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Haushaltsstreit: Quo vadis, Italia?

Italiens Haushaltsentwurf fordert die EU heraus. Wäre die Auseinandersetzung erfolgreich und würde von anderen EU-Mitgliedern nachgeahmt, könnte nicht nur die Eurokrise neu entfachen. Auch Europas Politikstil würde weiter leiden.

Die italienische Regierung hat geschafft, was noch kein EU-Mitgliedstaat geschafft hat: Die EU-Kommission hat ihren Haushaltsentwurf abgelehnt, die geplante Neuverschuldung für ein Grundeinkommen und großzügigere Renten ist zu hoch. Nachdem auch der überarbeitete Entwurf in Brüssel keine Zustimmung fand, scheint Rom inzwischen zwar einzulenken – aber genügt das? Die EU kann kaum Zugeständnisse machen, ohne bei anderen Mitgliedstaaten Begehrlichkeiten zu wecken.

Too big to fail

Ausgerechnet Italien, dessen hohe Staatsverschuldung und steigende Refinanzierungskosten seiner Staatsanleihen die Eurozone vor wenigen Jahren schon an den Rand des Abgrunds brachten, weil Hilfskredite an Italien die Kapazitäten des Europäischen Stabilitätsmechanismus gesprengt hätten – was nach wie vor der Fall wäre. Oder gerade deswegen Italien? Eine technokratische Regierung stieß seinerzeit unbequeme Reformen an, die von sozialdemokratisch geführten Regierungen fortgeführt wurden. Die in der Folge gärende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem politischen Establishment brachte nach den diesjährigen Wahlen und einer umständlichen Koalitionsbildung schließlich die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsradikale Lega Nord an die Regierung.

Der Parteienforscher Piero Ignazi analysiert die Umbrüche im italienischen Parteiensystem in der Publikation „Italien steht vor einem heißen Herbst“ für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung. Er stellt die Ungleichheit der Koalitionspartner heraus: Die Fünf-Sterne-Bewegung hat kaum Regierungserfahrung und fällt mitunter durch Inkompetenz auf. Der kleinere Partner Lega Nord um den Innenminister Matteo Salvini treibt dagegen Politik, Medien und EU geschickt vor sich her. Die Opposition ist gespalten,  die sozialdemokratische Partito Democratico mit der Aufarbeitung ihres politischen Abstiegs beschäftigt und strategisch uneins. Allerdings ist auch die Regierungskoalition nicht ohne innere Spannungen, könnte aber ihre Reihen wieder schließen durch die Streits mit der EU, die Salvini regelmäßig vom Zaun bricht. Die hohen Popularitätswerte der Regierung legen einen innenpolitischen Nutzen dieser Strategie nahe.

Von der Masche zur Methode?

Jenseits der Durchsetzung seiner nationalen Interessen ist daher von Italien europapolitisch aktuell leider nicht viel zu erwarten, etwa bei einer nachhaltigen Flüchtlingspolitik oder in der von Emmanuel Macron angestoßenen Debatte zur Zukunft der europäischen Integration. Die Position Italiens in der Haushaltspolitik greift die Sparpolitik der EU an, die Deutschland maßgeblich vorangetrieben hat und für unverzichtbar für die Stabilität des Euro erachtet. An einseitiger Fokussierung auf Haushaltsdisziplin gibt es viel berechtigte Kritik, Verteilungsfragen und Ungleichheit, die der Euro mit sich gebracht hat, müssen entschlossener thematisiert werden. Hierfür ist der italienische Konfrontationskurs allerdings ein gefährlicher Weg – trüge er Früchte, fände er vielleicht bald Nachahmer. Neben den möglichen wirtschaftlichen Folgen wäre auch die Masche dahinter destruktiv für die ohnehin schon angeschlagene Kultur des politischen Umgangs miteinander in der EU. Die Versuchung, durch die Euro-Politik entstandene soziale Fehlentwicklungen über nationale Haushalte zu korrigieren statt über europäische Reformen, könnte dann noch größer werden.

Ansprechpartnerin in der Stiftung

Beate Martin

Ignazi, Piero

Italien steht vor einem heißen Herbst

Die politische Lage Italiens nach den Wahlen vom 4. März 2018
Rom, 2018

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Ansprechpartner

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0228 883-7106
Jochen.Dahm(at)fes.de

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