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Die Ungleichheit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat sich verfestigt. Aber auch innerhalb der Länder driften die Lebensverhältnisse auseinander. In Deutschland bedrohen die wachsenden Unterschiede zwischen urbanen Räumen und ländlichen Regionen die wirtschaftliche Entwicklung und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Die regionale Entwicklung hängt dabei zu einem großen Teil von der finanziellen Förderung durch die Struktur- und Entwicklungsfonds der EU ab. Insbesondere Ostdeutschland hat nach der Wiedervereinigung von dieser Unterstützung profitiert. Aber auch in Westdeutschland hat die Förderung zu Verbesserungen geführt.
Diese Studie untersucht die Auswirkungen der EU-Förderung auf die regionale Entwicklung in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Sie gibt konkrete Empfehlungen für eine gerechtere und wirksamere Förderpraxis, die helfen soll, die wirtschaftliche Ungleichheit zwischen den europäischen Regionen zu verringern und das Bewusstsein der Bürger_innen für ein europäisches Miteinander weiter zu stärken.
Mit dem Projekt Für ein besseres Morgen entwickelt die Friedrich-Ebert-Stiftung politische Vorschläge für die große Herausforderung unserer Zeit und bezieht Position. Weitere Informationen zum Projekt erhalten Sie hier.
Studie herunterladen
Mit: Prof. Dr. Jens Südekum (Studienersteller), Lina Furch (Rat der Gemeinden und Regionen Europas), Nico Steinbach (MdL Rheinland-Pfalz), Dr. Lutz Trümper (Oberbürgermeister Magdeburg). Moderation: Claudia Knoppke
Hier finden Sie alle Folgen des FES-Podcasts "Zukunft gerecht".
Insgesamt hat die europäische Förderpolitik im Bereich Kohäsion und ländliche Räume in der Vergangenheit unverzichtbare Beiträge zur wirtschaftlichen Entwicklung in den deutschen Regionen geleistet. Dies gilt insbesondere für Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Aber auch in Westdeutschland hat sie zu konkreten Beiträgen und einer unmittelbaren Sichtbarkeit der Europäischen Union geführt, vor allem in Grenzregionen zu anderen EU-Mitgliedsstaaten. Dennoch steht in der aktuellen Förderpraxis längst nicht alles zum Besten.
Das Beschäftigungsvolumen der Landkreise hat sich in den vergangenen 40 Jahren sehr unterschiedlich entwickelt: In dieser Zeit hat die Beschäftigung etwa im verarbeitenden Gewerbe stark abgenommen, insbesondere im Bereich der traditionellen Schwerindustrie und in arbeitsintensiven Industriebranchen. Moderne Dienstleistungen, wie die Finanz- oder Gesundheitsbranche, hatten währenddessen starke Beschäftigungszuwächse zu verzeichnen. Dieser Prozess lief auf regionaler Ebene aber sehr unterschiedlich ab. Währen sogenannte „Pro-Trend“-Regionen den nationalen Strukturwandel mitvollzogen, entwickelten sich einzelne „Anti-Trend“-Regionen grundsätzlich anders als Gesamtdeutschland.
Pro-Trend und Anti-Trend Regionen
Die Grafik zeigt sogenannte Überschusswachstumsraten für insgesamt 220 Branchen, die mit dem lokalen Beschäftigungsanteil der jeweiligen Branche gewichtet sind. Ausschläge nach rechts zeigen an, dass die betreffende Branche eine höhere gewichtete Wachstumsrate in der Region als in Deutschland insgesamt hatte; Ausschläge nach links stellen entsprechend ein schwächeres lokales als nationales (gewichtetes) Wachstum dar.
Bitburg in Rheinland-Pfalz gehört zu den „Anti-Trend“-Regionen, wo das lokale Wachstum am verarbeitenden Gewerbe liegt. Das Muster des Strukturwandels etwa im Eifelkreis Bitburg-Prüm gestaltete sich hingegen völlig anders. Hier waren deutliche Wachstumsimpulse in Branchen wie der Milchverarbeitung oder der Getränkeherstellung zu sehen, die national eher zu den schrumpfenden Branchen zählen. Dies sind die starken Rechtsausschläge im unteren Bereich des Lokalprofils. Dafür entwickelten sich nationale Boom-Branchen wie Architektur und Ingenieursbüros oder der Hoch- und Tiefbau in Bitburg schlechter als im Bundesschnitt der ländlichen Regionen (Linksausschläge oben). Weitere Vertreter dieser Gruppe sind zum Beispiel der Landkreis Koblenz oder der Rhein-Lahn-Kreis.
Der Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt gehören zur Gruppe der „Pro-Trend“-geschrumpften Regionen, wo das Beschäftigungswachstum (in Vollzeitäquivalenten) seit 1992 schwächer ausgeprägt war als im jeweiligen Regionstyp in Ostdeutschland insgesamt. So schrumpfte das Wachstum in ostdeutschen Städten insgesamt um -21,7 Prozent. Auch der Salzlandkreis entwickelte sich mit -36,8 Prozent schlechter als die ländlichen Regionen in Ostdeutschland insgesamt (-23,6 Prozent). Das Lokalprofil zeigt zudem, dass die Region mit dem Trend geschrumpft ist, also Beschäftigung vor allem in solchen Branchen abgebaut hat die in Ostdeutschland auch insgesamt geschrumpft sind. Konkret ist das zum einen der Bereich der öffentlichen Verwaltung, der infolge der Transformation der ehemaligen DDR exorbitant abgebaut wurde. Die Linksausschläge im unteren Bereich zeigen, dass dieser Beschäftigungsabbau im Salzlandkreis noch erheblicher stärker war als in anderen ostdeutschen Regionen. Verluste im Hoch- und Tiefbau kommen hinzu, ebenso wie der Bereich des Eisenbahnbaus. Einzig die Branchen Automobilzulieferer und Textil können positive Wachstumsraten vorweisen, allerdings in vergleichsweise bescheidenem Ausmaß.
Mehr Effektivität, weniger Komplexität Der Grad an Bürokratie, insbesondere an den zahlreichen Dokumentations- und Nachweispflichten, muss so umgestaltet werden, dass in der Verwaltung der verschiedenen EU-Fonds nicht eine „Kultur des Misstrauens“ die Effektivität der Förderpraxis hemmt. EU-geförderte Projekte werden von einer Vielzahl an Kontrollstellen überprüft. Gerade strukturschwache Regionen mit dünner Personaldecke in den öffentlichen Verwaltungen, aber auch kleinere Unternehmen und Vereine leiden am meisten unter dieser Komplexität.
Gezielte Förderung zum Abbau von Ungleichheit Diese Komplexität führt dazu, dass nicht „die Schwächsten“, sondern „die Cleversten“ von der EU-Förderung profitieren. Dieses Problem wird verschärft durch die Anforderung zur Kofinanzierung. Insgesamt trägt das zu einer Ausweitung und Verfestigung regionaler ökonomischer Unterschiede bei. Um dem entgegenzuwirken, wird empfohlen, die projektorientierte Förderpolitik auf weniger und dafür größere Projekte zu konzentrieren. Für das professionelle Management in den Kommunen sollten hierfür hauptamtliche Förderlotsen auf Landkreisebene eingerichtet werden, welche die Projekte ganzheitlich betreuen, von der Einwerbung bis zur Abrechnung. Bisherige Kleinprojekte sollten dafür flexibel im Rahmen von Regionalbudgets gefördert werden. Das kann gezielte Impulse für mehr Bürgerbeteiligung und gegen den aufkommenden Rechtspopulismus in strukturschwachen Regionen setzen.
Wirksamkeit der Förderung transparent machen Schließlich müssen umfassende und transparente Evaluationsstandards der geförderten Maßnahmen zum integralen Bestandteil der EU-Förderpraxis und der Öffentlichkeitsarbeit werden. Eine evidenzbasierte Fortentwicklung der Förderpolitik und eine zielgruppenadäquate Kommunikation der erzielten nachhaltigen Erfolge – aber auch der Misserfolge – muss in ansprechender und leicht zugänglicher Form geleistet werden. Hierbei sollte die Datenverfügbarkeit auch in einem regionalen Zuschnitt erfolgen, um die öffentliche Kommunikation vor Ort auf eine fundierte Basis zu stellen. Auf diese Weise können auch die Bürger_innen besser nachvollziehen, was Europa bereits zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in ihren Regionen getan hat und welchen Beitrag die EU-Förderung auch auf deren zukünftige Entwicklung haben kann.
Im Rahmen dieser Studie wurden problemzentrierte strukturierte Interviews mit Entscheidungsträger_innen geführt, die in den Bundesländern und auf kommunaler Ebene für die Umsetzung und Durchführung von europäischer Förderpolitik verantwortlich sind. Insgesamt wurden elf Interviews an acht verschiedenen Orten und mit insgesamt 16 Gesprächspartner_innen geführt. Hinzu kam ein Telefoninterview. Bei der Auswahl der Regionen wurde darauf geachtet, dass innerhalb der betrachteten Bundesländer (Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt) städtische wie ländliche Regionen und – soweit möglich – auch Regionen in Grenzlage abgebildet sind. Weitere Interviews in Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen sowie die Ergebnisse von zwei Fokusgruppentreffen mit jeweils rund 20 Expert_innen aus den Bereichen Politik, Wissenschaft und Gesellschaft erlauben eine Erweiterung des Blickwinkels und schaffen eine nützliche Kontrollgruppe zur besseren Einbettung der Ergebnisse.
Brigitte Juchems06131/ 96067-11 Brigitte.Juchems(at)fes.de
Dr. Ringo Wagner0391 56876-11 ringo.wagner(at)fes.de
Johannes Damian Leitung der Pressestelle
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