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Eine strengere Regulierung von Rüstungsexporten in Krisenregionen vermindert Fluchtursachen – und macht die deutsche Diplomatie glaubwürdiger.
Frieden wäre ohne solche Reisen nicht möglich: Immer wieder ist Außenminister Sigmar Gabriel seit Ausbruch der Krise zwischen Katar und Saudi-Arabien im Sommer zwischen den zerstrittenen Golfstaaten hin- und hergependelt. Bei Gesprächen in Kuweit, Riad, Abu Dhabi und Doha setzte er auf Deutschlands Gewicht als Wirtschaftsmacht in der arabischen Welt – und auf das immer wieder zitierte Image der Bundesrepublik als „ehrlicher Makler“. Bislang vergebens: Auch fünf Monate nachdem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Bahrein die Beziehungen zu Katar abbrachen, ist ein Ausweg aus dem Bruderstreit der sunnitischen Petrodollarmonarchien nicht in Sicht, der unmittebar nach dem Besuch des US-Präsident Donald Trump in Riad im Mai begann.
Ein Grund, weshalb es Berlin an Glaubwürdigkeit als Friedensakteur im festgefahrenen Konflikt mangelt, liegt auf der Hand: 2016 zählten Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu den Topempfängern deutscher Rüstungsgüter in der Region; ein Jahr zuvor war Katar der Hauptabnehmer von Waffen und Militärtechnik made in Germany – nicht nur in Nahost, sondern weltweit. Auf 1,66 Milliarden Euro beliefen sich die vom Bundessicherheitsrat genehmigten Einkäufe durch das Herrscherhaus des jungen Emirs Tamim Bin Hamid Al Thani.
Diese Exportpolitik widerspricht nicht nur den deutschen Rüstungsexportkontrollrichtlinien, sondern auch dem 2008 gefassten Gemeinsamen Standpunkt der Europäischen Union. Sowohl der Achtung der Menschenrechte wie der inneren Lage im Empfängerland und dem Risiko der unerwünschten Weiterleitung der Waffen wird darin Rechnung getragen. Doch leider nur auf dem Papier: Obwohl das Europäische Parlament 2016 in einer Resolution forderte, Rüstungsexporte an die im Jemen-Krieg beteiligten Golfstaaten auszusetzen, liefert Berlin ungerührt weiter an Riad, Doha und Abu Dhabi.
Und das, obwohl die 2015 vom inzwischen zum Kronprinzen aufgestiegenen saudischen Verteidigungsminister Mohammed bin Salman begonnenen Bombardements für die vielleicht größte humanitäre Katastrophe weltweit gesorgt haben: 17 Millionen Menschen sind im Jemen auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen, Hunderttausende an Cholera erkrankt und fast drei Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht. Dass es bislang lediglich 280.000 Menschen geschafft haben, das Armenhaus der arabischen Welt zu verlassen, um anderswo Asyl zu beantragen oder als Flüchtling anerkannt zu werden, ist nur der geographischen Lage Jemens am Südrand der arabischen Halbinsel geschuldet.
Die von Deutschlands Partnern am Golf betriebene Aufrüstung hat zu einer Eskalation und Verlängerung der Konflikte geführt – und Millionen in die Flucht getrieben, im Jemen, Syrien, Irak und Libyen. Daran tragen auch jene EU-Staaten Schuld, die allzu lange auf repressive Regime wie die Gaddafis und Assads setzten, als vermeintliche Alternativen zu Al Qaida oder dem Islamischen Staat – in bestürzender Verwechslung von Stabilität mit Stagnation. Dabei haben die arabischen Aufstände von 2011 deutlich gezeigt, dass sich ein Ende von Machtmissbrauch und Unterdrückung nur durch Transparenz sowie mehr Bürgerbeteiligung erreichen lässt. Eine weitere Zusammenarbeit mit den Diktaturen der Region im Sicherheitssektor schafft bestenfalls vorübergehend Friedhofsruhe, nicht aber nachhaltige wirtschaftliche und soziale Sicherheit.
Gegenüber Ägypten wiederholt Deutschland gerade die Fehler aus der Mubarak-Ära: Für 400 Millionen Euro genehmigte die Bundesregierung 2016 Rüstungsexporte an das Regime des früheren Armeechefs Abdel Fattah al Sisi, den Gabriel bei einem Besuch in Kairo im selben Jahr als „beeindruckenden Präsidenten“ adelte. Kritischer Dialog sieht anders aus. Und unmittelbar vor Merkels Ägypten-Besuch im März sickerte durch, dass der unter ihrer Leitung tagende Bundessicherheitsrat der Lieferung von 330 Sidewinder-Luft-Luft-Raketen zugestimmt hatte – tödliche Hilfe, die neue Fluchtgründe schafft, nicht verhindert.
Finanziert werden die Ausfuhren übrigens vom reichen Verbündeten Sisis im Kampf gegen den islamistischen Terror, Saudi-Arabien. In Riad muss deshalb ansetzen, wer eine wirklich an der Verhinderung von Fluchtursachen orientierte europäische Rüstungspolitik im Nahen Osten beginnen will.
Angesichts anhaltender Repression im Innern und der verheerenden Rolle der saudischen Luftwaffe im Jemen sollte die Bundesregierung einen konsequenten Stopp aller Waffendeals mit dem wahhabitischen Königshaus beschließen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar gehören auf eine rote Liste gesetzt und die Sicherheitszusammenarbeit mit Ägypten beendet. Und Berlin sollte seinen Partnern in Nahost noch deutlich stärker als bislang Expertise zur demokratischen Reform von deren Sicherheitssektoren anbieten – eine bessere Anschubhilfe, um den Zerfall weiterer Staaten in Nahost zu verhindern, kann es nicht geben. Denn nur wenn Militär und Polizei einem rechtsstaatlichen und parlamentarischen Kontrollsystem unterstellt sind, behält Sicherheit eine menschliche Dimension. Ein Generationenprojekt, gewiss, aber eben auch ein Friedensprojekt.
Autor
Markus Bickel berichtete in den letzten zwei Jahrzehnten für zahlreiche Medien, unter anderem aus Sarajevo, Pristina, Beirut und Damaskus. Zuletzt war er Nahostkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Kairo. 2017 erschien von ihm "Die Profiteure des Terrors – Wie Deutschland an Kriegen verdient und arabische Diktaturen stärkt" (Westend-Verlag).
Kontakt: Felix Braunsdorf, FES-Referent für Migration und Entwicklung
Dieser Beitrag greift die Botschaft "Friedenspolitik von heute vermindert Fluchtursachen von morgen" des Projekts "Migration gestalten - gerecht und global!" auf.
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