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Migrationspolitik: Kein Pakt mit dem Teufel

Warum eine globale Migrationspolitik ohne Trump besser ist.

Bild: Crossing the harbor von Ryan Vaarsi lizenziert unter CC BY 2.0

Nach der Aufkündigung des Klimaabkommens von Paris und dem Austritt aus der Unesco jetzt also der Ausstieg aus der internationalen Migrationspolitik. Die USA haben angekündigt, sich nicht mehr an der Erarbeitung des globalen Pakts für Migration zu beteiligen. Ein globaler Ansatz sei mit der Souveränität der USA nicht vereinbar, so die UN-Botschafterin Nikki Haley. Noch vor einem Jahr hatte US-Präsident Obama die New Yorker Erklärung enthusiastisch unterstützt, die den Weg für zwei internationale Abkommen bereitete – den globalen Pakt für Flüchtlinge und den globalen Pakt für Migration. Letzterer sollte Grundsätze, Verpflichtungen und Vereinbarungen für sichere, geordnete und reguläre Migration festschreiben – wie es die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen fordert. Knapp ein Jahr später zieht sich die neue US-Regierung unter US-Präsident Donald Trump aus diesem Prozess zurück. Was ist passiert?

Der Rückzug von Trump war zu erwarten

Es sollte eigentlich niemanden überraschen, dass Trump die Initiative für einen globalen Migrationspakt boykottiert. Diese Entscheidung steht im Einklang mit der konfrontativen Haltung Trumps gegenüber der Vereinten Nationen (UN) und seiner scharfen und rassistischen Abschottungspolitik. Nicht Multilateralismus sondern „My Country first!“ ist die Devise. Die migrationsfeindlichen Hardliner im Beraterkreis um Trump konnten sich gegen (noch) Außenminister Rex Tillerson und Nikki Haley durchsetzen. Beide wollten schon allein aus strategischen Gründen die Mitarbeit zu einem so frühen Zeitpunkt nicht aufkündigen. Nicht einmal ein Entwurf für den Migrationspakt liegt derzeit auf dem Tisch. Mit ihrem Boykott verpassen die USA die Chance, die zukünftige Flüchtlings- und Migrationspolitik mitzugestalten.

Ein weiteres Obama Projekt verabschieden

Trumps Boykott lässt sich nicht mit rationaler Verhandlungslogik erklären, sondern vielmehr mit seiner Abscheu gegenüber der Politik seines Vorgängers. Als sich im September 2016 die 193 UN-Staaten auf die zwei globalen Pakte einigten, nutzte Obama die Gelegenheit, sich ein letztes Mal als Führer der Weltgemeinschaft zu inszenieren. Der trump‘sche Ausstieg ist daher ein symbolischer Akt gegen seinen Vorgänger. So zeigt sich auch in der Migrationspolitik wieder einmal eine US-Außenpolitik ohne Strategie und Kompass.

Warum gerade jetzt?

Bis vor kurzem hatte „Saurons Auge“, wie ein europäischer Diplomat Trump hinter vorgehaltener Hand nannte, den Migrationspakt noch nicht ins Visier genommen. Es gab schließlich genug andere Krisen. Doch Anfang Dezember trafen sich über 130 Staaten in Mexiko, um eine neue Phase in der Erarbeitung des Globalen Pakts für Migration einzuläuten. Nur zwei Tage vor Beginn des Treffens informierte die US-Botschafterin Nikki Haley den UN-Generalsekretär über das Fernbleiben der US-Delegation. Bei den bisherigen öffentlichen Konsultationen, an denen nicht nur Staaten, sondern tausende Vertreter_innen aus Wissenschaft, Privatwirtschaft, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, lokalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie Migrant_innen und Geflüchtete selbst beteiligt waren, waren die USA allerdings auch nicht sonderlich aufgefallen. Die US-Delegation schien keine klare Weisung aus Washington gehabt zu haben.

Jetzt ist allerdings die Konsultationsphase vorbei. Im nächsten Schritt soll Bilanz gezogen und entschieden werden, was in den Migrationspakt rein soll und was nicht. Ab Februar 2018 beginnen die eigentlichen Verhandlungen zwischen den Staaten, die bis Juli 2018 abgeschlossen sein sollen. Auf dem Globalen Forum für Migration und Entwicklung im Dezember 2018 in Marrakesch soll der Pakt dann feierlich verabschiedet und Aktionspläne verkündet werden.

Macht ein Migrationspakt ohne die USA Sinn?

Natürlich belasten Trumps einwanderungsfeindliche Rhetorik und der Rückzug der USA aus den Gesprächen deren Beziehungen zur UN. Die USA sind Einwanderungsland Nummer eins - vor Deutschland. Knapp 17 Prozent der Erwerbstätigen in den USA sind Einwanderer_innen. Außerdem haben die USA traditionell eine Führungsrolle im internationalen Flüchtlingsschutz inne, betreiben u. a. das größte UNHCR-Umsiedlungsprogramm. Aber damit ist es laut Trump nun vorbei.

Allerdings hat der US-Ausstieg aus dem Migrationspakt unter Umständen auch positive Effekte. Lange war es unklar, was Trumps Außenpolitik konkret für den Flüchtlingsschutz und für die beiden Pakte bedeutet. Viele vermuteten, dass die US-Regierung pünktlich zu den Verhandlungen aufwachen und sie zu torpedieren versuchen würde. Der frühe Rückzug vor dem eigentlichen Start der Verhandlung über den Migrationspakt könnte daher eine Chance für konstruktive Gespräche und verlässliche Absprachen sein. Ähnlich wie beim Pariser Klimaabkommen besteht also kein Grund zum Verzweifeln. Im Gegenteil: Ohne die USA besteht die Hoffnung, dass eine solide Grundlage für eine globale Migrationspolitik gelegt wird.

Hingegen wollen sich die USA an der Erarbeitung des Globalen Pakts für Flüchtlinge weiter beteiligen – das ist prinzipiell positiv, könnte aber noch zu Problemen führen.

Disziplinierungs- statt Dominoeffekt?

Wie nach dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen folgt nach dem Schock der Trotz. Die Arbeit am Pakt geht weiter, auch ohne die US-Amerikaner – so die Botschaft aus dem Treffen in Mexiko. Der US-Rückzug könnte sogar die Staaten disziplinieren und sie antreiben, den historischen Moment nicht verstreichen zu lassen, an dem erstmalig ein globales Rahmenwerk für Migration geschaffen werden könnte. Zudem steigt der Druck von nichtstaatlichen Akteuren wie Privatwirtschaft, Gewerkschaften und NGOs. Auch Städte bilden globale Allianzen, die oft diametral der Politik der nationalen Regierungen entgegenstehen. An einem Scheitern des Migrationspaktes sind nur wenige dieser vielfältigen Akteure interessiert.

In einem Prozess ohne die USA sprechen zudem nicht wenige Beobachter_innen Deutschland eine Führungsrolle zu. Die deutsche Regierung strebt weiterhin einen Pakt an, der nicht nur ein klares Rahmenwerk für sichere, geordnete und reguläre Migration schafft, sondern auch einen Aktionsplan für dessen Umsetzung, samt Instrumenten und Mechanismen enthält. Ob eine deutsche Führungsrolle ohne neue Regierung möglich ist, bleibt abzuwarten.

Außerdem besteht die Gefahr, dass einige Staaten nach der Verabschiedung des Paktes die Umsetzung schleifen lassen. Denn der Migrationspakt wird kein völkerrechtlich bindender Vertrag sein, sondern nur politische Absprachen enthalten. Das heißt, seine Umsetzung hängt maßgeblich vom politischen Willen ab. Insbesondere bleibt es abzuwarten, wie die lateinamerikanischen Staaten auf den US-Boykott reagieren. Denn ohne die USA macht ein globales Rahmenwerk für sie nur wenig Sinn.

Wir stehen erst am Anfang einer globalen Migrationspolitik

Kein Staat könne Wanderungsbewegungen alleine regeln, betonte der Präsident der UN-Vollversammlung, Miroslav Lajcak nach dem Rückzug der USA. Ausgehend von dieser Erkenntnis entsteht derzeit eine globale Migrationspolitik samt UN-Strukturen, Prinzipien und Regeln. Sich dieser Entwicklung komplett zu entziehen wird schwer, denn auch die UN-Nachhaltigkeitsziele fordern die Staaten auf, ordentliche, sichere, reguläre und verantwortungsvolle Migration und Mobilität von Menschen zu erleichtern – unter Einhaltung aller bereits existierenden völkerrechtlichen Standards und Konventionen. Der Migrationspakt wird lediglich den Rahmen schaffen, in dem Koalitionen aus Herkunfts-, Transit- und Zielländern zusammen mit nichtstaatlichen Akteuren konkrete Projekte anschieben können.

Für den Moment geht die Welt in der Migrationspolitik ohne Trump voran. Und das ist vielleicht auch besser so.

 

Kontakt in der FES: Felix Braunsdorf, Referent für Migration und Entwicklung

 


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