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Der Übergang sollte nicht zu Lasten der an vorderster Front stehenden Arbeiter_innen und Bevölkerungsgruppen durchgesetzt werden.
„Das wird echt hart. Ich würde mal sagen, dass 80 Prozent der Leute hier in dieser Gegend im Bergbau arbeiten. Wenn jetzt also die Minen geschlossen werden... ja, krass, ey! Meine Familie wird darunter leiden. Es ist nicht nur meine Familie, auch andere Leute sind von mir abhängig, weil ich jetzt vielleicht zwei oder drei Familien versorge.“ So beschrieb ein Bergarbeiter in dem Dorf Ogies im südafrikanischen Mpumalanga seine Situation. Er bat darum, anonym zu bleiben, da er wegen seiner Äußerungen gegenüber den Medien Repressalien befürchtet.
Seine Geschichte ähnelt jedoch der der weiteren 200.000 Menschen, die entlang der gesamten Kohlekette in Mpumalanga – der Provinz im Herzen des südafrikanischen Kohlegürtels – beschäftigt sind, wo ein „gerechter Übergang“ (Just Transition) nichts mehr als leere Worte sein werden, sofern damit eine Bedrohung ihrer Lebensgrundlage einhergeht, weil ihre Arbeitsplätze vom falschen Rohstoff zur falschen Zeit abhängen. Mpumalanga ist auch sinnbildlich für die umfassendere sozioökonomische Misere in Südafrika, einem Land, das unter der größten Ungleichheit und einer der höchsten Arbeitslosenquoten der Welt leidet.
Vor diesem Hintergrund hat Südafrika einen „gerechten Übergang“ eingeleitet, der sowohl der unbedingten ökologischen Notwendigkeit Rechnung trägt, sich von der fast vollständigen Abhängigkeit von der Kohleverstromung (einem Überbleibsel aus der Zeit der Apartheid) zu lösen, als auch den sozioökonomischen Kontext berücksichtigt.
Im Fachbericht der präsidialen Klimakommission Südafrikas zu einem gerechten Übergang heißt es, dass sich ein „gerechter Übergang“ auf „die Steuerung des Übergangs hin zu einer kohlenstoffarmen Gesellschaft in ausgewogener und gerechter Weise innerhalb eines bestimmten sozioökonomischen Kontexts“ bezieht.
Auf der COP27 unterzeichnete Südafrika im Rahmen der Just Energy Transition Partnership (JETP) – einer Partnerschaft zwischen der Europäischen Union (EU), Deutschland, Frankreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten – einen Kreditvertrag mit französischen und deutschen Entwicklungsbanken über 600 Millionen Euro. Diese Gruppe – bekannt als die International Partners Group (IPG) – hatte sich ursprünglich auf der COP26 zusammengefunden, um Südafrikas Klimaschutzziele durch Hilfen bei der Finanzierung des Umstiegs von der starken Abhängigkeit von Kohle auf sauberere und erneuerbare Energiequellen zu unterstützen.
Formalisiert wurde diese Zusammenarbeit später unter dem Akronym JETP. Seither hat Südafrika einen Investitionsplan für eine gerechte Energiewende (JET-IP) aufgesetzt. Er ist der inhaltliche Grundstock der eingeläuteten Energiewende Südafrikas. Mit Unterzeichnung des Darlehensvertrags zu äußerst günstigen Bedingungen sieht Südafrika die ersten zarten Pflänzchen dessen, was in verschiedenen Gremien als „Modell“ für die Finanzierung des Klimaschutzes und der internationalen Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bezeichnet wurde.
Aber was ist mit der Gerechtigkeit? Was braucht es, um sicherzustellen, dass mit Hilfe ähnlicher Partnerschaften und Übergangsprozesse in Ländern wie Indonesien, Vietnam, Nigeria und weiteren Ländern, die ähnliche Vereinbarungen getroffen haben oder diese ggf. als Zielsetzung vor Augen haben, wahre Gerechtigkeit ermöglicht wird? Was kann man von Südafrika lernen, um die Bedürfnisse der am meisten gefährdeten Menschen vor Ort bestmöglich zu berücksichtigen und ihnen Rechnung zu tragen?
Vic Van Vuuren, der an der Gründung von Business Unity South Africa (BUSA) beteiligt war und derzeit Direktor der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) für das südliche Afrika ist, erklärte uns auf der COP27 im ägyptischen Scharm El-Scheich seine Sichtweise. „Es beginnt mit der richtigen Planung, denn wenn wir von einem gerechten Übergang sprechen – und wir arbeiten ja mit Ländern aus der ganzen Welt zusammen – denken sie, dass sie einfach am ersten Tag einen Beschluss zur Schließung einer Kohlezeche treffen können, und das war's dann, als hätten sie so die Anforderungen zur Bekämpfung des Klimawandels erfüllt. Dem ist nicht so.“
Eine der Lehren, die Länder wie Indonesien aus den Erfahrungen Südafrikas ziehen können, steht in Einklang mit der Empfehlung Van Vuurens. Während der COP27 verhandelte das Land eine ähnliche Vereinbarung im Wert von 20 Milliarden US-Dollar, um von der Kohleverstromung wegzukommen, wobei der Wandel so gestaltet sein soll, dass „die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der gerechten Energiewende Indonesiens berücksichtigt werden“.
Sandeep Pai, leitender Forschungsbeauftragter des Global Just Transition Network am Center for Strategic and International Studies, sagte uns gegenüber, dass „Indonesien Investitionspläne vorlegen (und seine Hausaufgaben machen) muss, durchzuführende Projekte bestimmen sollte und eine Projektpipeline entwickeln muss, die die Gegebenheiten vor Ort ins Auge fasst.“„Indonesien muss noch eine Menge von Südafrika lernen. Angefangen bei der Durchführung von Projekten und der Einbindung einer Vielzahl von Interessengruppen, einschließlich der Gewerkschaften, Regionen und Kommunen, bis hin zu ganz konkreten technischen Fragen, wie z.B. der Umnutzung von Kohlekraftwerken“, so Pai.
Auch Vertreter_innen der Zivilgesellschaft und Umweltaktivist_innen haben ihre Meinung zu diesem Thema. Ananda Lee Tan gehört der Just Transition Alliance an – einer Koalition aus Bevölkerungsgruppen und Arbeiter_innen an vorderster Front, die ihr Augenmerk auf Lösungen richten, die auf ortsbezogenem ökologischen Wissen, lokaler demokratischer Selbstverwaltung und den Rechten von Gemeinschaften und Arbeiter_innen vor Ort beruhen. Er sprach über seine Erkenntnisse zu den Voraussetzungen für einen gerechten Übergang. „Partnerschaften für einen gerechten Übergang verfolgen hehre Ziele, aber wenn sie sich nicht auf die demokratische Selbstverwaltung und Selbstbestimmung ortsansässiger Gewerkschaften und Gemeinschaften an der vordersten Front des Wandels stützen, kann es sich nicht um einen gerechten Übergang handeln. Es darf keinen Verhandlungstisch geben, an dem es keine demokratische Vertretung der Gewerkschaften und der Gemeinschaften gibt.“
„Lokales ökologisches Wissen ist entscheidend, ebenso wie lokale, ortsbezogene Lösungen. Letztendlich muss sichergestellt werden, dass diejenigen, die die Schäden verursacht haben, auch die Kosten für den Übergang tragen. Dieser Übergang sollte nicht auf dem Rücken der in der ersten Reihe stehenden Arbeiter_innen und Bevölkerungsgruppen durchgesetzt werden, sondern die Verantwortung sollte von denjenigen übernommen werden, die von den Schäden profitiert haben, und hier sind wir der Meinung, dass der Übergang mit Entschädigungszahlungen zum Klimawandel abgeglichen werden sollte – nicht nur zur Wiedergutmachung des der Erde zugefügten Schadens, sondern auch an all den Bevölkerungsgruppen, die historisch gesehen als erste betroffen waren und am meisten gelitten haben.“
„Diese Bevölkerungsgruppen und Arbeiter_innen [müssen] die ersten sein, die von jeglicher Finanzierung zur Bekämpfung des Klimawandels profitieren, und ihnen muss am meisten zugutekommen. Finanzinstrumente dürfen nicht auf Gewinn ausgerichtet sein und mit einer Gegenleistung verbunden sein, bei der die Klimabanker und die Schadensverursacher sogar noch versuchen, noch mehr aus diesen Lösungen und Investitionen herauszuschlagen“, erklärte Tan. „Die Schuld und Verantwortung liegen bei den Imperien und Konzernen, die ihren gestohlenen Reichtum von dem Land und mit dem Leben und der Arbeit anderer Menschen auf der ganzen Welt angehäuft haben [...] und schlussendlich müssen die Lösungen für den Klimawandel wirklich von den am meisten betroffenen Arbeiter_innen und Bevölkerungsgruppen bestimmt werden.“
Ethan van Diemen ist ein in Kapstadt ansässiger südafrikanischer Daten- und Enthüllungsjournalist. Als ehemaliger Stipendiat der Open Society Foundation für investigativen Journalismus in Johannesburg arbeitet er an der Schnittstelle zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen über den Klimawandel, Energie und nachhaltiger Entwicklung in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara.
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