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Aus der Praxis einer Anwältin für Gewaltschutz. Ein Beitrag von Asha Hedayati.
Bild: woman leaning on window von Dương Nhân / pexels lizenziert unter CC0
Die Berliner Anwältin Asha Hedayati zeigt anhand eines Falles aus ihrer Berufspraxis, wie sich Corona auf von Gewalt betroffene Frauen auswirken kann und was einen besseren Gewaltschutz jenseits von Soforthilfen ermöglicht: Geschlechtergerechtigkeit. Hier ihr Bericht:
Es ist das dritte Mal innerhalb der letzten sechs Monate, dass wir miteinander sprechen und die gleichen Fragen durchgehen. Maria* möchte sich trennen, ein neues Leben beginnen, frei von Gewalt und Bedrohung. Schon letztes Jahr hat sie sich hierzu beraten lassen. Den endgültigen Schritt hat sie noch nicht getan. Sie fühlt sich abhängig, sagt sie, emotional, aber auch wirtschaftlich. Die letzten Jahre war die Aufteilung klar: Sie bekommt die Kinder und fängt danach wieder an, in Teilzeit zu arbeiten.
Ein Modell, was viele Familien kennen: Mehr als Zweidrittel der Mütter arbeiten in Teilzeit. Die restliche Zeit wird für Hausarbeit und Kinderbetreuung aufgewendet. Nur, dass diese Tätigkeiten unbezahlt bleiben. Für Frauen ergeben sich dadurch massive wirtschaftliche Nachteile: Sie führen dazu, dass die Frauen im Falle einer Trennung sich und ihre Kinder nicht allein ernähren können. Erschwerend kommt hinzu, dass die als ‚weiblich‘ typisierten Berufe deutlich schlechter bezahlt werden. Die daraus resultierenden niedrigeren Einkommen führen zu niedrigeren eigenständigen Alterssicherungsansprüchen.
Diese Entwicklung wird sich während der Corona-Pandemie noch weiter verschärfen. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass vor allem Mütter – nicht Väter - ihre Arbeitszeiten verringern oder ihre Arbeit vollständig aufgeben, um die durch die Schließung der Kitas und Schulen notwendig gewordene zusätzliche Care-Arbeit zu übernehmen. Unbezahlt. Expert_innen gehen von einem enormen Rückschlag für die Gleichberechtigung von Frauen durch die Coronakrise aus.
Diese ungleichen Geschlechterverhältnisse und die strukturelle Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt haben massive Folgen für Partnerschaften, in denen Gewalt gegen Frauen ausgeübt wird. In Deutschland waren im Jahr 2018 114.393 Frauen von Partnerschaftsgewalt betroffen. 122 Frauen wurden durch Partnerschaftsgewalt getötet. Im Jahr 2019 sind die Zahlen gestiegen.
Für 2020 liegen die Zahlen noch nicht vor, werden aber auch aufgrund der Coronakrise vermutlich weiter steigen, denn für manche Mütter und Kinder ist das Zuhause der gefährlichste Ort, der eine Bedrohung für Leib und Leben darstellt. Gesellschaft und Politik versuchen daher, durch Schaffung neuer Schutzräume und der Verbreitung von Hilfetelefonnummern gegen die steigenden Zahlen von Partnerschaftsgewalt und häuslicher Gewalt vorzugehen. Das ist wichtig und gut, aber die Coronakrise verschärft noch einmal mehr den Blick darauf, was in den letzten Jahren versäumt wurde, denn häusliche Gewalt ist keine Besonderheit der Pandemie.
Es gab sie schon vorher, und ein wesentlicher Faktor erschwert seit jeher die Befreiung aus der Situation: Solange Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden und – auch deshalb - Care-Arbeit nicht gleichberechtigt zwischen Frauen und Männern verteilt ist, solange Alleinerziehende nicht steuerlich entlastet werden, kurzum: Solange es keine echte Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft gibt, wird es weiterhin Partnerschaftsgewalt geben, von der sich die Frauen nicht so einfach befreien können, weil sie sich wirtschaftlich abhängig fühlen von ihren Partnern.
Diese Abhängigkeit ist in der jetzigen Situation der Pandemie sicherlich nicht der einzige, aber einer der Gründe dafür, dass zwar die Zahl der Notrufe steigen, aber gleichzeitig die Anzahl der Anzeigen weitaus weniger angestiegen ist. Die Frauen heben sich die Entscheidung für ihre Trennung auf die Zeit nach den Lockerungen auf; dann, wenn die Kinder wieder regulär die Kita oder die Schule besuchen können und den Frauen mehr Zeit bleibt, ihre berufliche und private Situation zu organisieren.
Zurück zu Maria: Die Angst davor, keine Miete mehr zahlen zu können, keine bezahlbare Wohnung mehr zu finden, mit ihren Kindern Sozialleistungen beziehen zu müssen, hindert sie noch daran, den endgültigen Schritt aus der Beziehung zu wagen. Jetzt, wo noch die Pandemie hinzugekommen sei und sie nicht sicher weiß, ob sie als Alleinerziehende ihre Teilzeitstelle weiter ausüben könne, verschiebt sie die endgültige Entscheidung. Maria werde sich melden, sagt sie, wenn bessere Zeiten kommen.
* Der Name ist fiktiv.
Eine Positionierung aus Argentinien von Silvia Augsburger.
Wie kann Opfern von häuslicher Gewalt während der COVID-19 Pandemie geholfen werden? Ein Beitrag von Mari Davtyan.
Leitung
Elisabeth Braune
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