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Die Zukunft der deutschen und europäischen Wirtschaft hat ein Finanzierungsproblem. Wie die neue EU-Legislatur jetzt eine gemeinsame Investitionsoffensive starten kann.
von Dominika Biegon & Cédric Koch
Die Klimakrise und der sozial-ökologische Umbau der Wirtschaft stellen Deutschland vor enorme Herausforderungen, die es nicht in Eigenregie bewältigen kann. Die Transformation kann besser und effizienter europäisch koordiniert erreicht werden als im nationalstaatlichen Alleingang. Nationale Perspektiven dominieren jedoch oft, wenn es um konkrete politische Maßnahmen geht – gerade bei Finanzierungsfragen. In der letzten EU-Legislatur wurde daher das Problem massiver bestehender Investitionslücken für die sozial-ökologische Transformation ungelöst in die Zeit nach den Europawahlen verschoben.
In einem neuen Hintergrundpapier "Ein EU-Zukunftsfonds" sprechen wir uns gemeinsam mit Ko-Autor*innen des „Netzwerks Progressive EU-Fiskalpolitik“ der Friedrich-Ebert-Stiftung und des DGB, für die Schaffung eines EU-Zukunftsfonds zur Finanzierung der Transformation aus und entwickeln konkrete Vorschläge für zentrale Eckpunkte. Um die EU erfolgreich für die Finanzierung der Transformation zu nutzen, sollte Deutschland aktiv Verantwortung übernehmen und die Ausgestaltung und Umsetzung einer europäischen Lösung vorantreiben – nicht zuletzt, um die eigene wirtschaftliche Zukunft im geoökonomischen Wettbewerb mit den USA und China zu sichern und dem rechtspopulistischen Widerstand gegen die Transformation eine überzeugende Antwort entgegenzusetzen.
Es besteht ein massives ungelöstes Problem in der Finanzierung zukunftssichernder Investitionen in der EU. Von uns aufbereitete wissenschaftliche Studien schätzen, dass Mehrinvestitionen in Höhe von 2 bis 6 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr notwendig sind, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Private Investitionen werden einen Großteil der Transformation stemmen, doch auch die öffentliche Hand muss eine tragende Rolle spielen – nicht zuletzt, weil öffentliche Investitionen und Zuschüsse zu guten Rahmenbedingungen für Unternehmen beitragen.
Auf Basis der existierenden Studien schätzen wir den zusätzlichen öffentlichen Investitionsbedarf auf mindestens 1 Prozent der EU-Wirtschaftsleistung pro Jahr – das entspricht etwa dem gesamten derzeitigen EU-Budget über sieben Jahre hinweg. Dies beziffert jedoch nur den Bedarf für die Dekarbonisierung der europäischen Volkswirtschaften. Nicht berücksichtigt sind wichtige Investitionen etwa in Resilienz zur Sicherung europäischer Produktion in kritischen und zukunftsträchtigen Bereichen, in Weiterbildung und Qualifizierung sowie in Umweltschutz und Klimaanpassung (siehe Grafik unten).
Die kürzlich in Kraft getretenen neuen EU-Fiskalregeln verhindern jedoch genauso wie die deutsche Schuldenbremse eine Ausweitung von öffentlichen Investitionen. Leider konnten sich die EU-Institutionen nicht auf eine zukunftsfähige Reform einigen: Stattdessen müssen viele Mitgliedstaaten ab 2025 deutliche Kürzungen in ihren Staatshaushalten vornehmen, ohne dass es signifikante Ausnahmen für öffentliche Investitionen geben wird.
Hinzu kommt, dass bestehende EU-Fördermittel zur Finanzierung der Transformation in den nächsten Jahren auslaufen werden. Diese Förderinstrumente leisten derzeit noch einen wichtigen (wenn auch nicht ausreichenden) Beitrag zur Finanzierung der Transformation. Ab 2027 wird jedoch fast die Hälfte des EU-Förderrahmens für die Transformation ersatzlos wegfallen.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt brauchen wir daher einen EU-Zukunftsfonds, um die bestehenden Finanzierungslücken zu schließen. Auch der Bundeshaushalt würde unmittelbar profitieren, wenn ein Teil der Investitionslücken durch die EU adressiert werden könnte. In jedem Fall hilft es der deutschen Wirtschaft, wenn durch eine gezielte Investitionsagenda die Wettbewerbsfähigkeit, Resilienz und Zukunftsfähigkeit des für Deutschland essenziellen Binnenmarktes gestärkt wird.
Ein EU-Zukunftsfonds sollte strategische Investitionen mit europäischem Mehrwert in den Mitgliedstaaten unterstützen, insbesondere in Infrastruktur, die Vollendung der Energieunion, die Stärkung europäischer Industriestandorte und soziale Investitionen. Dessen Instrumente sollten private und öffentliche Investitionen fördern und auch öffentliche Beteiligungen umfassen. Die Auszahlung öffentlicher Gelder sollte transparent und zweckgebunden sein und an Tarifbindung sowie Standort- und Beschäftigungsgarantien geknüpft werden. So wird die Finanzierung der Transformation konsequent auf den Aufbau und Erhalt guter Arbeit ausgerichtet.
Zur Finanzierung der nötigen Größenordnungen sind neue EU-Eigenmittel entscheidend, sowohl um nationale Beiträge zu schonen als auch um zusätzliche Investitionen durch neue EU-Anleihen zu erschließen. Verschiedene Rechtswege kommen dabei in Betracht, erfordern aber alle eine einstimmige und ratifizierte Reform des Eigenmittelbeschlusses. Der Streit darüber wird die nächste EU-Legislaturperiode prägen, bietet aber für Progressive die Möglichkeit eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses auf nationaler und europäischer Ebene und kann mehrheitsfähig sein.
Nicht zuletzt sind ökonomische Unsicherheiten und eine unsoziale Sparpolitik zwei zentrale Faktoren, die für den Aufstieg populistischer und extremistischer Parteien verantwortlich sind. Ein EU-Zukunftsfonds, der positive Zukunftsperspektiven schafft und soziale wie wirtschaftliche Härten abfedert, stärkt daher zugleich den Zusammenhalt und die Demokratie in Europa.
Der geschäftsführende Bundesvorstand des DGB hat kürzlich eine Position "Ein EU-Zukunftsfonds für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt" verabschiedet.
Warum und wie? ; Hintergrundpapier des "Netzwerks Progressive EU-Fiskalpolitik" / Cédric Koch [und 10 weitere Autoren] ; Herausgebende Abteilung: Abteilung Internationale Zusammenarbeit - Referat Globale und Europäische Politik. - Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung e.V., Mai 2024. - 27 Seiten = 400 KB, PDF-File. - (Studie). - (Wirtschaft und Finanzen)Electronic ed.: Bonn : FES, 2024ISBN 978-3-98628-490-9
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Dr. Dominika Biegon ist Referatsleiterin für europäische und internationale Wirtschaftspolitik beim Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Dr. Cédric Koch ist Referent für europäische und internationale Wirtschaftspolitik bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
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