verbessern. Auch Maßnahmen zur „Einhegung der Macht von Online-Plattformen“ und zur Schaffung eines effektiven Wettbewerbs stehen auf der Agenda. Auf beiden Seiten des Atlantiks besteht der Wunsch, die durch die Dominanz von Big Tech verursachten Schäden zu verstehen und etwas dagegen zu unternehmen. Viele US-Unternehmer_innen haben die europäische Politik dafür kritisiert, ihre Tätigkeiten im Zuge der Wettbewerbsreform auf „ungerechte“ Weise ins Visier zu nehmen. In zunehmendem Maße werden allerdings auch andere Stimmen laut, beispielsweise von Justizminister_innen verschiedener US-Bundesstaaten, die ähnliche Bedenken hinsichtlich der Vorherrschaft von Google und Facebook äußern. Umfassende Untersuchungen haben Daten und Praktiken aufgedeckt, die viele der Eingriffe rechtfertigen, die in der Debatte um das europäische Gesetz über digitale Märkte vorgeschlagen wurden.

Die Unterstützung der EU und der USA für eine Regulierungsagenda, die Big Tech in ihre Schranken weist und eine nachhaltigere, sozialere und demokratischere digitale Wirtschaft fördert ist derzeit offensichtlicher denn je. Als Frances Haugen mit internen Facebook-Dokumenten an die Öffentlichkeit ging, die das Gewinnstreben des Unternehmens trotz nachgewiesener Schäden an Gesellschaft, Kindern und Demokratie belegen, begrüßten politische Entscheidungsträger_innen auf beiden Seiten des Atlantiks ihr Handeln. EU-Kommissar Thierry Breton dankte ihr für ihren Mut, die USA feierten Haugen als „amerikanische Heldin des 21. Jahrhunderts“.

Die digitale Agenda der EU kann einerseits der Schlüssel sein, der es den Verantwortlichen in den USA ermöglicht, die Regulierung von Big Tech zu reformieren. Andererseits können die USA durch gezielte Unterstützung und eine diplomatische Beteiligung an den Debatten, die aktuell in Brüssel geführt werden, ihrerseits helfen, einen globalen Standard zu entwickeln. Dieser wird in den nächsten Jahren wesentlich sein für die Gestaltung der amerikanischen Bestimmungen. Damit das funktioniert, muss die US-Außenpolitik einen Ansatz des „hilf ihnen, uns zu helfen“ verfolgen und an frühere Bündnisse transatlantischer Technologiepolitik anknüpfen. Der Impuls für Reform geht im Moment von Brüssel aus. Ein Konsens über die digitale Agenda der EU wird wesentlich sein, um langfristige regulatorische Veränderungen nicht nur in Europa, sondern auch anderswo nachhaltig zu unterstützen – nicht zuletzt auch in den USA.

Aus dem Englischen von Marie-Christine Sehmer

 


Zum Autor

Ben Scott ist Geschäftsführer bei Reset, einer Initiative von Luminate in Partnerschaft mit der Sandler Foundation, die sich auf die Bekämpfung digitaler Bedrohungen der Demokratie konzentriert. Dort ist er für die strategische Ausrichtung, die Koordinierung von Politik, Technologie und bürgerschaftlichem Engagement sowie für die fachliche Beratung bei der Entwicklung von Strategien und der Interessenvertretung zuständig.



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