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Gegen die Krise als Dauerzustand hilft mehr soziale Gerechtigkeit – und womöglich etwas Distanz zum Diskurs.
Bild: Ausweg von Henry Herkula lizenziert unter CC BY-SA 2.0
Die Krise ist schon ein eigenartiger Zustand, vor allem, wenn sie so omnipräsent ist. Wirtschafts-, Finanz-, Schulden-, Griechenland-, Euro-, ja Demokratie-Krise; Für Europäerinnen und Europäer scheinen momentan überall nur Krisen zu herrschen. Und während wir also von einer in die nächste taumeln oder uns sogar in „multiplen Krisen“ verheddern, passiert – gar nicht so viel.
Sicher, das könnte auch nur der „rasende Stillstand“ (Paul Virilio) der sich immer breiter machenden kapitalistischen Gegenwart sein, dieser Metazustand einer durch Globalisierung und Digitalisierung befeuerten Beschleunigung unseres Erdendaseins. Das Hamsterrad als Zentrifuge, der Laden fliegt uns um die Ohren und wir rennen besser einfach noch schneller, bevor alles zusammenbricht. Schon möglich.
Aber es könnte auch sein, dass wir uns in diesen Zustand hinein reden (lassen), dass sich sogar eine gewisse Lust am Krisenhaften eingestellt hat. Fast wie bei den Nachrichten – je dramatischer, desto erfolgreicher – oder beim Wetter – irgendwas braucht man eben als Gesprächsthema.
Allerdings kommt es natürlich darauf an, wo man sich im Macht- und Wohlstandsspektrum befindet, welche Lebenschancen man als selbstverständlich erachten kann oder sich erkämpfen muss. Aber sind die Armen und Ohnmächtigen in der Krise?
Es steht immer etwas auf dem Spiel und „alles ist gefährlich“, womit „immer etwas zu tun“ ist, so Foucault. Und es klingt in der Krise – auf Griechisch Entscheidung – immer auch etwas Positives mit: Endlich die Möglichkeit, die Dinge in eine andere, bessere Richtung zu bewegen, endlich verkrustete Strukturen aufbrechen!
Was wollen wir aber? Hinsichtlich der EU hat eine von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene Studie dazu Licht ins Dunkel gebracht. Sie befragte Bürger_innen zu ihren Sorgen und Erwartungen in Bezug auf die Europäische Union in acht Ländern: in den vier EU-Gründungsstaaten Frankreich, Italien, Niederlande und Deutschland; in Spanien und Schweden als mittlere Generation sowie in Tschechien und die Slowakei für die „neuen“ Mitgliedstaaten. Dabei ergab sich zwar kein einheitliches oder homogenes Bild. Allerdings zeigte sich, dass es gar keine durchgehende oder mehrheitliche Ablehnung der EU gibt. Vielmehr sehen viele Bürger_innen die Union in bestimmten Politikfeldern sogar zusätzlich in der Pflicht, darunter in der Sicherheits- oder der Energiepolitik. In anderen Bereichen jedoch wünscht sich eine Mehrheit den Vorrang des Nationalstaats (zurück). Durchweg aber sind es vor allem die sozial Schwächeren, die sich nichts von der EU erwarten – ein aus Erfahrung gewachsener Pessimismus?
Vorgestellt und diskutiert wurden die Umfrageergebnisse zuletzt auch im württembergischen Nürtingen im Rahmen der Eine-Welt-Tage und Friedenswochen Mitte November. Im Publikum – und gekommen waren mehr als erwartet – überwog hier die Sorge um Europa und die EU, unser gemeinsames Zuhause und das Werk von Millionen von Menschen nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs. Das ist Sorge und nicht die „Sorgen“ der Bedenkenträger von Rechtsaußen – ein Euphemismus für eine üble Mischung aus Angst und Faulheit. Und zahlreich waren die Stimmen, die die soziale Gerechtigkeit ins Hintertreffen geraten sehen, in Deutschland, aber auch in der ganzen EU.
Hier liegt sicher ein Schlüssel für den Umgang mit „Kriseneuropa“. Zwar liegt ein europäisches Institutionengefüge, das ähnlich den Wohlfahrtsstaaten Sozialpolitik betreiben könnte, noch in einer mehr oder weniger fernen Zukunft. Doch muss darum jetzt gekämpft werden, denn ein Rückzug ins nationale Volksheim ist eine schlechte Option – die liberale Öffnung und Pluralisierung Europas sollte man nicht leichtfertig aufgeben wollen.
Ansprechpartnerin in der Stiftung:
Sarah Hepp
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