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Kurz vor dem Beginn der WM in Katar nimmt die öffentliche Diskussion nochmal an Fahrt auf; die FES beteiligt sich durch mehrere differenzierte Beiträge mit dem Ziel einer Versachlichung der Debatte.
Am 20. November beginnt die Fußballweltmeisterschaft der Herren in Katar und damit die wohl umstrittenste WM aller Zeiten. Seit der Vergabe 2010 sieht sich der Gastgeber der internationalen Kritik ausgesetzt, angefangen bei Korruption bei der Vergabe bis zu Verstößen gegen die Kernarbeitsnormen der ILO, insb. Art. 29 und 105, die ausbeuterische Arbeitsbedingungen von Arbeitsmigrant*innen auf den Baustellen der WM-Stadien und darüber hinaus zur Folge haben, Menschenrechtsverletzungen und der nach wie vor bestehenden diskriminierenden Gesetzgebung gegenüber Minderheiten.
Katar steht deshalb im Fokus der internationalen medialen Berichterstattung und ist ins Visier zivilgesellschaftlicher und menschenrechtlicher Organisationen sowie internationaler Gewerkschaften gerückt. Während die mediale Debatte überwiegend stark polarisierend geführt wird, äußern sich die zivilgesellschaftlichen, wissenschaftlichen und gewerkschaftlichen Akteure mitunter differenzierter zu einzelnen Aspekten: So werden beispielsweise die Reformen von Arbeitnehmer*innenrechten in Katar, etwa die Reform des als Kafala bezeichneten Vormundschaftssystems, im Kontext der Skandalisierung der WM durchaus gewürdigt, gleichzeitig wird die Umsetzung der Reformen und ihre perspektivische Verstetigung auch über die EM hinaus kritisch begleitet sowie der späte Beginn des Reformprozesses Jahre nach der Vergabe angeprangert.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist über ihr regionales Gewerkschaftsprojekt für Nordafrika und den Mittleren Osten in Tunis mit arabischen Gewerkschaftsvertreter*innen der gesamten Region in engem Austausch. Partnergewerkschaften aus den Ländern Bahrain, Oman und Kuweit berichten uns selektiv von positiven gesellschaftspolitischen Veränderungen in den Golf-Staaten auch über Katar hinaus. Auch der globale Dachverband der Bau- und Holzverarbeitenden Industrie, der in Katar aktiv in die Aushandlung von Arbeitnehmer*innenrechte involviert ist, bestätigt positive Veränderungen, die trotz offensichtlich nach wie vor bestehender Defizite wichtige Impulse und Referenzpunkte für weitergehenden Reformen in der Golfregion darstellen könnten.
Es ist zu erwarten, dass die Auseinandersetzung über eine angemessene politische Haltung gegenüber Katar und den Golf-Staaten über die WM hinaus bestehen bleiben wird, insbesondere auch in Anbetracht der von der Bundesregierung angestrebten Energie-Importe aus Katar und Saudi-Arabien und in Erwartung weiterer internationaler Großveranstaltungen am Golf wie beispielsweise der UN-Klimakonferenz 2024 in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Das Referat Naher/Mittlerer Osten und Nordafrika der FES hat sich auch deshalb mit den verschiedenen Aspekten der Kritik an Katar beschäftigt und unterschiedliche Perspektiven eingenommen, um einen Beitrag zur Versachlichung des polarisierten Diskurses zu leisten. Anfang September fand eine Podiumsdiskussion zu Katar und die WM: Chancen und Risiken statt, in der Vertreter*innen von Amnesty International sowie der Sektorgewerkschaft Bau- und Holzarbeiter Internationale, die ehemalige Trainerin der Katarischen Frauenfußball-Nationalmannschaft Monika Staab, sowie die sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion Sabine Poschmann nicht nur über Katar, sondern auch mit Katar diskutierten - in Person des Generalsekretärs des für die Austragung zuständigen Katarischen Supreme Committee Hassan Al-Thawadi. Eine kurze Zusammenfassung der Veranstaltung findet sich hier.
Eine Studie zur „Kritik der politischen Ökonomie Katars“ setzt den Fokus auf die Analyse und normative Einordnung der sozialen Menschenrechtslage vor dem Hintergrund der politischen Ökonomie des Golfstaates. In einer Reihe von vier Beiträgen in der IPG widmen sich schließlich verschiedene AutorInnen über den Verlauf der WM hinweg weiteren Aspekten der Diskussion: beleuchtet werden die gewachsene geopolitische Bedeutung der Golfmonarchien, die Politisierung von Fußball aber auch die Möglichkeiten, die diese WM bieten kann. Den Abschluss bilden ein Interview, in dem der Blick der arabischen Welt auf die WM eingenommen wird, sowie ein Artikel über die Lehren der WM für die deutsche Außenpolitik.
Beck, Martin
Zur Debatte über soziale Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft 2022 / Martin Beck. - La Marsa : Friedrich-Ebert-Stiftung, Regionalprojekt Gewerkschaftskoordination und Soziale Gerechtigkeit, August 2022. - 21 Seiten = 230 KB, PDF-File. - (Studie). - (Arbeit und soziale Gerechtigkeit)Electronic ed.: Tunis : FES, 2022
Zum Download (PDF) (230 KB, PDF-File)
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