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Migrantische Hausangestellte müssen sich weiterhin für Arbeitsrechte und gegen bestehende Machtdynamiken organisieren, so auch im Libanon.
Der Internationale Frauentag hat seinen Ursprung in der ersten Welle der Frauenbewegung. Da der Feminismus damals vor allem die grundsätzliche Forderung des Frauenwahlrechts stellte, konzentriert sich der Diskurs rund um diesen „Feiertag“ auch heute noch häufig auf die gesetzlichen Ansprüche, die Frauen im Kapitalismus erkämpft haben, und vernachlässigt den grundlegenden Zusammenhang zu wirtschaftlicher Gerechtigkeit. Dabei wird leicht vergessen, dass die Initiator_innen des Weltfrauentags sozialistischen Bewegungen angehörten, die für die Abschaffung der Lohnsklaverei und Leibeigenschaft von Frauen kämpften.
Auch ein Jahrhundert später wird Hausarbeit weiterhin geringgeschätzt und nicht als vollwertige Arbeit anerkannt. Selbst wenn diese Form der Arbeit entlohnt wird, wird sie oftmals weit unter Wert vergütet; da zudem eine angemessene Regulierung fehlt, sind viele Arbeiter_innen prekären Verhältnissen ausgesetzt.
Eine zusätzliche Dimension erhält diese Problematik durch Migration: Da Hausarbeit für Arbeitsmigrant_innen eine deutlich wichtigere Beschäftigungsquelle ist als für ortsansässige Arbeitnehmer_innen (ILO, 2015), entstehen gleich mehrere Schichten ausbeuterischer Praktiken. So dient in mehreren Ländern des Nahen Ostens und der Golfregion das Kafala-System als Rahmenregelung für migrantische Hausangestellte und gleichzeitig als eindrückliche Illustration eines komplexen Netzwerks der Unterdrückung. Zahlreiche Organisationen und Gruppen bezeichnen dieses Bürgschaftssystem als Form moderner Sklaverei und weisen hierbei insbesondere auf die Gewalt hin, der migrantische Hausangestellte ausgesetzt sind.
Kritik am Kafala-System richtet sich jedoch oftmals ausschließlich gegen humanitäre Verstöße und Missbrauchsfälle und übergeht dabei die umfassenderen Belange von Klassenverhältnissen und Arbeitsrechten. Internationale Geldgeber_innen und die von ihnen unterstützten NGOs stellen migrantische Hausangestellte häufig als zu rettende Opfer dar und entwickeln dementsprechend Projekte, die auf ein kurzzeitiges Rahmenwerk von „Schutz und Hilfe“ ausgelegt sind. Werden die Erfahrungen migrantischer Hausangestellter aber als spezifisch oder als Ausnahme gehandhabt, können wir sie weniger klar als wesentlichen Bestandteil des übergreifenden Kampfes gegen die systemische Ausbeutung von Arbeiter_innen anerkennen.
Wie eine Studie der libanesischen NGO Anti-Racism Movement (ARM) von 2023 hervorhebt, kommt hinzu, dass migrantische Hausangestellte in einem Land wie Libanon, wo Hausarbeit als informelle Arbeit gilt und somit nicht unter das Arbeitsrecht fällt, keine Gewerkschaften oder Verbände gründen oder diesen beitreten dürfen. Selbst die bestehenden libanesischen Gewerkschaften betrachten migrantische Hausangestellte nicht als „wirkliche Arbeiter_innen“ und schließen sie somit von der organisierten Arbeiterbewegung aus. So soll ein Präsident des libanesischen Gewerkschaftsverbands CGTL gesagt haben: „Erwarten Sie wirklich von mir, meine Bedienstete in Hinblick auf Lohn und Rechte mit einem libanesischen Arbeiter gleichzustellen?“ (Kobaissy, 2017).
Derart gefangen zwischen stark ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, einem durch NGOs auferlegten Opferstatus und der Marginalisierung durch die traditionelle Arbeiterbewegung haben migrantische Hausangestellte es trotzdem geschafft, sich zu organisieren und gemeinschaftlich für ihre Rechte einzutreten. In Libanon bilden migrantische Hausarbeiter_innen schon seit den 1980er-Jahren interne Netzwerke gegenseitiger Unterstützung und Solidarität. Mit der Zeit haben sich diese Netzwerke vergrößert und mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Aktivist_innen verbunden, wodurch einige der beschriebenen Hürden bewältigt und die eigene Interessenvertretung aufgenommen werden konnte.
Die Bemühungen um derlei Selbstorganisation sind Gegenstand zweier Studien von 2023, Historicizing migrant domestic workers' community organizing and class struggle in Lebanon des ARM sowie Testimonies of migrant women community organizers in Lebanon der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Als Fallbeispiel im Rahmen der FES-Studie erklärt beispielsweise Sarah, eine migrantische Hausarbeiterin aus Madagaskar, die seit 27 Jahren in Libanon arbeitet: „Mein Aktivismus begann im Haus meines Arbeitgebers.“ Da sie fließend Französisch und Englisch spricht, konnte Sarah ihren Arbeitsvertrag lesen und verstehen – ein Privileg, das vielen versagt bleibt. Sich dieses Vorteils bewusst, erklärte sie immer mehr anderen migrantischen Hausarbeiter_innen deren Verträge und unterstützte sie dadurch in ihrem Verständnis der eigenen Rechte. Sarahs Engagement in der Gemeinschaft wuchs stetig an, bis sie schließlich selbst zur Aktivistin wurde.
Andere Aktivismusformen sind strukturierter, etwa die in der ARM-Studie erwähnte Gruppe Egna Legna, deren Name auf Amharisch „Von uns, für uns“ bedeutet. 2017 von äthiopischen Hausarbeiter_innen in Libanon gegründet, versteht sich Egna Legna als feministische Organisation zur gegenseitigen Hilfestellung und hat in der Benennung einer Vielzahl sozialer, wirtschaftlicher, kultureller und politischer Probleme eine entscheidende Rolle eingenommen. Die Organisation bietet Unterkunft, Rechtshilfe, Essen, Medizin und Schulungen für einkommensschaffende Maßnahmen. Zusätzlich setzt sie sich dafür ein, dass die Rückkehr in die Heimatländer schneller möglich ist und organisiert Veranstaltungen zur Stärkung der Gemeinschaft. Durch informelles politisches Organisieren und Sensibilisierungskampagnen engagiert sich Egna Legna zudem aktiv gegen das Kafala-System. Die Organisation finanziert sich durch Crowdfunding, internationale Spenden und Partnerschaften mit anderen Organisationen, arbeitet mit feministischen Gruppen in ganz Libanon und stellt ihre Dienstleistungen mittlerweile auch nicht-äthiopischen Hausarbeiter_innen zur Verfügung.
Aus den beiden genannten Studien und 2023 geführten Gesprächen mit migrantischen Hausarbeiter_innen in Libanon wird ersichtlich, dass viele der dort tätigen migrantischen Initiativen informell handeln, ohne offiziellen Status oder festgelegte Verfahren. Wenngleich diese Flexibilität reaktions- und anpassungsfähiger machen mag, kann sie Probleme aufwerfen, wenn die Gruppen sich festigen. Eine Formalisierung voranzutreiben ist jedoch auch nicht immer die richtige Antwort, da sich die Organisationen an die Bedürfnisse ihrer Mitglieder anpassen können müssen. Hinzu kommt, dass derlei Gruppen häufig Hindernissen begegnen, sobald sie Unterstützung von internationalen oder örtlichen NGOs erhalten, da Letztere oftmals wichtige Aspekte der Bemühungen der Betroffenen übersehen und sich ohne eine wirkliche Rücksprache für deren Belange einsetzen. Hier zeigt sich, dass es in der Interessenvertretung von Arbeiter_innen einen radikaleren Ansatz braucht, der tiefverwurzelte Machtstrukturen angeht und die Stimmen marginalisierter Arbeiter_innen hörbarer macht. Anzuerkennen, dass sich sämtliche dieser migrantischen Gruppen für umfassendere Arbeiter_innenrechte engagieren, unabhängig von einer formellen Gewerkschaftszugehörigkeit, ist ein wichtiger Schritt, um repressive Systeme abzubauen und echte soziale Gerechtigkeit zu erreichen.
Der fortwährende Kampf migrantischer Hausangestellter dient zur Mahnung, wie dringlich wir eine alternative feministische Politik brauchen, die sich der Geschlechter- und Klassengerechtigkeit jenseits von Nationalität und ethnischer Zugehörigkeit verschreibt. Ebenso, wie sich diese Arbeiter_innen für ihre Befreiung von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen einsetzen, gebietet ihr Kampf eine Plattform für kollektives Handeln entlang emanzipatorischer Richtlinien, die über die Begrenzungen von Identitätspolitik und Opfernarrativen hinwegweisen.
Angesichts der Vorherrschaft des Kapitalismus und seiner neoliberalen Praktiken, innerhalb derer Arbeiter_innen- und Frauenbewegungen systematisch unterminiert werden, gilt es unbedingt anzuerkennen, wie diese Anstrengungen miteinander verbunden sind: Die Herausforderungen, denen sich migrantische Hausarbeiter_innen gegenübersehen, sind kein Sonderfall – sie sind Teil eines größeren gemeinschaftlichen Kampfes gegen die systemischen Missbräuche aller repressiven Herrschaftsformen.
Anlässlich des Weltfrauentags sollten wir dessen ursprünglichen Geist von Solidarität und gemeinschaftlichem Handeln wiederbeleben – so kann dieser Tag auch weiterhin als Impulsgeber für sozialen Wandel dienen. Es obliegt Gewerkschaften, internationalen Organisationen und örtlichen NGOs, ein feministisches Bewusstsein und Bewegungen an der gesellschaftlichen Basis zu fördern und sich auf diese Weise mit politischem feministischem Aktivismus zu solidarisieren. Im umfassenderen Kampf für Geschlechtergerechtigkeit wie für wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit müssen diese Organisationen die eigenen Schlüsselrolle anerkennen.
Aus dem Englischen von Sabine Wolf.
Friedrich Ebert Stiftung - Political Feminism [&] Promoting Migration Government. - Lebanon ; Tunisia : Friedrich-Ebert-Stiftung, Regional Political Feminism and Gender Office & Regional Migration Project, 2023. - 44 Seiten = 9,5 MB PDF-File. - Electronic ed.: Beirut : FES, 2023
Zum Download (PDF) (9,5 MB PDF-File)
Samantha Elia ist Programm-Managerin im Regionalprojekt Politischer Feminismus und Gender der Friedrich-Ebert-Stiftung in der MENA-Region.Sie arbeitet zu Geschlechtergerechtigkeit, Fürsorgearbeit, den Rechten migrantischer Hausarbeiter_innen und der Integration feministischer und dekolonisierender Methoden in Programme der Entwicklungszusammenarbeit.Sie studierte Demokratisches Regieren und Zivilgesellschaft an der Universität Osnabrück (MA, 2018) sowie Politikwissenschaft und öffentliche Verwaltung an der Amerikanischen Universität Beirut (BA, 2014).
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