Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Die neue Arbeiter:innenklasse umfasst eine sehr ausdifferenzierte Gruppe von Erwerbstätigen, die sich zudem oftmals gesellschaftlich in der Mitte verortet und zumeist auch zufrieden mit der eigenen Arbeit ist. Doch zeigen sich nach den Erwerbsklassen auch klare Unterschiede zum Beispiel bei der körperlichen und mentalen Belastung. Daher gibt es auch klare Vorstellungen, was sich in Sachen Anerkennung, Gehalt und Arbeitszeiten ändern sollte.
Publikation PDF
Publikation Epub
Welche Parteien vertreten heutzutage das Interesse der Arbeiterklasse? Wie stark bleibt in der postindustriellen Gesellschaft die Assoziation von Klassenbewusstsein und linken politischen Orientierungen? Immunisiert ein waches Klassenbewusstsein gegen Rechtsextremismus? Und inwiefern gelingt es auch Parteien der rechten Mitte, eine Form des Arbeiterbewusstseins zu mobilisieren? Diesen Fragen gehen Linus Westheuser und Thomas Lux auf Basis der Daten des FES-Projektes „Kartographie der Arbeiter:innenklasse“ nach.
Wie sieht die Arbeitswelt heute aus? Wer ist besonders stolz auf seine Tätigkeit? Wer fühlt sich gehetzt? Einen spielerischen Zugang zum Projekt bietet unser Berufsklassen-Quartett, das online gespielt werden kann, aber auch als Kartenspiel erhältlich ist.
Direkt zum Online-Spiel
Dr. Eileen Peters geht in dieser Analyse der Frage nach, inwiefern sich die Wahrnehmung von Erwerbsarbeit, den Arbeitsbelastungen und Arbeitsmerkmalen zwischen Männern und Frauen und Personen mit Kindern und ohne unterscheidet.
Die Arbeitswelt westlicher Industriestaaten ist in den vergangenen Jahrzehnten vor allem von zwei Trends geprägt worden: dem Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft und einem wachsenden Anteil prekärer und atypischer Beschäftigungsformen wie Minijobs und Zeitarbeitsverträge. Vor diesem Hintergrund geht diese Analyse der Frage nach, ob sich prekär und atypisch Beschäftigte in Deutschland der Arbeiter:innenklasse zugehörig fühlen und ob sie durch gemeinsame Policy-Präferenzen miteinander verbunden sind.
Auf der Basis von Umfragedaten wird die aktuelle Verbindung zwischen Berufsklassen und politischen Präferenzen und Wahlabsicht untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass der Parteienwettbewerb in Deutschland durch einen tripolaren Wettbewerb zwischen Mitte-Links, Mitte-Rechts und rechtspopulistischen Parteien gekennzeichnet ist.
Diese Studie geht zwei Forschungsfragen nach: Wer leidet unter welchen Missachtungserfahrungen in der Arbeit und kämpft folglich um Würde in der Arbeit? Inwieweit können diese Kämpfe um Würde in der Arbeit auch einen Erklärungsansatz für politisches Stimmverhalten liefern?
Der Generation der unter 30-Jährigen wird oft ein anderer Blick auf die Erwerbsarbeit unterstellt. Diese Gen Z sei mehr auf Freizeit orientiert und schätze daher Erwerbsarbeit nicht besonders. Eine gesunde Work-Life-Balance sei ihr wichtiger als Leistungsbereitschaft und Karriere. Auf Basis der Daten des FES-Projektes „Kartographie der Arbeiter:innenklasse“ untersucht Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin, ob es Unterschiede zwischen den Generationen in Deutschland hinsichtlich ihres Blicks auf Erwerbsarbeit gibt.
Dr. Jürgen Schmidt, Leiter des Museums Karl-Marx-Haus in Trier, untersucht die historischen Wurzeln der Arbeiter:innenklasse in Deutschland im langen 19. Jahrhundert. Er thematisiert Inklusions- und Exklusionstendenzen bei der Entwicklung einer Arbeiter:innenklasse und beschäftigt sich darüber hinaus mit den Interpretationen und Instrumenten für die Analyse einer entstehenden Arbeiter:innenklasse. Abschließend werden Aspekte einer Arbeiter:innenklasse im 19. Jahrhundert herausgearbeitet.
Im Rahmen unseres Projekts„Kartographie der Arbeiter:innenklasse“ nehmen wir eine Vermessung der (erwerbs-)arbeitenden Gesellschaft vor. Im Zentrum steht für uns dabei die Spurensuche nach der Arbeiter:innenklasse, der wir in verschiedenen Teilstudien nachgehen. Wir sehen derzeit im politischen Raum, dass fast alle politischen Parteien für sich in Anspruch nehmen, Politik für die „arbeitende Mitte“ zu machen. Doch wer ist das überhaupt? Was zeichnet die (erwerbs-)arbeitende Gesellschaft aus? Welchen Stellenwert hat Arbeit heutzutage? Gibt es noch eine Arbeiter:innenklasse; wie verortet sie sich in der Gesellschaft? Und was sind ihre politischen Forderungen?
Diese Fragen wurden in acht Fokusgruppengesprächen diskutiert und anschließend in einer Befragung von über 5.000 Personen über 18 Jahren vertieft. Die quantitative und qualitative Erhebung hat das Meinungsforschungsinstitut Verian in unserem Auftrag durchgeführt.
„Ich finde nicht mehr, dass es nur noch der [Arbeiter] vom Bau ist mit einem Helm auf dem Kopf, sondern auch die Pflegekraft, die ganzen sozialen Berufe, die alle auch sehr krass fordernd sind.“ Erzieher, Köln, 33 Jahre
„Ich finde nicht mehr, dass es nur noch der [Arbeiter] vom Bau ist mit einem Helm auf dem Kopf, sondern auch die Pflegekraft, die ganzen sozialen Berufe, die alle auch sehr krass fordernd sind.“
Erzieher, Köln, 33 Jahre
„Die klassische Arbeiterklasse würde ich jetzt sagen, die das Band am Laufen halten.“Produktionsangestellte, Raum Erfurt, 31 Jahre
„Die klassische Arbeiterklasse würde ich jetzt sagen, die das Band am Laufen halten.“
Produktionsangestellte, Raum Erfurt, 31 Jahre
„Leute, die für ihr Geld wirklich arbeiten müssen und bei denen einfach nicht viel überbleibt.“Industrieelektriker, Hamburg, über 60 Jahre
„Leute, die für ihr Geld wirklich arbeiten müssen und bei denen einfach nicht viel überbleibt.“
Industrieelektriker, Hamburg, über 60 Jahre
Ansprechpartner_innen zum Projekt: Catrina.Schlaeger(at)fes.de, Jan.Engels(at)fes.de und Annika.Arnold(at)fes.deReferat Analyse und Planung
Pressekontakt: Johannes Damian presse(at)fes.dePressestelle
Die Welt der Erwerbstätigkeit in Deutschland ist sehr divers. Der produzierende Sektor ist nicht mehr dominant. Tätigkeiten, die einer administrativen oder interpersonellen Logik folgen, sind stark verbreitet.
Die neue Arbeiter:innenklasse in Deutschland umfasst nicht nur Produktionsarbeitende, sondern auch Dienstleistende. Zum Teil können aber auch Bürokräfte sowie Kleingewerbetreibende und Soloselbstständige dazugezählt werden. Gemeinsam sind ihnen ein eher geringes Einkommen und damit verbundene finanzielle Sorgen, aber auch schwierige Arbeitsbedingungen.
Geschlechterunterschiede finden sich in den Erwerbsklassen wieder. Während Berufe mit einer technischen Arbeitslogik weiterhin klar männlich dominiert sind, sind Frauen in den Berufen der soziokulturellen (Semi-)Expert:innen sowie bei den Bürokräften und Dienstleistenden in der Mehrheit. Dies sind auch die Bereiche, in denen deutlich mehr in Teilzeit oder auf Minijobbasis gearbeitet wird.
Einkommen und Vermögen sind zwischen den Erwerbsklassen der formell höher gebildeten Mittelschicht und der neuen Arbeiter:innenklasse ungleich verteilt. Kleingewerbetreibende, Soloselbstständige, Produktionsarbeitende, Bürokräfte und vor allem Dienstleistende verfügen über ein geringeres Einkommen. Dies zeigt sich auch bei den Wohnverhältnissen, insbesondere bei den Dienstleistenden, die mit 62 Prozent klar überdurchschnittlich zur Miete wohnen.
Es besteht ein grundsätzlich positiver Blick auf Erwerbsarbeit: Zwei Drittel der Befragten sind mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden, 85 Prozent sind stolz auf ihre Arbeitsleistung. Die überwältigende Mehrheit geht gern zur Arbeit. Doch wünschen sich einige auch mehr Anerkennung für ihre Arbeit.
Ein sicherer Arbeitsplatz und ein angemessenes Einkommen rangieren in der Priorität ganz oben, dicht gefolgt – und ebenso als sehr wichtig eingestuft – vor der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
54 Prozent aller Erwerbstätigen und ehemaligen Erwerbstätigen ordnen sich selber der Arbeiter:innenklasse zu. 83 Prozent der Produktionsarbeitenden und 70 Prozent der Dienstleistenden sehen sich als Angehörige der Arbeiter:innenklasse zu. Aber auch bei anderen Berufsgruppen wie den technischen (Semi-)Expert:innen, Bürokräften und soziokulturellen (Semi-)Expert:innen gibt es hohe Zustimmungswerte. Statistisch die stärksten Effekte auf die Zugehörigkeit zur Arbeiter:innenklasse haben ein niedriges Einkommen, das Gefühl zu wenig Respekt für die eigene Arbeit zu erhalten, ausgeprägter Werkstolz, die Selbsteinschätzung von hoher Bedeutung der eigenen Arbeit für die Gesellschaft und vor allem die körperliche Belastung.
Auch wenn sich viele Beschäftigte der Arbeiter:innenklasse zugehörig fühlen, so ergibt sich daraus kein mobilisierendes, verbindendes Gemeinschaftsgefühl über die verschiedenen Berufsklassen hinweg. Vielmehr besteht eine Sehnsucht nach genereller Anerkennung, dass die eigene Arbeit relevant ist und von der Gesellschaft als wichtig erkannt und anerkannt wird.
Die Befragten in den Fokusgruppen fühlen sich als diejenigen, die das Land am Laufen halten. Man sieht sich als Otto-Normalverbraucher, mittendrin, als Zahnrad im Getriebe oder im permanenten Dauerlauf. In der politischen Ansprache wünscht man sich „mehr Klartext“. Man sieht sich als gesellschaftliche Mehrheit, jedoch nicht als Gemeinschaft mit einer ausgeprägtenGemeinschaftsidentität, sondern eher als diejenigen, „die für ihr Geld wirklich arbeiten müssen und bei denen einfach nicht viel überbleibt“.
Der mit der Mittelschicht verbundene soziale Status (Wohlstandsversprechen und gesellschaftliche Anerkennung) besitzt eine enorme Anziehungskraft. Sowohl Erwerbsgruppen der Arbeiter:innenklasse als auch der Mittelschichtsberufe sehen sich als Mitte der Gesellschaft.
In der Wahrnehmung von Produktionsarbeitenden und Dienstleistenden gleicht die deutsche Gesellschaft allerdings nicht einer Zwiebel, bei der diese Mitte der Gesellschaft am stärksten ausgeprägt ist, sondern einer Pyramide mit einer breiten Unterschicht als Sockel, einer kleiner werdenden Mittelschicht und einer kleinen Oberschicht an ihrer Spitze. Sich selbst sehen sie in erster Linie in der unteren Mittelschicht verortet.
Zwei Drittel der Befragten weisen bei unserem Klassenbewusstseins-Index ein hohes oder mittleres Klassenbewusstsein aus. Gemessen am Index haben lediglich 29 Prozent der Befragten kein bzw. nur ein geringes Klassenbewusstsein. Unter den Berufsklassen nach Oesch weisen die freien Berufe und Unternehmer:innen mit 29 Prozent und das Management mit 25 Prozent die niedrigsten Werte im Klassenbewusstseinsindex auf. Die höchsten Werte diesbezüglich finden sich mit 43 Prozent bei den soziokulturellen (Semi-)Expert:innen, dicht gefolgt von den Dienstleistenden (39 Prozent) und den Produktionsarbeitenden (37 Prozent).
Neben der Berufsklasse beeinflussen auch andere Variablen das Klassenbewusstsein. Beim Bildungsabschluss hat „kein Abschluss“ im Vergleich zu einem Haupt- oder Volksabschluss einen größeren negativen Effekt auf das Klassenbewusstsein, die Mittlere Reife zeitigt höhere Werte auf dem Index, während das Erlangen des Abiturs keine signifikanten Effekte aufweist. Auch Frauen haben tendenziell ein höheres Klassenbewusstsein als Männer.
Die Gruppe der Erwerbstätigen in Deutschland ist nicht gespalten, sondern eher von Konsens gekennzeichnet. Doch gibt es auch Politikbereiche, in denen sich die Gesellschaft eher uneinig zeigt. So finden sich recht gleich verteilt unterschiedliche Antworten bei der Frage zur Abwägung zwischen Wohlstand und Klimaschutz. Es sind aber nicht zwei Blöcke mit konträren Meinungen, die sich gegenüberstehen, wie in einer polarisierten Gesellschaft. Es gibt auch Bereiche, die stärker von Konsens gezeichnet sind, wie beispielsweise die starke Zustimmung zur Ehe von homosexuellen Paaren.
Teilt man die arbeitende Bevölkerung in drei Einstellungsgruppen, die eher national oder weltoffen orientiert sind oder sich nicht klar einer dieser Gruppen zuordnen lassen, zeigt sich, dass knapp die Hälfte der Befragten zur sogenannten beweglichen Mitte gehört. 29 Prozent sind dagegen eher national orientiert, 22 Prozent weltoffen. Die nationale Orientierung ist bei den Produktionsarbeitenden (44 Prozent) und den Dienstleistenden (34 Prozent) stärker ausgeprägt. Wogegen die weltoffene Orientierung sich überdurchschnittlich bei den (Semi-)Expertinnen im technischen (36 Prozent) und soziokulturellen Bereich (33 Prozent) findet.