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Politische Akademie

Überlebt die OSZE Europas schwerste Sicherheitskrise?

Beim OSZE-Ministerrat in Skopje stand die Organisation vor drei grundlegenden Problemen. Für Vorsitz, Führungspersonal und Budget mussten Lösungen gefunden werden. In Anbetracht des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und der damit einhergehenden schweren Sicherheitskrise in Europa gelang dies immerhin teilweise.

von Christos Katsioulis. Mitarbeit Felix Kösterke.

 

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist mit 57 Mitgliedsstaaten noch immer die größte Sicherheitsorganisation der Welt. Doch seit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 ist die Organisation in einer tiefen Krise. Nun konnte beim diesjährigen Ministerrat in Skopje vergangene Woche wenigstens die OSZE als Institution erhalten werden. Dabei stand der nordmazedonische Vorsitz vor drei zentralen Herausforderungen, von denen eine erledigt und die zweite zu einem Viertel bewältigt werden konnte. An der dritten ist der Ministerrat der Mitgliedsstaaten gescheitert. Aber der Reihe nach.

 

Die wahrscheinlich zentralste Aufgabe war die Findung eines Vorsitzes für das Jahr 2024, um die organisatorische Kontinuität der OSZE zu sichern. Während die finnische Präsidentschaft für 2025 bereits länger feststeht, blockiert Russland schon seit 2021 den für 2024 geplanten OSZE-Vorsitz Estlands. Seit der großangelegten russischen Invasion der Ukraine und der daraus folgenden politischen Eiszeit zwischen Russland und den meisten OSZE-Mitgliedsstaaten war die Frage des nächsten Vorsitzes besonders problematisch. Diese konnte nun durch die Einigung auf den Kompromisskandidaten Malta entschärft werden.

 

Zweitens, die Führungspositionen der Organisation mussten besetzt werden, da die Verträge wichtiger Funktionäre wie der Generalsekretärin auszulaufen drohten. Hier gelang lediglich ein Teilerfolg. Statt wie üblich für drei Jahre wurden die Mandate der Beauftragten für Medienfreiheit, des Hohen Kommissars für nationale Minderheiten, des Leiters des Menschenrechtsbüros ODIHR und auch der Generalsekretärin bis September 2024 verlängert. Statt 36 Monate also nur neun. Das Thema wird damit bald wieder auf der Agenda stehen müssen.

 

Drittens, an der Verabschiedung des Budgets ist der OSZE-Ministerrat gescheitert. Damit operiert die Organisation nun schon seit 2021 ohne offizielles Budget. Sie speist sich weiterhin aus nationalen Zuwendungen auf Basis des Haushalts von 2021. Planungssicherheit und Handlungsfähigkeit sind also weiterhin eingeschränkt.

 

Politische Dynamiken und Konfrontation

Der Gipfel wurde jedoch nicht nur durch diese Herausforderungen, sondern insbesondere durch die politischen Umstände geprägt. Denn im Gegensatz zum letztjährigen Ministertreffen nahm an diesem OSZE-Gipfel auch der russische Außenminister Lawrow, genauso wie sein amerikanischer und seine deutsche Amtskollegin teil. Dies kontrastierte mit der Abwesenheit von Vertretern auf Minister_innenebene aus der Ukraine, den baltischen Staaten und Polen, die damit gegen Lawrows Anwesenheit protestierten.

 

Seine Teilnahme war dann auch geprägt von Konfrontation und Propaganda, wobei er die Legitimität der russischen Kriegsziele in der Ukraine verteidigte und den Westen gewohnt hart kritisierte. Wie fast Tradition geworden, verließen einige westliche Diplomat_innen demonstrativ den Saal, als der russische Außenminister zu seiner Rede ansetzte. In der anschließenden Pressekonferenz legte Lawrow noch einmal nach und verhöhnte den US-Außenminister, den EU-Außenbeauftragen und die bulgarische Regierung, die seinem Flugzeug auf der Anreise den Überflug verweigert hatte.

 

Kompromiss für den Multilateralismus und prekäre Kontinuität

Nordmazedonien ist es im Sinne eines Kompromisses für den Multilateralismus gelungen, die Teilnahme Russlands zu ermöglichen und gleichzeitig die russische Aggression klar zu verurteilen. Indem der Vorsitzende, der nordmazedonische Außenminister Osmani, die OSZE als ein Ort, an dem die Mitgliedsstaaten mit ihren eigenen Verletzungen der gemeinsamen Abmachungen konfrontiert werden können, er ein neues Element internationaler Accountability schaffen.

 

Dennoch verbleibt die Organisation in einem Zustand prekärer Kontinuität. Ihre Zukunft ist angesichts des fehlenden Budgets und der kurzen Besetzung der Führungspositionen weiterhin unsicher. Die Verhandlungen der 57 Mitgliedsstaaten werden unter maltesischem Vorsitz weitergehen müssen. Ein Budget, das ein effektives Funktionieren der OSZE sichert und ein Personalpaket, das für alle Mitgliedsstaaten akzeptabel ist, zusammenzustellen dürfte gelinde gesagt eine Herausforderung bleiben.

 

Gleichzeitig teilen viele Mitgliedsstaaten weiterhin die Sorge, dass mit Russland abgestimmte Kompromisse als Kooperation mit Moskau interpretiert werden und somit innerhalb der westlich geprägten Bündnisse EU und NATO für Verstimmungen sorgen könnten. Solche Sorgen konnten einerseits durch kluge Kommunikation des Vorsitzes und der USA sowie andererseits durch Lawrows plumpe Anfeindungen und Polterei entkräftet werden, jedoch wird diese Frage auch in Zukunft im Raum stehen.

 

Fazit

Die OSZE kann weiter bestehen und ihre Arbeit, insbesondere ihre Missionen fortsetzen. Ihr Einfluss auf die europäische Sicherheit bleibt allerdings minimal. Das ist angesichts der tiefen Sicherheitskrise in Europa auch nicht anders vorstellbar. Allerdings ist es gelungen, die Organisation zu erhalten und damit ihr Potential für die Zukunft zu bewahren. In dem Sinne gilt für die OSZE, was wir alle aus der Vorweihnachtszeit kennen:

„Die Hoffnung und Beständigkeit, Gibt Trost und Kraft, Zu jeder Zeit.“

 

 

Christos Katsioulis leitet das Regionalbüro für Zusammenarbeit und Frieden der Friedrich-Ebert-Stiftung in Wien. Zuvor leitete er die Büros der FES in London, Athen und Brüssel.


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