Studie: Beteiligungsräte - Neue Wege der politischen Beteiligung auf Bundesebene
Studie: Ein Beteiligungsrat für die Bundespolitik
Mehr Mitsprache wagen - repräsentative Demokratie stärken
Die repräsentative Demokratie ist eine der größten Errungenschaften unserer Zeit. Doch sie steht unter enormem Druck. Denn immer mehr Menschen sind unzufrieden damit, wie die Demokratie funktioniert.
Was aber können wir tun, um das Vertrauen der Menschen in die Demokratie zu stärken?
Diese Studie schlägt vor, einen Beteiligungsrat für die Bundespolitik einzurichten. Im Beteiligungsrat kommen zufällig ausgewählte Bürger_innen zusammen und diskutieren aktuelle politische Herausforderungen. Zusätzlich sollen besonders diejenigen Gruppen einbezogen werden, die aktuell im politischen Prozess nicht ausreichend vertreten sind. Beteiligungsräte geben Empfehlungen für die Bundespolitik.
Beteiligungsräte gestalten die bewährten Prozesse der Willensbildung und der Politikformulierung für die Bürger_innen transparenter und interaktiver. Dadurch soll nicht nur der politische Entscheidungsprozess bereichert, sondern auch das Vertrauen der Menschen in die repräsentative Demokratie und in die eigene demokratische Wirksamkeit gestärkt werden.
Mit dem Projekt Für ein besseres Morgen entwickelt die Friedrich-Ebert-Stiftung politische Vorschläge für die große Herausforderung unserer Zeit und bezieht Position.
Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier:
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Was macht gute Beteiligung aus?
Die Studie formuliert vier zentrale Kriterien für gute deliberative Beteiligung:
Inklusive Partizipation
bedeutet eine möglichst vielfältige Zusammensetzung der Teilnehmer_innen und ihrer Interessen und gewährleistet politische Gleichheit im Verfahren. Dafür kann es notwendig sein, politisch marginalisierte Gruppen und Minderheiten gezielt einzubinden.
Gute Deliberation
bedeutet die Ermöglichung und Förderung von Willensbildung durch den Austausch von Argumenten und durch eine demokratische Debatte.
Einbettung in den politischen Prozess
stellt sicher, dass das Beteiligungsverfahren an das bestehende Gefüge der repräsentativen Institutionen angebunden ist und die Empfehlungen Eingang in die weitere politische Entscheidungsfindung finden.
Demokratische Bildung
ist idealerweise ein Effekt deliberativer Beteiligung. Die Beteiligungserfahrung soll demokratische Einstellungen festigen, politische Selbstwirksamkeit erhöhen und gesellschaftlicher Polarisierung entgegenwirken. Dies kann über einen intensiven öffentlichen Diskurs auch für die breitete Bevölkerung erreicht werden, die nicht direkt beteiligt war.
Der Beteiligungsrat im politischen System
Beteiligungsräte sind kein festes Gremium, sondern werden anlassbezogen von den politischen Institutionen oder aus der Bevölkerung heraus initiiert. Für die Initiierung gelten Quoren, die sicherstellen, dass nur gesamtgesellschaftlich relevante Fragen diskutiert werden. Über eine feste Koordinierungsstelle sind die Beteiligungsräte beim Bundestag angesiedelt.
Die Ergebnisberichte der Beteiligungsräte haben beratenden Charakter, wobei die adressierten politischen Institutionen verpflichtet sind, Rechenschaft über den weiteren Umgang mit den Empfehlungen abzugeben.
Die Koordinierungsstelle organisiert die einzelnen Beteiligungsräte und die Teilnehmer_innenauswahl, sorgt für eine neutrale Moderation und ausgewogene Informationen und veröffentlicht Empfehlungen wie Stellungnahmen der Institutionen in einem Online-Portal.
Ablauf eines Beteiligungsrats
Ein Beteiligungsrat besteht aus zwei Phasen. Er beginnt mit einer einwöchigen Online-Diskussion, in der bis zu 1000 zufällig ausgewählte und gezielt rekrutierte Teilnehmer_innen mit Expert_innen und Politiker_innen diskutieren und erste Empfehlungen erarbeiten.
In einem zweiten Schritt treffen sich min. 100 Teilnehmer_innen zu einer zweitägigen Beratungstagung, diskutieren und priorisieren die Empfehlungen der ersten Phase und fassen sie in einem Beratungsbericht zusammen. Auch an der Beratungstagung wirken neben zufällig ausgewählten Teilnehmer_innen, Politiker_innen und Expert_innen mit.
Der Beteiligungsrat im politischen Prozess
Der Beteiligungsrat soll die verschiedenen Phasen des politischen Prozesses bereichern und kann an drei verschiedenen Zeitpunkten zum Einsatz kommen. Grundsätzlich ist eine möglichst frühzeitige Beteiligung sinnvoll, um relevante Themen aufzuzeigen oder gesellschaftliche Konflikte zu antizipieren.
Um die Problemdefinition oder das Agenda Setting zu beeinflussen, können Beteiligungsräte die Vorbereitung eines ministeriellen Referentenentwurfs begleiten oder initiieren. Ebenso kann ein Beteiligungsrat an der Vorbereitung einer parlamentarischen Gesetzesinitiative mitwirken.
In der Phase der konkreten Politikformulierung kann ein Beteiligungsrat zwischen der ersten und zweiten Lesung eines Gesetzesentwurfs im Bundestag einberufen werden.
Inklusion und Repräsentation: Wer nimmt teil?
Beteiligungsräte setzen sich immer zu min. 2/3 aus Bürger_innen (hier verstanden als Einwohner_innen, nicht nur als Staatsbürger_innen) zusammen. Das restliche Drittel bilden politische Vertreter_innen und Expert_innen.
Ziel der Beteiligungsräte ist es, eine möglichst repräsentative Zusammensetzung der Teilnehmenden zu erreichen und insbesondere politisch und sozial marginalisierte Gruppen und Minderheiten einzubeziehen. Dies soll über folgende Maßnahmen erreicht werden:
Rekrutierung
- 2-stufige Zufallsauswahl mit Abfrage soziodemografischer Merkmale
- bei Bedarf Gewichtung und aktive Nachrekrutierung
- Quoten für besondere Gruppen und Minderheiten
- Gezielte Rekrutierung politikferner Gruppen über zivilgesellschaftliche Multipliktor_innen
Rahmenbedingungen
- Aktivierende Moderation, verständliche Informationsmaterialien
- Barrierefreiheit
- Freistellungsregelungen mit Lohnersatzzahlung für die Teilnahme am Beteiligungsrat
- Reisekostenerstattung, Kinderbetreuung
Designmerkmale des Beteiligungsrats
Was ist Deliberation?
Deliberation (lateinisch: Beratschlagung) bezeichnet den Prozess politischer Willensbildung durch Debatte und den Austausch von Argumenten. In deliberativen Beteiligungsverfahren diskutieren Bürger_innen politische Themen in einem festgelegten Rahmen und unter gemeinsam definierten fairen Gesprächsregeln. Meist geben sie Empfehlungen an politische Entscheider_innen ab und haben damit beratenden Charakter.
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