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Zukunft erproben: Dossier zur Theaterarbeit in Ostdeutschland

Impulse für eine gesellschaftspolitische Debatte

Die Theater sind Folie für aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen, Widersprüche, stehen aber auch für großes Engagement und Gestaltungsräume in unserer Gesellschaft.


    Medienresonanz


    Die Friedrich-Ebert-Stiftung möchte mit diesem Dossier die verschiedenen Aspekte der Theaterarbeit in Ostdeutschland näher beleuchten und Impulse für eine gesellschaftspolitische Debatte setzen. In Essays und in zahlreichen Gesprächen berichten Intendant*innen und kulturpolitische Akteure von Arbeitsbedingungen, von strukturellen Herausforderungen, Potenzialen und Reformbedarfen an den Theaterhäusern. Gerade in ländlichen, strukturschwachen Räumen gehört das Theater mitunter zu den letzten öffentlichen Räumen im Ort. Längst denken die kulturpolitischen Akteure über ein Theater der Zukunft nach. Wir fragen:

    • Wo stehen wir bundesweit eigentlich in puncto Repräsentation von Ostdeutschen in der künstlerischen Leitung von Theaterhäusern mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung?
    • Wo genau sind (noch) Hürden, wo fängt die “gläserne Decke” für Ostdeutsche an?
    • Und wie blicken Intendant*innen auf die Zukunft der Theater und der politischen Öffentlichkeit in (Ost)Deutschland, was können künftige Funktionen, Strukturen und Rollen der Theaterhäuser – gerade in ländlichen Räumen – sein?

    Ausgangspunkt des Dossiers bildet eine Datensichtung zum Thema Repräsentation von Ostdeutschen in den künstlerischen Intendanzen der Darstellenden Künste in der Spielzeit 2023/2024, die Hürden konkret benennen und lokalisieren kann:

    Ostdeutsche sind als Intendant*innen nach wie vor nur zu 5,6 Prozent an Theaterhäusern in den alten Bundesländern vertreten, in fünf der alten Bundesländer fehlen sie ganz. An großen Theaterhäusern mit über 1000 Plätzen ist lediglich eine ostdeutsche Intendanz zu finden, ähnlich sieht es derzeit in einer Großstadt wie Berlin an den großen Bühnen und freien konzeptionsgeförderten Spielstätten aus.

    Ostdeutsche Intendant*innen sind überwiegend an kleineren Häusern, in kleineren Städten und vor allem in Ostdeutschland zu finden. Ein Aufstieg in die höheren Leitungs- und Entscheidungspositionen in unserer Gesellschaft scheint nach wie vor in vielen Bereichen an bestimmte soziale Netzwerke und ökonomische Mittel geknüpft zu sein.

    In den begleitenden Interviews des Dossiers erzählen ostdeutsche Intendant*innen von ihren persönlichen Werdegängen, von Schwierigkeiten, intensiver Arbeit, Ausdauer, aber auch von “unwahrscheinlichen” Glücksfällen und einem großen Gestaltungswillen an den Theatern.

    Herausgegeben von Franziska Richter für die Friedrich-Ebert-Stiftung, Referentin Kultur&Politik // Politik in Ostdeutschland.

    Interviews mit:

    Julien Chavaz, Generalintendant Theater Magdeburg - Dr. Ute Lemm, Intendantin Schleswig-Holsteinisches Landestheater -  Andris Plucis, künstlerische Leitung und Ballett, Theater Eisenach - Lukas Rietzschel, Autor - Sabine Rennefanz, freie Journalistin - Carena Schlewitt, Intendantin HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste - Sven Schlötcke, Mitglied der kollektiven künstlerischen Leitung und Geschäftsführer Theater an der Ruhr - Hasko Weber, Generalintendant Deutsches Nationaltheater und Staatskapelle Weimar, Co-Vorsitzender der Intendantengruppe Deutscher Bühnenverein - Jessica Weisskirchen, Regisseurin und Vorstand ensemble-netzwerk - Franziska Werner, ehemalige Intendantin Sophiensaele

    Essays/ Exkurse von

    Daniel Blochvitz, Kurator - Anica Happich, Festivalkuratorin und kulturpolitische Akteurin - Dr. Torben Ibs, Journalist, Dramaturg, Theaterwissenschaftler - Laura Kiehne, Mitglied ensemble-netzwerk - Dr. Peggy Mädler, Autorin, Dramaturgin - Ralph Reichel, Intendant Volkstheater Rostock - Carsten Schneider, Staatsminister, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland - Therese Schmidt, Regisseurin - Claudia Schmitz, geschäftsführende Direktorin Deutscher Bühnenverein - Anna Volkland,  Dramaturgin und Theaterwissenschaftlerin

    in der 2., erweiterten Auflage neue Interviews/Essays von

    Johannes Kirsten, leitender Dramaturg Maxim-Gorki-Theater, Mai-An Nguyen, Leiterin Tanzpädagogik der Schaubühne und Martin Stefke, Chefdramaturg des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz/Zittau

     

    Redaktionsteam:

    Dr. Peggy Mädler, Autorin und Dramaturgin, Therese Schmidt, Regisseurin, Franziska Richter, Friedrich-Ebert-Stiftung

    Lektorat: Annett Gröschner, Autorin; Dr. Christian Jerger, ad-litteras (2. Auflage).

    Beratung: Wenke Seemann, Sozialwissenschaftlerin


    Zukunft erproben: Theaterarbeit findet in der Gegenwart statt, in die immer auch die Vergangenheit hineinragt. Vom Hier und Jetzt aus wird Zukunft gedacht, geprobt, erprobt. In der künstlerischen Auseinandersetzung werden gesellschaftliche und soziale Beziehungen reflektiert und vorausschauend ausprobiert. Theater sind Begegnungsräume, Streit- und Konflikträume, manchmal auch magische Räume, die uns in andere Perspektiven hinein verhelfen. An den Proben von Inszenierungen sind viele verschiedene Menschen beteiligt. Auftretende Fehler, Differenzen und Konflikte werden im besten Fall als Voraussetzung für späteres Gelingen verstanden, Fragmente und Frakturen in neue Zusammenhänge gebracht.

    Ausgewählte Ergebnisse


    Ausgewählte Zitate

    Bedeutung der Theater vor Ort

    Das, was mich überrascht hat, ist die enge Beziehung der Menschen zu ihrem eigenen Theater. Sie sind stolz auf das Ensemble. Sie sind stolz, dass man es mit der Schule schon besucht hat. Man besucht es dann wieder als Eltern und kauft Karten für das Weihnachtsmärchen. Diese sehr enge, fast familiäre Beziehung mit dem Theater der Stadt finde ich in Deutschland, und vor allem in Ostdeutschland, ausgeprägt und schön. Julian Chavaz, Theater Magdeburg
    Ich finde sogar, in der Provinz in den Theatern geschehen die eigentlich spannenden Sachen. Wie funktioniert eine Gesellschaft, wie funktioniert eine Wirtschaft, wenn alles weniger wird und wir im Gegenteil immer alles auf Wachstum ausrichten? Auch das sind Fragen, die in der Kunst und in Theatern verhandelt werden können und sollen. Lukas Rietzschel, Autor
    Wenn man für zwei Stunden ins Theater und nicht an sein Handy geht und es uns gelingt, gute Kunst zu zeigen, dann ist das etwas sehr Sinnvolles. So gesehen ist Theater, das zum Glück nicht ganz so viel Ressourcen verbraucht und die Umwelt zerstört, gar kein so schlechtes Ding. Andris Plucis, künstlerische Leitung und Ballett, Theater Eisenach

    Ostdeutschland - Bilder

    Momentan ist es ja leider oft so, dass „der Osten“ am Rand vorkommt: „Ach ja, den Osten gibt es ja auch noch. Da muss man auch noch etwas tun.“ Ostdeutsche Themen und Perspektiven müssten aber selbstverständlich vorkommen, weil es eben auch Themen und Perspektiven dieses Landes sind. Carena Schlewitt, Intendantin HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste
    Ich denke immer: „Das ist unsere Aufgabe, das müssen wir machen! “: Gespräche anbieten und immer wieder auf der Bühne die Geschichten erzählen, wie sie wirklich gewesen sind, um das aufzufangen, um eine Art Kanalisation stattfinden zu lassen: „Ihr werdet gehört. Ihr werdet gesehen“. Bettina Jahnke, Intendantin Theater Potsdam

    Netzwerke und Repräsentation

    Es stellt sich natürlich immer die Frage: Wer sitzt wo in welchen Entscheidungspositionen? Bei der Besetzung von Leitungspositionen dominieren westdeutsch geprägte Netzwerke, ich denke, da schreibt sich auch in Teilen noch der politische und kulturelle Elitentransfer und Strukturwandel der 1990er Jahre fort. Franziska Werner, ehem. Intendantin Sophiensaele
    Gegen die Aussage, man findet niemanden, steht natürlich auch die Frage, wie aufmerksam man Entwicklungen in Ostdeutschland gegenüber ist, wie man mit Menschen, die in Ostdeutschland Theater machen, ins Gespräch kommt und wie die Findungsprozesse ablaufen. Bisher war es oft so, dass dezidiert Leute angesprochen und aufgefordert wurden, sich zu bewerben. Und da wurden natürlich nicht die Leute angesprochen, die man nicht kennt oder die nicht Teil eines Netzwerkes sind. Carena Schlewitt, Intendantin HELLERAU - Europäisches Zentrum der Künste

    Kooperationspartner

    Kontakt

    Franziska Richter

    Referentin „Politik in Ostdeutschland“ und „Kultur&Politik“
    im Referat „Demokratie, Gesellschaft und Innovation“

    030 269 35 7310
    030 269 35 9240

    Franziska.Richter(at)fes.de

    Öffentliche Präsentation des Dossiers

    am 8. November 2023

    im Theater Chamäleon in den Hackeschen Höfen

    Rosenthaler Platz 40/41

    zum Programm

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