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Referat Naher/Mittlerer Osten und Nordafrika

Es geht um den Fisch

Der Wahlausgang in Großbritannien wird die Brexit-Verhandlungen nicht eben vereinfachen. Wirtschaftlich wird er nicht nur Auswirkungen auf den Finanzsektor und die große Industrie haben. Gerade im scheinbar Kleinen zeigt sich, wie weitgehend der Brexit wirken könnte.

Bild: Herring von Thomas Quine lizenziert unter CC BY-SA 2.0

Der Hering ist selten Gegenstand politischer Debatten. In diesen Tagen jedoch ist er es und das zeigt eine ganze Menge über die Auswirkungen des Brexit. Der nämlich bedroht die deutschen Fischer_innen: Weil der in Deutschland verarbeitete Hering fast ausschließlich aus britischen Nordseegebieten stammt, fürchtet die Fischindustrie um die bislang existierenden Fischereirechte in den Gebieten. Mit dem Austritt aus der EU könnte Großbritannien den EU-Ländern die Einfahrt in die 200-Seemeilen-Zone verbieten. Das wäre wohl das Ende des in Deutschland verarbeiteten Herings.

Das mag ein bisschen klein und witzig klingen, zeigt aber, wie weitgehend die Auswirkungen des britischen EU-Austritts sind. Besonders betroffen wäre beispielsweise das nicht gerade als Industriestandort gesegnete Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, wo in den Fischereifabriken ganz überwiegend Hering aus britischen Gebieten verarbeitet wird. Unter anderem deswegen hatte das nordöstlichste Bundesland schon Ende März in einer Bundesratssitzung darauf gedrängt, dass die Länder in die Brexit-Verhandlungen einbezogen werden.

Fast 400 Briten in Mecklenburg-Vorpommern

Betroffen vom Brexit sind derweil nicht nur die Heringe und die sie verarbeitende Industrie in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch die rund 400 Bürger_innen, die sowohl im Nordosten als auch in Großbritannien leben. Einer von ihnen ist Philip Ward. Er arbeitet als Übersetzer und Englischlehrer in der Landeshauptstadt Schwerin und ist Vorsitzender der Deutsch-Britischen Gesellschaft in Mecklenburg-Vorpommern. „Ich fühle mich als Europäer“, sagt er. Der Brexit habe ihn zwar überrascht, doch sei der Austritt bei genauerer Analyse durchaus absehbar gewesen.

„Die EU-Mitgliedschaft war nie eine britische Herzensangelegenheit“, sagt Ward auf einer Veranstaltung des Landesbüros der FES in Schwerin. Unter dem Titel „Der Brexit - Ursachen und Konsequenzen für Großbritannien und Europa“ hatte das Büro zur Diskussion geladen.

Neben Ward war auch Nick Leake, Botschaftsrat und Leiter der Abteilung EU und Wirtschaft der britischen Botschaft in Berlin, nach Schwerin gekommen. Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt noch bevorstehende Wahlen in Großbritannien hielt er sich mit einer politischen Bewertung der Lage zurück, verwies aber ebenso auf die politisch schwierige Situation, die nun in den Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU geregelt werden müsse.

Mehr als Hering

Dass die Auswirkungen auch auf ein kleines Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern in einem vernetzten Europa groß seien, darauf verweist Jascha Dopp, der im Innenministerium als Referatsleiter für Europafragen verantwortlich ist. Die Auswirkungen des Brexit lägen in vielen Bereichen, ob dies den Handel, die Wissenschaft, die Agrarpolitik oder eben die Fischerei beträfe.

Vorsichtigen Optimismus verbreitet indes Dr. Friedhelm Meyer zu Natrup. Der Politikwissenschaftler von der Universität Rostock verweist auf die Notwendigkeit eines sozialen Europas: „Der Brexit ist auch eine Chance für Modernisierung und Veränderung der Europäischen Union“. Die Zukunft des Verhältnisses Großbritanniens zu Kontinentaleuropa wird sich in den nächsten Jahren entscheiden. Mit weitreichenden Auswirkungen – auch auf Mecklenburg-Vorpommern. Und den Hering.

Ansprechpartner in der Stiftung:

Frederic Werner

Weiterführende Links:

Florian Ranft: Labours Zwickmühle.


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