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Grüner Wasserstoff in Costa Rica - Sozioökonomische Optionen für das postfossile Zeitalter

Grüner Wasserstoff to go? Ganz so einfach ist es dann doch nicht mit dem fossilfreien Zukunftstrend.

Wir sprachen mit Ingrid Ross, Leiterin des FES-Büros Costa Rica, über die neue Publikation "Grüner Wasserstoff in Costa Rica" und welche Möglichkeiten und Herausforderungen der fossilfreie Zukunftstrend mit sich bringt.

 

Wie kann die Energieversorgung sichergestellt und gleichzeitig der Weg in eine kohlenstoffneutrale Zukunft eingeschlagen werden? Diese Frage beschäftigt derzeit Entscheidungsträger_innen in Politik und Wirtschaft in Deutschland und Europa. Als ein zukunftsträchtiger Energieträger wird Wasserstoff angesehen. Warum lohnt sich in diesem Zusammenhang ein Blick nach Costa Rica?

Costa Rica ist zwar ein kleines Land zwischen dem pazifischen und atlantischen Ozean, doch hat es in den letzten Jahrzehnten geschafft, seine Energieerzeugung zu fast 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu sichern. Das Land profitiert von der geographischen Lage und klimatischen Charakteristika mit großen Niederschlagsmengen, einem bergigen Terrain, in einer vulkanisch aktiven Region und mit Sonneneinstrahlung von hoher Intensität: Geothermie ist eine zuverlässige und stabile Quelle für die Energieerzeugung, ein dynamischer Mix aus Wasser-, Windkraft und Solar ergänzt die Energiematrix.

Die Voraussetzungen sind daher günstig, um im Land Wasserstoff unter Nutzung erneuerbarer Energien herzustellen, was essentiell ist, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Wichtigstes Element für die Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyse ist Wasser. Für die Herstellung von einem Kilogramm H2 werden ca. 10 Liter Wasser benötigt. Costa Rica hat den Vorteil, ohne Rückgriff auf Meerwasserentsalzung in einigen Regionen über große Wasserressourcen von hoher Qualität zu verfügen, so dass hier kein Wettbewerb in der Nutzung um ein knappes Gut als Trinkwasser bzw. Bewässerung der Landwirtschaft entsteht. Costa Rica verfügt also über einige Standortvorteile für die Erzeugung von Grünem Wasserstoff.

Auch aus einem weiteren Grund sollte Costa Rica im Zusammenhang mit einer globalen Wasserstoffökonomie auf dem Schirm sein. Es findet zur Zeit ein Umdenken bei der Gestaltung internationaler Handelsbeziehungen statt. In den Beziehungen zu Russland und China wurde der Wirtschaft jahrzehntelang Vorrang eingeräumt, auch wenn es sich bei den Handelspartnern nicht um Demokratien handelte oder der Schutz von Menschenrechten und Minderheiten garantiert waren. Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die daraus erwachsen ist, birgt in Krisenzeiten ein großes Risiko für Stabilität und Wohlstand in Europa. Costa Rica kann als internationaler Partner mit einer gefestigten Demokratie punkten und auf eine pazifistische Tradition verweisen, die das Land als Wertepartner im demokratischen Lager verortet.

Welche positiven Effekte kann der Aufbau der Wasserstoffproduktion in Costa Rica noch bieten?

Neben dem Potential für den Export und die Einbindung in eine internationale Wasserstoffökonomie kann die Erzeugung von grünem Wasserstoff in Costa Rica auch positive gesellschaftliche und wirtschaftliche Effekte im Land haben: Die Dekarbonisierung der costaricanischen Wirtschaft setzt Veränderungen im Verkehrssektor und bei Produktionsprozessen voraus, denn der Verkehr und die Prozesswärmeerzeugung der Industrie hängen nach wie vor von fossilen Energieträgern und Rohstoffen (Düngemittel) ab und schlagen dementsprechend negativ in der CO2 Bilanz zu Buche. Da Costa Rica kein eigenes Erdöl fördert, werden alle Brennstoffe und Zwischenprodukte für die Kraftstoff- und Düngemittelherstellung importiert. Die voraussichtlich anhaltende drastische Verteuerung von Öl, Gas und Düngemitteln machen eine rasche Umstellung auch ökonomisch zu einer prioritären Aufgabe.

Desweiteren könnte in dem Bereich der Wasserstoff „grüne Beschäftigung“ geschaffen werden. Das Land verfügt über hochqualifizierte Arbeitskräfte, einschlägige wissenschaftliche Einrichtungen und über lange Erfahrung in der Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen Berufsausbildung. So könnten groß angelegte Investitionen eine wichtige Möglichkeit sein, die Arbeitslosenquote zu senken, die im Zuge der COVID-19-Pandemie deutlich angestiegen ist.

Was sind weitere Hindernisse und Perspektiven?

Viele Fragen zum internationalen Handel mit Wasserstoff sind im Moment noch unbeantwortet, sie betreffen jedoch nicht allein Costa Rica, sondern auch andere Länder, mit denen die deutsche Bundesregierung bereits in intensivem Kontakt über den Import von Wasserstoff steht, so z.B. Chile oder Namibia. Der Transport von flüssigem H2 oder Derivaten wie Ammoniak oder verflüssigten organischen Wasserstoffträgern (LOHC) über Ozeane und solch weite Distanzen von mehr als 10.000 km kann nur per Schiff erfolgen. Geeignete Schiffe in den notwendigen Dimensionen stehen in den kommenden Jahren jedoch kaum zu Verfügung, erst recht nicht in der benötigten Zahl. Auch geeignete Infrastruktur zum Be- und Entladen von Wasserstoff oder Derivaten sind von Nöten. Hier müssen hohe Sicherheitsstandards eingehalten werden. Zum Beispiel ist Ammoniak, als potentielles Transportsubstrat für GH2, gleichzeitig giftig, ätzend und explosiv.

Elektrolyseure zur Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff sind bislang technologisch noch nicht so ausgereift, dass sie unter verschiedenen Umgebungsbedingungen sicher und robust funktionieren oder so standardisiert, dass sie in großen Serien produziert werden können, um die Stückkosten zu senken. Es konkurrieren zudem unterschiedliche Elektrolyse-Technologien. Auch besonders vielversprechende Anwendungsbereiche für die Nutzung von GH2, wie die Herstellung klimafreundlichen Düngers oder der Einsatz für den Schwerlasttransport, befinden sich noch in der Phase von Demonstrationsprojekten. Dies bedeutet aber auch, dass es hier großes Potential für Forschung und Entwicklung gibt.

Stamm, Andreas; Lizana, Fernando; Thoms, Katharina

Grüner Wasserstoff in Costa Rica

Sozioökonomische Optionen für das postfossile Zeitalter
Berlin, 2022

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Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik

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Max Ostermayer
Dr. Robert Philipps
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