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Wie stark hängt die öffentliche Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen vom konkreten Maßnahmentyp und der politischen Einstellung ab? Welche Maßnahmen wirken besonders polarisierend auf die öffentliche Meinung?
In Umfragen zu den drängendsten gesellschaftlichen Problemen in Deutschland, derer sich die Politik annehmen muss, belegt der menschengemachte Klimawandel regelmäßig einen der vorderen Plätze. Selbst unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und dessen Folgen rangiert der Klimawandel unter den drei wichtigsten Problemen, denen sich Deutschland gegenwärtig gegenübersieht. Auch in der Studie Vertrauensfrage Klimaschutz der FES stimmen 71 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Politik für die Einhaltung von einmal beschlossenen Klimaschutzzielen sorgen muss. Aber folgt aus diesen Zahlen, dass die Menschen auch konkrete Maßnahmen für mehr Klimaschutz unterstützen? Die vorliegende Studie geht dieser Frage mit einer repräsentativen Umfrage und einem Umfrageexperiment nach. Ausgewählte Ergebnisse der Studie präsentieren wir auf dieser Seite, die gesamte Studie ist hier kostenfrei abrufbar.
Konkrete Maßnahmen erzeugen bei der Befragung keine euphorischen Zustimmungswerte. Die populärsten Maßnahmen, wie bspw. die Einführung eines Industriestrompreises, erreichen im Durchschnitt nur Zustimmungswerte knapp oberhalb von 5 auf einer 10-stufigen Skala. Besonders unpopulär sind Maßnahmen, die auf eine Verteuerung von klimaschädlichem Verhalten abzielen, wie eine höhere Benzinsteuer oder eine Verteuerung von Fleischkonsum. Sechs der abgefragten Maßnahmen führen bei den Befragten zu Anzeichen einer Polarisierung im Antwortverhalten, wie dies bspw. bei der Maßnahme eines allgemeinen Tempolimits der Fall ist. Das bedeutet, dass sowohl Zustimmung als auch Ablehnung besonders stark ausgeprägt sind und es weniger Befragte gibt, deren Zustimmung oder Ablehnung lediglich moderat ausgeprägt ist.
Lässt sich daraus ableiten, dass Menschen in Deutschland zwar Klimaschutz allgemein befürworten, aber konkreten Maßnahmen mindestens skeptisch gegenüberstehen? Dies trifft vor allem dann zu, wenn diese Maßnahmen isoliert vorgeschlagen und umgesetzt werden, ohne flankierende Maßnahmen, die soziale Härten auffangen können. Die grundsätzlich hohe Unterstützung von Klimaschutz allgemein öffnet politische Handlungsräume, die aber mit gut gemachter Klimaschutzpolitik genutzt werden müssen.
Wie verhält sich der Klimaschutz zu bestehenden politischen Konfliktlinien? Die Studie analysiert zunächst den Einfluss von politischer Zugehörigkeit (nach Parteien und ideologischen Lagern) auf drei ausgewählte Klimaschutzmaßnahmen, die stellvertretend für die drei Politikansätze der Klimapolitik stehen: vorgezogener Kohleausstieg (Regulierung: Verbieten), Benzinbesteuerung (Steuern: Verteuern) und Industriestrompreis (Subventionen: Fördern). Zusätzlich wird die Maßnahme „Rückkehr zur Atomenergie“ betrachtet, weil sich bei dieser Maßnahme das Muster von Zustimmung und Ablehnung entlang der politischen Lagerzugehörigkeit umdreht.
Untenstehende Abbildung zeigt den Zusammenhang zwischen generellen ideologischen Präferenzen einerseits und Unterstützung für klimapolitische Maßnahmen andererseits. „Links vs. rechts“ bildet dabei die ökonomische Konfliktlinie zwischen Befürworter:innen freier Märkte und Unterstützer:innen staatlicher Marktinterventionen ab. „GAL vs. TAN“ steht für den sozialkulturellen Konflikt zwischen grün-alternativ-libertären (GAL) und traditionell-autoritär-nationalistischen (TAN) Positionen.
Bei der Benzinsteuer und beim Kohleausstieg fallen die Konfliktlinien zusammen: Wer ökonomisch und sozialkulturell rechts eingestellt ist, unterstützt diese Maßnahmen weniger; wer ökonomisch und sozialkulturell links ist, unterstützt sie mehr. Anders verhält es sich bei der Maßnahme „Rückkehr zur Atomenergie“: Sozialkulturell und wirtschaftspolitisch Rechte unterstützen diese Maßnahme. Linke lehnen sie ab. Beim Industriestrompreis schließlich laufen die ideologischen Konfliktlinien auseinander: Wirtschaftspolitisch Linke (pro Staatsintervention) befürworten diese Maßnahme; sozialkulturell Linke (libertär und selbstbestimmt) lehnen sie eher ab.
Mittels eines Umfrageexperiments gehen die Autoren der Frage nach, ob verschiedene Formen des Aktivismus einen Einfluss auf die gesellschaftliche Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen haben.
Jeder Gruppe wurde das Foto einer bestimmten Protestform mit kurzer Erläuterung gezeigt: radikaler Protest (Foto einer Straßenblockade von Klimakleber:innen), moderater Protest (große Straßendemonstration) und institutioneller Protest (Bundestagsrede eines/einer zum/zur Abgeordneten gewählten Klimaaktivisten/-aktivistin). Die vierte Gruppe (Kontrollgruppe) bekam lediglich das Logo einer Nachrichtensendung zu sehen. Es zeigt sich, dass Befragte, die zu Beginn der Befragung ein Bild einer radikalen Protestform (sogenannte Klimakleber*innen, Aktionen oftmals der Gruppe „Letzte Generation“) und solche, die ein Bild moderaten Protests gesehen haben (Demonstration für mehr Klimaschutz) Klimaschutzmaßnahmen weniger unterstützen als Personen, die ein Bild von institutionellem Protest (Rede im Bundestag) gesehen haben. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass radikale Protestformen nicht zu einer höheren Mobilisierung von Klimaschutz-Befürworter:innen in der breiteren Bevölkerung führen.
Philipp Genschel ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bremen.
Konstantin Vössing ist Reader in Comparative Politics (Professor für Vergleichende Politikwissenschaft) an der City University of London.
Mirko Wegemann ist Doktorand der Politikwissenschaft am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz.
Annika.Arnold(at)fes.de
Max.Ostermayer(at)fes.de
Genschel, Philipp; Vössing, Konstantin; Wegemann, Mirko
Öffentliche Meinung und die Rolle konkreter Maßnahmen / Philipp Genschel, Konstantin Vössing, Mirko Wegemann ; Herausgeberin: Abteilung Analyse, Planung und Beratung. - Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung, Juli 2024. - 10 Seiten = 2 MB, PDF-File. - (FES impuls)Electronic ed.: Berlin : FES, 2024ISBN 978-3-98628-507-4
Zum Download (PDF) (2 MB, PDF-File)
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