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CFK überrascht Argentinien

Cristina Fernández de Kirchner verzichtet aus taktischen Gründen auf die Präsidentschaftskandidatur, um Mauricio Macris Wiederwahl zu verhindern.

Casa Rosada, Präsidentschaftspalast in Buenos Aires

Bild: Casa Rosada, Präsidentschaftspalast in Buenos Aires von Claudia Ehing, FES

Graffiti in Buenos Aires: "Macri für die Hand"

Bild: Graffiti in Buenos Aires: "Macri für die Hand" von Claudia Ehing, FES

 

Fragen an Dörte Wollrad, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Argentinien

 

Am 18.5.2019 gab Ex-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner (CFK) bekannt, bei den im Oktober anstehenden Wahlen werde nicht sie, sondern der gemäßigte Peronist Alberto Fernández als Präsidentschaftskandidat antreten – zusammen mit ihr als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft. Der Verzicht auf die mögliche Rückkehr ins höchste Amt im Staat kam absolut überraschend und bringt sämtliche Wahlprognosen ins Wanken.

 

Warum kam der Verzicht von CFK auf die Präsidentschaftskandidatur so überraschend?

CFK, von 2008 bis 2015 argentinische Präsidentin und Witwe des Präsidenten Nestor Kirchner (2003-2007), galt als gesetzte Anwärterin auf das Präsidentschaftsamt 2019. Ihr z. T. radikaler, z. T. taktischer Regierungsstil war zwar ursprünglich Auslöser für die Spaltung des Peronismus in den traditionellen und den linken Flügel, was letztlich in einer Protestwahl 2015 den nicht-peronistischen, konservativen Mauricio Macri und seine Koalition Cambiemos an die Macht brachte. In allen Umfragen hielt CFK dennoch stets ein Drittel der Wählergunst. Der wirtschaftliche und soziale Niedergang unter der Regierung Macri – mit einer Inflationsrate von jetzt 56 Prozent sowie steigender Arbeitslosigkeit, Armut und Außenschuld – enttäuschte die Hoffnung auf das Wechselversprechen der Koalition Cambiemos, löste aber keineswegs einen proportionalen Anstieg der Umfragewerte für CFK aus. Über 35 Prozent kam sie nie hinaus. Und so war sie zwar die aussichtsreichste Kandidatin der Opposition, gleichzeitig aber die einzige Stichwahloption, in der Macri die Wiederwahl hätte schaffen können. Denn die wachsende Gruppe der Wähler_innen, die weder für Macri noch für CFK waren, hätte sich in einer Stichwahl mehrheitlich wohl dann doch für Macri entschieden – nur um die Rückkehr der Ex-Präsidentin zu verhindern.

 

Wer ist der von CFK ernannte Präsidentschaftskandidat Alberto Fernández?

Mit Alberto Fernández (der übrigens nicht mit ihr verwandt ist) hat CFK eine intelligente Wahl für die Präsidentschaftskandidatur getroffen. Der Jurist war schon während der Präsidentschaft des Liberalen Raúl Alfonsín Vize-Wirtschaftsminister, dann Abgeordneter im Hauptstadtparlament und schließlich Kabinettschef unter Nestor Kirchner sowie zu Beginn der ersten Amtszeit von CFK. Als sich deren Positionen 2008 in einem Dauerkonflikt mit den Landbesitzer-Eliten über Exportsteuern radikalisierten, nahm Fernández seinen Hut und kritisierte fortan aus verschiedenen Ämtern heraus die Regierung CFK – so z. B. in Fragen der staatlichen Grundrente, der Verstaatlichung von strategischen Dienstleistungen und des Mediengesetzes gegen das private Monopol. 2013 schloss er sich der Partei seines Nachfolgers als Kabinettschef unter CFK, Sergio Massa, an – ein weiterer Kirchner-Abtrünniger, der den konservativen Peronismus in der Frente Renovador um sich zu scharen sucht. Seit vergangenem Jahr und in dem Maße, wie die Regierung Macri an Zustimmung verlor, bemüht sich Fernández jedoch wieder intensiv um die Einheit des Peronismus und wurde so zu einer Schlüsselfigur des Dialogs zwischen den Lagern.

 

Was steht hinter dieser Entscheidung von CFK?

Es ist der Versuch, den zutiefst gespaltenen Peronismus zu einen, die Wiederwahl von Mauricio Macri zu verhindern und die Mehrheiten zu erzielen, die in Krisenzeiten mit enormer Inflation, Rezession und Verschuldung die Regierbarkeit sicherstellen sollen.

Die Entscheidung von CFK dürfte im Regierungslager die schon bestehende Nervosität drastisch erhöhen. Laut Umfragen lehnten bereits im Januar 72 Prozent der Befragten die aktuelle Regierungspolitik ab, und nur 27 Prozent würden heute Macris Wiederwahl befürworten.

Aber auch den Sozialist_innen macht dieser Schachzug einen Strich durch die Rechnung. Da sie nur in einer Provinz, Santa Fe, an der Regierung sind und in den parlamentarischen Zwischenwahlen 2017 herbe Verluste einstecken mussten, versuchten sie, einen dritten Weg zu konstruieren, der jedoch ohne das hochpolarisierte Szenarium Macri gegen CFK unnötig und unattraktiver wird.

De facto dürfte Alberto Fernández vielen Unentschlossenen, die der grieta, der tiefen Spaltung und Polarisierung im Land, überdrüssig sind und weder noch gewählt hätten, als Kompromiss erscheinen. Mit seiner Nominierung wird ein Regierungswechsel sehr viel wahrscheinlicher. Nun gilt es, eine Welle der Kapitalflucht zu verhindern und mit dem IWF realistische Verhandlungsszenarien zu entwickeln, die eine Gesichtswahrung auf beiden Seiten und gleichzeitig Alternativen jenseits der Austerität ermöglichen.


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