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Zum Tag der Menschenrechte sprachen wir mit Katharina Lumpp (UNHCR) über den globalen Flüchtlingsschutz, Resettlement und komplementäre Zugangswege für Flüchtlinge.
Am 10. Dezember 1948 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Jedes Jahr feiern wir an diesem Tag die Erklärung und die Rechte, die sich aus ihr für jeden Menschen ergeben. Welchen Einfluss hatte die Erklärung auf das heutige Flüchtlingsrecht?
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bildet eine der wichtigsten Grundlagen für den globalen Flüchtlingsschutz. Sie ging der Verabschiedung der Genfer Flüchtlingskonvention voraus und stellt das Fundament eines auf den Schutz der Menschenwürde und der Rechte der Menschen ausgerichteten Völkerrechts. In Artikel 14 formuliert die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auch ein Recht, vor Verfolgung in anderen Ländern Asyl zu suchen und zu genießen.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) war also die Wegbereiterin der Genfer Flüchtlingskonvention, der sogenannten GFK. Diese geht dann ins Detail.
Richtig. In der Genfer Flüchtlingskonvention geht es zum einen darum, die Voraussetzungen für einen Schutz vor Verfolgung durch schwere Verletzungen der Menschenrechte, wie sie in der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte enthalten sind, zu definieren. Man wollte zudem erreichen, Flüchtlingen – so die Präambel der Genfer Flüchtlingskonvention – die Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in möglichst großem Umfang zu sichern. Die Perspektive der Genfer Flüchtlingskonvention ist also die des schutzsuchenden Flüchtlings. Anknüpfungspunkt für den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten eines Flüchtlings ist dabei der direkte Kontakt mit einem anderen Staat als dem Herkunftsstaat, der diesen Schutz nicht mehr gewährleistet. Durch die Genfer Flüchtlingskonvention werden also Menschenrechte, wie sie etwa in der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vorgesehen sind, auch für Flüchtlinge im Zufluchtsstaat zur Entfaltung gebracht.
Welche Rechte ergeben sich daraus heute für Schutzsuchende und Menschen auf der Flucht?
Die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ausformulierten Rechte finden sich in der Flüchtlingsdefinition wieder, indem die Verfolgung im Heimatstaat als schwerwiegende Verletzung von Menschenrechten verstanden wird. Droht beispielsweise eine Verletzung von Art. 5 der Allgemeinen Erklärung – dem Verbot von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung – im Heimatland, würde dies eine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und somit ein zentrales Element der Definition eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention , darstellen. Gleichzeitig sind Rechte aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in den Bestimmungen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen im Aufnahmeland reflektiert. Beispielsweise schützt Art. 13 der Allgemeinen Erklärung die Freizügigkeit innerhalb eines Landes, was in Art. 26 der Genfer Flüchtlingskonvention im Hinblick auf den Zufluchtsstaat aufgenommen wurde.
Neben dem territorialen Asyl wurden über die Jahre weitere Zugangswege wie Resettlement und humanitäre Aufnahmeprogramme entwickelt. In der gerade veröffentlichten FES Publikation „Towards a Global Resettlement Alliance“ wird darauf hingewiesen, dass in der politischen Debatte diese neueren Zugangswege zum Teil gegen Asyl ausgespielt werden. Wie sehen sie das Verhältnis dieser Instrumente? Wie sollten sie eingesetzt werden?
Der Zugang zu Schutz und die Möglichkeit, Asyl zu suchen, stellen das Fundament des internationalen Flüchtlingsschutzes dar. Kommen Menschen an der Grenze an und ersuchen um Schutz als Flüchtling, dürfen sie nicht ohne Prüfung des Schutzbedarfs ab- oder zurückgewiesen werden. Das gebietet die zentrale Schutznorm der Genfer Flüchtlingskonvention und des flüchtlingsrechtlichen Völkergewohnheitsrechts, das Gebot der Nichtzurückweisung, auch Non-Refoulement genannt.
Schutzinstrumente wie Resettlement ergänzen den Flüchtlingsschutz für bestimmte, meist besonders vulnerable Gruppen von Flüchtlingen, die den notwendigen Schutz in einem Erstaufnahmeland nicht finden können. Resettlement und andere komplementäre Zugangswege zu Drittstaatenlösungen sind sowohl wichtige Ergänzungen zum internationalen Flüchtlingsschutz, als auch wichtige Instrumente der internationalen Verantwortungsteilung. Völkerrechtliche Verpflichtungen gegenüber schutzsuchenden Personen an den eigenen Grenzen oder im eigenen Land bleiben davon allerdings unberührt.
Die Resettlement Zahlen sind in den letzten Jahren unter der Trump geführten US Regierung und aufgrund der COVID-19 Pandemie eingebrochen. Die USA haben allerdings angekündigt ihre Aufnahmen im Vergleich zu 2020 für das Jahr 2022 mit 125.000 Plätzen mehr als zu verzehnfachen. Könnte das eine Trendwende sein?
UNHCR begrüßt das große Engagement der USA, um vermehrt sichere Zugangswege für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge zu schaffen. Diesen wird damit zu effektivem Schutz verholfen, der im Erstaufnahmestaat nicht möglich war. Zudem sendet die Aufnahme im Wege von Resettlement ein wichtiges politisches Signal an die – oftmals überlasteten – Erstaufnahmestaaten: Ihnen wird dadurch ein Teil der Verantwortung abgenommen, nicht nur finanziell, sondern auch durch die tatsächliche humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen.
Zu einer wirklichen Trendwende im globalen Resettlement ist allerdings auch notwendig, dass Aufnahmezahlen auch von anderen Ländern deutlich erhöht werden, etwa in der Europäischen Union. Das wäre beispielsweise dann erreicht, wenn die Anzahl der Resettlement-Plätze quantitativ deutlich über dem Niveau von 2016 liegen würden. Damals wurden 125.000 Flüchtlinge über Resettlement aufgenommen.
Die FES Publikation zeichnet einen Weg in Richtung einer möglichen Globalen Resettlement Allianz auf. Mit Blick auf kurz-, mittel- und langfristige Zielmarken und Weichenstellungen könnte eine verstärkte internationale Kooperation nicht nur zu einem Zusammenschluss von Ländern, wie Deutschland, Frankreich, Schweden, USA und Kanada führen. Auf welche europäischen und globalen Ansätze zur Kooperation könnte hierbei aufgebaut werden?
Flüchtlingsschutz ist eine globale Aufgabe, bei der es daher auch um globale Verantwortungsteilung und Solidarität mit Aufnahmeländern geht. Mit Blick auf das globale Ausmaß von Flucht und Vertreibung ist es daher grundsätzlich wichtig, die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen Staaten und anderen Interessenträgern zu stärken. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat im Dezember 2018, dass heißt vor genau drei Jahren, den Globalen Pakt für Flüchtlinge beschlossen. Zu den Zielen des Globalen Paktes für Flüchtlinge gehört unter anderen, Drittstaatenlösungen für Flüchtlinge zu erweitern. Um dies zu erreichen, wurden Maßnahmen vorgesehen, um Resettlement-Programme einzurichten oder auszuweiten, zu vergrößern und zu verbessern. Der Globale Pakt für Flüchtlinge bietet eine zentrale Plattform, auf der Maßnahmen koordiniert, und ein Austausch, auch im Bereich von Resettlement, gestaltet werden kann. Wichtig dabei ist, dass wir neue Staaten dafür gewinnen Flüchtlinge über Resettlement-Programme aufzunehmen.
Laut der aktuellen Publikation der FES wäre es möglich, durch einen moderaten jährlichen Anstieg der Aufnahmezahlen den aktuellen Resettlementbedarf innerhalb von nur 10 Jahren zu bedienen. Wie schätzen Sie dieses Ziel ein und was würden Sie sich aus Sicht des UNHCR für die Zukunft wünschen?
Das Ziel muss sein, so vielen Flüchtlingen wie möglich ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen und die jährlichen Kontingente für Resettlement sehr viel mehr dem Bedarf anzunähern, als dies heute der Fall ist. Der Bedarf liegt für das Jahr 2022 auf 1,47 Millionen Menschen. Diese Zahl ist in den letzten Jahren nicht massiv, aber doch stetig gewachsen. Zudem ist die Gruppe der Flüchtlinge mit Resettlement-Bedarf nicht statisch, sondern verändert sich aufgrund der weltweiten Entwicklungen in den verschiedenen Flüchtlingssituationen ständig. Es kommen also neue Flüchtlinge hinzu, für die Resettlement die einzige effektive und dauerhafte Lösung darstellt, während andere Aufnahme in Resettlement-Ländern finden können. Auch wird bei einigen Flüchtlingen aufgrund einer veränderten Lebenssituation Resettlement nicht mehr erforderlich sein.
Was müsste sich aus Sicht des UNHCR ändern, damit dieses Szenario etwas wahrscheinlicher wird?
Erstens, sollte die gemeinsam von UNHCR, Staaten und anderen relevanten Interessensträgern entwickelte 3-Jahresstrategie umgesetzt werden, so wie sie der Globale Pakt für Flüchtlinge vorsieht. Diese Strategie zielt auf einen deutlichen Anstieg von Resettlementzahlen ab, indem mehr Staaten sich an Resettlement beteiligen und die bereits engagierten Staaten mehr Aufnahmeplätze zur Verfügung stellen.
Zweitens, sollte ein Fokus darauf liegen, die gesellschaftliche Aufnahmebereitschaft zu fördern, damit Flüchtlinge willkommen geheißen werden und auch so der Weg für weitere Aufnahmen geebnet wird.
Drittens, sollten komplementäre Zugangswege, die andere Gruppen von Flüchtlingen im Blick haben als Resettlement, weiter ausgebaut werden, so beispielsweise Programme zur Familienzusammenführung oder auch sichere Zugangswege für Studierende.
Dabei ist wichtig, dass sich die Zugangswege auf sinnvolle Weise ergänzen. Von zentraler Bedeutung bleibt: Im Ganzen funktioniert das internationale Schutzsystem nur, wenn solche humanitären Aufnahmen die Möglichkeit des Zugangs zu Asyl ergänzen und nicht zu ersetzen suchen.
Der UNHCR definiert Resettlement als die Umsiedlung von Flüchtlingen von einem Erstzufluchtsland in ein anderes Land, das bereit ist, diese Menschen aufzunehmen und ihnen auf lange Sicht dauerhaft Schutz zu gewähren. Resettlement soll eine dauerhafte Lösung für Flüchtlinge bieten, die sich im Erstzufluchtsland in einer besonders prekären Situation befinden, zum Beispiel Personen mit besonderem rechtlichen und physischen Schutzbedarf, medizinischem Behandlungsbedarf, Überlebende von Folter oder gefährdete Frauen, Mädchen und Kinder.
ist die Vertreterin des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) in Deutschland. Sie arbeitet seit mehr als 25 Jahren für UNHCR, unter anderem auf Posten in Brüssel, Bonn, in der Genfer Zentrale, in Kairo, Rom, Athen und Amman sowie in mehrjährigen Einsätzen in Afghanistan. Und auf kurzen Einsätzen in der DR Kongo, in Nord Mazedonien und in der Elfenbeinküste. Zuletzt leitete sie drei Jahre lang die Operation von UNHCR in der Türkei, bevor sie zu Beginn des Jahres auf den jetzigen Posten in Berlin berufen wurde.
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