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Bei der Frage, wie es nun weitergehen soll mit der Europäischen Union scheiden sich selbst bei Pro-Europäern die Geister: Mehr Integration oder anhalten und abwarten? Die Diskussion über die Zukunft der EU geht gerade erst los.
Bild: Bild: Pavilhão de Portugal - Lisboa Urheber: Ana Guzzo Lizenz: CC BY-NC 2.0
Mit der Entscheidung der Britinnen und Briten für den Austritt aus der EU ist das europäische Integrationsprojekt so politisch geworden, wie es wohl nicht einmal bei seiner Gründung war. Klar ist: Noch nie ist es bei den Menschen so unbeliebt gewesen – und gleichzeitig hat es nie so viele engagierte Befürworter_innen der Einigung gegeben. Kurz: Die Zugehörigkeit zur EU ist zu einer echten demokratischen, ja schicksalshaften Streitfrage geworden.
Bei einer Veranstaltung in Hamburg wurden einige Punkte der Diskussion um Europas Zukunft angegangen. Das Julius-Leber-Forum hatte in Kooperation mit dem Europa Kolleg Hamburg in die Universitätsbibliothek eingeladen, um die „EU nach dem Brexit“ in den Blick zu nehmen. „Time to say goodbye?“, war die Veranstaltung fast wehmütig überschrieben. Auf die eine oder andere Weise muss die Frage sicherlich bejaht werden, denn „Brexit means Brexit" – das hat die neue britische Premierministerin Theresa May bereits klargestellt.
Aber der Weg dahin ist weit, wie Markus Kotzur vom Europa-Kolleg deutlich machte. Der Austrittsprozess werde sicher länger als zwei Jahre brauchen. Man betrete juristisches Neuland, gerade auf das Kleingedruckte in der neuen Partnerschaft werde es ankommen. Die Verhandlungen mit Großbritannien werden ganz pragmatisch geführt, versicherte Niels Annen, Außenpolitischer Sprecher der SPD im Bundestag. Niemand wolle die Briten als Partner verlieren. Es gehe darum, das Beste aus der Situation zu machen und sicher nicht um Rache an den Briten. Allerdings werde es, so betonte er, auch kein Rosinenpicken geben.
Brendan Simms, Geschichtsprofessor in Cambridge, warnte, dass der Schaden für die EU größer sein werde als für Großbritannien. Die verbleibenden 27 Staaten sollten sich schleunigst zu einer echten Union zusammenschließen. Dafür streitet er auch mit dem „Project for a Democratic Union“, ein Think Thank, der sich die volle politische Union aller Länder der Eurozone auf die Fahnen geschrieben hat.
Cord Jakobeit, er lehrt an der Hamburger Universität Internationale Beziehungen, räumte diesem Projekt jedoch keine Erfolgschancen ein. Er machte die Rede von der angeblichen Alternativlosigkeit für das schlechte Bild von Europa verantwortlich. Die Tatsache, dass so wenig neue Vorschläge gemacht würden, nahm er als Indiz dafür, dass die Krise letztlich nicht sehr real sei. Möglich ist aber auch, dass viele Politiker_innen mit ihrem Latein tatsächlich am Ende sind.
Umso wichtiger sind Veranstaltungen wie diese. Das Interesse war groß, die Konzentration und das Niveau der Beiträge hoch. In die angeregte Diskussion mischte sich beim mehrheitlich studentischen Publikum auch ein besorgter Ton im Hinblick auf die Zukunft. Tatsächlich scheint ein „Weiter-so-wie-bisher“ problematisch. Die Klage über zu wenig Demokratie in der EU ist mehr als berechtigt. Doch es ist mithin an den demokratischen Kräften, den Bürgerinnen und Bürgern, sich für ihre Gemeinwesen einzusetzen. Soll dazu die Europäische Union gehören, braucht es mehr people in power.
Die harten Gegner Europas bilden wahrscheinlich nicht die Mehrheit ab, sie sind in letzter Zeit jedoch lauter und verschaffen sich sehr erfolgreich Gehör. Es ist an der Zeit, dass sich die proeuropäischen Kräfte, auch wenn es noch so verschiedene Ansichten gibt, mindestens ebenso stark für die Zukunft des Kontinents engagieren. Die Diskussion, welche politische Form sie erhalten soll, sollte dabei so breit wie möglich geführt werden. Denn ein Ergebnis des Brexit-Referendums ist auch: Alternativlosigkeit gibt es nicht.
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