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Syrische Geflüchtete erleben in Jordanien große Solidarität und leben dennoch in Armut. Die Regierung will mit ambitionierten Plänen helfen.
Bild: Amman Stadtrand von Sebastian Vogel
Vor dem seit sieben Jahren währenden Krieg in Syrien fliehen so viele Menschen wie weltweit schon lange nicht mehr. Etwa die Hälfte der Bevölkerung war gezwungen, ihren Heimatort zu verlassen. Circa sechs Millionen Syrer_innen flohen auf der Suche nach Sicherheit ins Ausland, über 600.000 suchten in Deutschland Schutz. Mit Abstand die meisten Geflüchteten nahmen jedoch Syriens Nachbarländer auf, nämlich insgesamt über fünf Millionen. Dabei stehen diese Staaten ohnehin vor großen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen.
Eines dieser Länder ist das Königreich Jordanien. Laut UN-Flüchtlingswerk hat das Land weltweit den zweithöchsten Anteil von Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung. Neben den 1,3 Millionen Syrer_innen, von denen ungefähr die Hälfte im Zuge des Bürgerkriegs nach Jordanien geflüchtet ist, halten sich noch einmal so viele andere Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte im Land auf, und das bei nur 6,8 Millionen Einheimischen. Allerdings gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie viele syrische Geflüchtete tatsächlich in Jordanien leben, da nicht alle von ihnen registriert sind.
Die Aufnahme und Versorgung von so vielen Geflüchteten ist für Jordanien mit seinen begrenzten Ressourcen eine ungleich größere Aufgabe als etwa für Deutschland. Eine der großen Herausforderungen, die das Königreich zu bewältigen hat, liegt im Bildungsbereich. Laut Bildungsminister Omar Razzaz ist durch die erhöhten Schüler_innenzahlen der Druck auf die Schulen so hoch, dass diese häufig im Zwei-Schicht-System unterrichten. Nichtsdestotrotz sei es gelungen, 130.000 syrische Kinder im öffentlichen Bildungssystem und 80.000 in anderen Bildungseinrichtungen unterzubringen. Ein Problem bleibt jedoch die Kinderarbeit. Um zum Einkommen der Familie beizutragen, gehen zahlreiche syrische Kinder arbeiten statt eine Schule zu besuchen.
Eine weitere Schwierigkeit stellt die Wohnsituation der syrischen Geflüchteten dar. Gerade im Ausland herrscht der Eindruck vor, die meisten von ihnen würden in riesigen Flüchtlingslagern wie dem in Zaatari wohnen - nicht zuletzt deshalb, weil viele ausländische Politiker_innen die Flüchtlingsunterkünfte häufiger besuchen und die daraufhin entstehenden Bilder einseitig sind. Tatsächlich lebt die große Mehrheit der Geflüchteten aus Syrien in Wohnungen in den jordanischen Städten und Siedlungen. Doch auch wenn das Wohnen in einer Mietwohnung ohne Frage für eine Teilhabe am öffentlichen Leben förderlich ist, gehören ausbeuterische Vermieter_innen und die Sorge, wie die Miete aufgebracht werden soll, zum schwierigen Alltag. Denn 80% der syrischen Geflüchteten leben unterhalb der Armutsgrenze.
Im jordanischen Planungsministerium wird der dreijährige „Jordan Response Plan“ koordiniert, mit dem das Land den Herausforderungen durch den anhaltenden Konflikt in Syrien begegnet. Ein wesentliches Element ist dabei die Frage, wie Syrer_innen in Jordanien Arbeit finden und somit selbst zu ihrem Lebensunterhalt beitragen können. Allerdings sind Arbeitsplätze bereits für die jordanische Bevölkerung rar und nicht wenige Jordanier_innen fürchten, dass die Konkurrenz durch Syrer_innen die Löhne nach unten drückt. Den Geflüchteten wiederum droht Ausbeutung, v. a. im informellen Sektor.
Ein Ansatz der EU zur Unterstützung Jordaniens und der Geflüchteten gleichermaßen ist der "Jordan Compact“. Im Kern handelt es sich dabei um eine Zusage der EU, Produkten aus Jordanien durch abgesenkte Zölle den Zugang zum europäischen Markt zu erleichtern, sofern bei ihrer Herstellung ein Mindestprozentsatz an syrischen Flüchtlingen beschäftigt wird. Im Gegenzug versprach Jordanien, bis zu 200.000 Arbeitsgenehmigungen an Syrer_innen zu erteilen. Die im Prinzip gute Idee wird jedoch nur schleppend umgesetzt. Laut Planungsministerium wurden bis November 2017 erst 47.000 solcher Arbeitsgenehmigungen erteilt. Die Gründe dafür sind vielfältig: bürokratische Hindernisse gehören dazu, ebenso wie die Tatsache, dass die von Jordanien erhofften Investition aus der EU ausblieben. Eine Rolle spielt auch, dass Geflüchtete befürchten, keine Hilfsleistungen von internationalen Organisationen mehr zu erhalten, wenn sie eine Arbeitsgenehmigung erlangen. Auch fürchten sie, dass sich dann ihre Chancen verschlechtern, in ein anderes Land umziehen zu können. Hinzu kommt, dass manche Arbeitgeber_innen lieber Syrer_innen ohne Genehmigung beschäftigen, um somit weniger als den Mindestlohn zahlen zu können. Auch werden die Arbeitsgenehmigungen nur für einzelne Wirtschaftssektoren ausgestellt (Bau, Landwirtschaft, Gastronomie), in denen kaum Jordanier_innen arbeiten. So konkurrieren Syrer_innen eher mit anderen Migrant_innen im unteren Gehaltssegment, als mit Jordanier_innen um Jobs, was soziale Spannungen mit Jordanier_innen reduziert.
Angesicht dieser Herausforderungen wird deutlich: Jordanien ist bei der Aufnahme und Versorgung der vielen Geflüchteten aus Syrien auf internationale Hilfe angewiesen. Der Bedarf ist enorm. So beläuft sich allein der Jordan Response Plan für die Jahre 2018-2020 auf 5,9 Milliarden Euro – und es ist keinesfalls klar, dass dieser Betrag auch zur Verfügung stehen wird.
Es wird aber auch tatsächlich geholfen, nicht zuletzt von Deutschland. Die Bundesrepublik leistet nach den USA die größte Unterstützung in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit und in Bezug auf den Jordan Response Plan ist sie sogar der größte staatliche Unterstützer.
Dass Jordanien international unterstützt wird, ist nicht zuletzt seiner besonderen Bedeutung für die Stabilität in der Region geschuldet. In einer an Konflikten reichen Nachbarschaft ist Jordanien ein Ruhepol, auch deswegen haben seit Jahrzehnten immer wieder Flüchtende, etwa aus Palästina oder dem Irak, dort Schutz gesucht. Ohne eine effektive internationale Zusammenarbeit mit Jordanien und ohne humanitäre Hilfe für die dort lebenden Syrer_innen wären Stabilität und Sicherheit kaum zu gewährleisten.
Trotz der schwierigen Situation und einiger Vorbehalte seitens der jordanischen Bevölkerung kommt es kaum zu nennenswerten Übergriffen oder Anfeindungen gegen Syrer_innen. Im Gegenteil: Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Jordanier_innen ist groß. Damit das so bleibt, achtet die jordanische Regierung darauf, dass etwa ein Drittel der eintreffenden internationalen humanitären Hilfe an bedürftige Jordanier_innen geht. So versucht sie zu gewährleisten, dass nicht die Schwächsten in der Gesellschaft gegeneinander ausgespielt werden.
*Im November 2017 lud die FES fünf Landespolitiker_innen, die sich in ihrer Arbeit mit Integration beschäftigen, zu einer Reise nach Jordanien ein. Sie trafen Vertreter_innen aus Regierung, Zivilgesellschaft und internationalen Hilfsorganisationen sowie die deutsche Botschafterin und sprachen mit Geflüchteten über ihre Lebensverhältnisse. Somit konnten sie sich ein eigenes Bild von der Situation in Jordanien machen und in Austausch treten mit dem Ziel, ihre Erkenntnisse zukünftig für die eigene politische Arbeit zu nutzen.
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