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Die Friedrich-Ebert-Stiftung führt alle vier Jahre eine Jugendstudie in Südosteuropa durch. In der diesjährigen Studie wurden knapp 8.943 Menschen zwischen 14 und 29 Jahren aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro, Rumänien, Serbien, Slowenien, Griechenland und der Türkei befragt.
Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Klimakrise sowie antidemokratische Tendenzen in der Region sind beunruhigende Ereignisse. Der EU-Beitrittsprozess der Westbalkanländer begann vor mehr als 20 Jahren. In den letzten Jahren wurden zwar Fortschritte erzielt, aber nur sehr langsam, und das Vertrauen in die EU als Garant für Stabilität und Prosperität und den EU-Beitrittsprozess sinkt. Wirtschaftliche Stabilität und die Möglichkeit, sich eine Zukunft aufzubauen, gehören zu den wichtigsten Anliegen der Jugend in der Region. Viele junge Menschen sind bereit, dafür liberale Rechte, wie die von Minderheiten, einzutauschen. Die Unterschiede in den Einstellungen zwischen jungen Männern und Frauen nehmen zu, Korruption und sozioökonomische Prosperität gehört zu den größten Sorgen der Jugend innerhalb der Region.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung ist davon überzeugt, dass junge Menschen der Schlüssel zu einer demokratischen und progressiven Zukunft sind. Deshalb ist es das Ziel dieser Studie, nicht nur über, sondern mit jungen Menschen zu sprechen. Die Jugendstudie will mit Vorurteilen über die Jugend von heute aufräumen und ein realistisches Bild zeichnen, ihre Gedanken, Sorgen und Wünsche verstehen, teilen und politische Antworten darauf finden.
Für die Erstellung der Studie wurden renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den jeweiligen Regionen gewonnen. Dadurch konnten die Ergebnisse in den länderspezifischen Kontext eingeordnet und Einblicke ermöglicht werden, die sonst nicht möglich gewesen wären. Es wurden sowohl einzelne Länderberichte als auch eine vergleichende Regionalstudie erstellt. Die regional vergleichende Jugendstudie wurde von Jasmin Hasanović (Hauptautor), Emina Adilović, Miran Lavrič und Dragan Stanojević verfasst und von Elena Avramovska (FES) herausgegeben.
Die Studie wurde auf der Grundlage einer repräsentativen Umfrage erstellt, die von IPSOS im Zeitraum vom 9. Februar bis 25. März 2024 mittels computergestützter Online-Interviews (CAWI), computergestützter Telefoninterviews und computergestützter Face-to-Face-Interviews durchgeführt wurde.
Kontakt: Dr. Elena Avramovska, +43 (0) 1 890 3811 305, Elena.Avramovska(at)fes.de
Presse: Johannes Damian, 030 26935-7038, Presse(at)fes.de
Weitere Infos aus der Region: FES Dialog Südosteuropa, info.soe(at)fes.de
Die Angst vor Krieg, Gewalt, Arbeitslosigkeit, Krankheit sowie der Klimakrise hat deutlich zugenommen. Diese Ängste der Befragten resultieren unter anderem aus einer Unsicherheit gegenüber der Qualität von öffentlichen Diensten. Durch den sukzessiven Abbau des Sozialstaates haben junge Menschen negative Assoziationen mit staatlichen Institutionen. Daher ist es wichtig, das Vertrauen der Jugendlichen in staatliche Institutionen und Programme zu stärken. Dies kann nur gelingen, wenn gezielt in sozialstaatliche Initiativen investiert wird und Ungleichheiten in der Gesellschaft durch Umverteilung entgegengewirkt wird.
Ethnonationalismus ist eine der größten Bedrohungen für die Demokratien in der Region. Im Vergleich zur letzten Jugendstudie sehen wir rückläufige Tendenzen. Es ist zwar immer noch ein Thema unter jungen Menschen in Südosteuropa, aber diese Entwicklung zeigt, dass Initiativen wirken können. Auffällig ist, dass Ethnonationalismus unter jungen Männern weiterverbreitet ist als unter jungen Frauen. Ebenso geben junge Männer an, über mehr politisches Wissen und Interesse zu verfügen als Frauen. Diese beiden Tendenzen müssen sich nicht gegenseitig verstärken, aber sie können es, und deshalb ist es wichtig, diesen Tendenzen entgegenzuwirken. Es muss über die Gefahren von Ethnonationalismus aufgeklärt werden. Initiativen für interkulturellen Austausch sowie Bildungsprogramme, die die Bedeutung von Vielfalt und demokratischen Werten hervorheben, müssen unterstützt werden.
Berufliche Unsicherheit ist eine der größten Sorgen junger Menschen in der Region. Prekäre Arbeitsverhältnisse und unsichere Arbeitsplätze sind vorherrschend. In allen Westbalkanländern haben sich die Zahlen der jungen Menschen mit unbefristeten Arbeitsverträgen drastisch verringert. Besonders besorgniserregend ist das geschlechtsspezifische Gefälle bei der Arbeitslosigkeit. Junge Frauen sind häufiger arbeitslos als junge Männer. Dies verstärkt die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und wirkt sich negativ auf die demokratische Entwicklung aus. Um diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, bedarf es unter anderem Arbeitsmarktreformen in Zusammenarbeit mit den regionalen Regierungen und der EU.
Die Befragten in fast allen Ländern der Region sind der Meinung, dass Beziehungen zu Menschen in Machtpositionen und Parteizugehörigkeit ein wichtiger Faktor sind um eine Arbeitsstelle zu bekommen. Jedoch ist Expertise in einem Feld auch ein essenzieller Faktor. Daher wäre es wichtig Aus-, Fort- und Weiterbildung der Jugend in Südosteuropa zu fördern. Ein Drittel der befragten Jugendlichen verfügen aufgrund von wirtschaftlichen Zwängen und unzureichender Infrastruktur keinen Zugang zu adäquater Schul- und Berufsbildung. Korruption innerhalb des Bildungssystems ist ein vorherrschendes Problem. Um diesen Trends entgegenzuwirken, muss gezielt in Aus- und Weiterbildungsinfrastruktur investiert werden, sowie in Projekte für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.
Für 62% der jungen Menschen über 12 Länder hinweg ist Korruption jenes Thema, dessen Bekämpfung die größte Herausforderung für ihre Länder im nächsten Jahrzehnt darstellt. Um sie darin glaubwürdig zu unterstützen, muss die EU die Korruptionsbekämpfung und die Transparenz innerhalb von Regierungen in den Vorrang rücken. Ihren ersten Kontakt mit Korruption haben junge Menschen in Südosteuropa bereits während ihrer Ausbildung in den Bildungseinrichtungen, von denen ein beträchtlicher Anteil in jedem Land annimmt, dass es möglich ist, dort Noten und Prüfungen zu erkaufen.
In allen Ländern der Region, unabhängig davon, ob sie Mitglied der EU sind oder nicht, hat die Bereitschaft zur Migration zugenommen. Die zunehmende Migrationsbereitschaft junger Menschen ist klar auf wirtschaftliche und politische Unzufriedenheit zurückzuführen. Um dieser Abwanderung entgegenzuwirken, müssen regionale und europäische Akteure gezielte Maßnahmen ergreifen. Die Chancen vor Ort müssen verbessert werden und die politischen Akteure müssen Verantwortung übernehmen. Insbesondere in den Nicht-EU-Staaten ist es von entscheidender Bedeutung, den Optimismus der jungen Menschen in Bezug auf die Zukunft ihrer Länder in der EU aufrechtzuerhalten. Die Unterstützung für den EU-Integrationsprozess muss aufrechterhalten werden.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und den Nicht-EU-Mitgliedsstaaten. Innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten ist zirkuläre Migration in jeder Hinsicht beliebter als in den Nicht-EU-Mitgliedsstaaten. Wirtschaftliche und politische Gründe sind die Hauptbeweggründe für einen dauerhaften Umzug, während akademische und kulturelle Gründe kurzfristige Auslandsaufenthalte begünstigen. Auch in diesem Fall können geschlechtsspezifische Ungleichheiten aufgezeichnet werden. Denn auch wenn die Teilnahme an Mobilitätsprogrammen im Bildungsbereich zugenommen hat, insbesondere in den EU-Ländern, nehmen junge Männer häufiger teil als junge Frauen.
Die Studie zeigt einen leichten Anstieg des politischen Interesses und des selbst eingeschätzten politischen Wissens im Vergleich zur vorherigen Jugendstudie, obwohl beide Werte bei den Befragten immer noch sehr niedrig sind. Das politische Interesse und das selbst eingeschätzte politische Wissen sind bei Männern, bei Personen mit höherem Bildungsniveau und bei Personen, die in Städten leben, höher. Die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen fühlt sich in der nationalen Politik unterrepräsentiert, wobei dieses Gefühl bei jungen Frauen am stärksten ausgeprägt ist. Politisches Engagement junger Menschen ist für eine gesunde Demokratie unerlässlich. Nationale und internationale Akteure müssen auf eine stärkere Vertretung der Jugend in den politischen Strukturen hinarbeiten und sicherstellen, dass die Politik die vielfältigen Interessen der Jugend widerspiegelt.
Wirtschaftlicher Wohlstand, Demokratie, Menschenrechte, die Situation auf dem Arbeitsmarkt usw. werden von den Befragten in der EU als wichtiger und besser wahrgenommen als im eigenen Land. (In den untersuchten Ländern, die Mitglieder der EU sind, konnte die gleiche Einstellung beobachtet werden, was auf ein Gefälle innerhalb der EU-Mitglieder hindeutet). Das Vertrauen in die Demokratie nimmt ab, der Wunsch nach einem starken Staatsoberhaupt nimmt zu. Es gibt viele ambivalente Ansichten. Umso wichtiger ist es, die Werte der Europäischen Union und einer pluralistischen Demokratie zu stärken.