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Korruption trifft Pandemie: Ohne die Rechtsstaatsmissionen CICIG und MACCIH ist internationale Unterstützung wichtiger denn je.
Bild: »Grrrr!!! Demonstration in Guatemala: A luchar contra la corrupción« (Grrrr!!! Gegen die Korruption kämpfen) von Keneth Cruz, www.flickr.com
Wir sprachen mit Antonia Tilly, Projektassistentin im FES-Büro Zentralamerika mit Sitz in Costa Rica, über ihre Publikation »Der Letzte löscht das Licht: Düstere Aussichten für die Korruptionsbekämpfung in Zentralamerika nach dem Ende von CICIG und MACCIH«.
Der Gesundheitssektor in beiden Ländern wurde in der Vergangenheit immer wieder von Korruptionsskandalen erschüttert. In Guatemala soll ein Korruptionsnetzwerk im Gesundheitsministerium jahrelang Schmiergelder für den Bau und die Instandsetzung von Krankenhäusern erhalten haben, eine Untersuchung hierzu wurde im vergangenen Jahr von der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG, Comisión Internacional contra la Impunidad en Guatemala) und der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft angestoßen. In Honduras hatte 2015 ein Korruptionsskandal im Sozialversicherungsinstitut zur Einrichtung der Rechtsstaatsmission MACCIH (Misión de Apoyo contra la Corrupción y la Impunidad en Honduras, Unterstützungsmission gegen Korruption und Straflosigkeit in Honduras) geführt. Diese bilden nur die Spitze informeller politökonomischer Netzwerke, die die staatlichen Institutionen durchdrungen haben. Der Gesundheitssektor wurde in beiden Fällen durch den Missbrauch öffentlicher Mittel in seinen Grundstrukturen geschwächt. Es fehlt an Medikamenten, Infrastruktur und Personal.
Gleichzeitig ist der Zugang zum jeweiligen Gesundheitssystem ungleich verteilt: Zum einen gibt es große regionale Unterschiede, in einigen ländlichen Regionen gibt es schlicht keine öffentliche Gesundheitsversorgung. Zum anderen klafft die Schere zwischen Arm und Reich auch im Gesundheitsbereich weit auseinander. Guatemala und Honduras gehören zu den Ländern mit der größten sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit in Lateinamerika, mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Die allerwenigsten können sich eine private Versicherung leisten. Zugleich gibt es eine kleine, sehr reiche Elite. Diese extreme Ungleichheit wird durch Korruption und Straflosigkeit zementiert: Öffentliche Mittel, die für die Verbesserung der Lebensumstände der Bevölkerung eingesetzt werden könnten, werden für private Interessen missbraucht. Ein aktueller Bericht des nationalen Antikorruptionsrates in Honduras schätzt, dass dem honduranischen Staat durch Korruption jährlich zwischen zehn und 12,5 Prozent seines BIP verloren gehen.
Die aktuelle Krise öffnet leider Tür und Tor für Korruption und Missmanagement. Es wurden umfangreiche Nothilfe-Fonds für die Einstellung von Personal, die Beschaffung von Equipment und die Verbesserung der Krankenhausinfrastruktur eingerichtet, ihre Verwaltung ist jedoch hochgradig intransparent. In beiden Ländern werden bereits mutmaßliche Korruptionsfälle im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung untersucht, NGOs und die Zivilgesellschaften schlagen Alarm. Medizinische Hilfsgüter und Schutzausrüstung sollen zu überhöhten Preisen gekauft worden sein, die Vergabe von Aufträgen ist unzureichend dokumentiert und undurchsichtig. In Guatemala mussten bereits zwei Vizeminister im Gesundheitsministerium ihren Posten räumen, bei einem gibt es Untersuchungen wegen Amtsmissbrauchs. In Honduras ermittelt die Staatsanwaltschaft aktuell wegen des Kaufs von sieben mobilen Krankenhäusern im Wert von rund 50 Millionen US-Dollar für die Versorgung von COVID-19-Patient_innen. Dieser Kauf erfolgte Anfang April, ohne Garantien oder Strafklauseln für verspätete Lieferungen. Fast drei Monate später sind die bestellten Krankenhäuser noch immer nicht eingetroffen – die ersten zwei werden frühestens im Juli erwartet. Gleichzeitig ist die Situation in beiden Ländern dramatisch, denn das ohnehin schwache Gesundheitssystem hat nicht die nötige Infrastruktur für eine umfangreiche Notfallversorgung, und die Fallzahlen schnellen in die Höhe. Das medizinische Personal kämpft unter prekären Bedingungen und mit unzureichender Schutzausrüstung gegen die Pandemie. Zu der Gesundheitskrise kommt eine sozioökonomische Krise, die die Situation weiter verschärft.
Gerade jetzt wird deutlich, wie wichtig der Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit in beiden Ländern ist. Vor allem die CICIG in Guatemala hat große Erfolge erzielt, aber auch die MACCIH in Honduras hat Beachtliches geleistet. Neben den untersuchten Fällen wurden zahlreiche Reformen angestoßen und Vorschläge erarbeitet, wie staatliche Institutionen gegen Korruption gestärkt werden können. Das politische Aus der Missionen war allerdings in beiden Ländern ein herber Rückschlag, vor allem für die Zivilgesellschaft, deren Drängen und Unterstützung diese überhaupt erst möglich gemacht hatte. Der Kampf gegen Korruption geht trotzdem weiter, getragen von Sondereinheiten der Staatsanwaltschaft, zivilgesellschaftlichen Organisationen und einigen progressiven Kräften innerhalb der Institutionen. Er ist aber noch schwieriger und gefährlicher geworden. Wichtig ist deshalb, dass sich die internationale Gemeinschaft nach dem Aus von CICIG und MACCIH nicht abwendet und die Region nicht aus dem politischen Blickfeld gerät. Die internationale Unterstützung und Aufmerksamkeit für den Kampf gegen Korruption und Straflosigkeit in Guatemala und Honduras ist jetzt wichtiger denn je.
Tilly, Antonia
Düstere Aussichten für die Korruptionsbekämpfung in Zentralamerika nach dem Ende von CICIG und MACCIH / Antonia Tilly. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Referat Lateinamerika und Karibik, Juli 2020. - 41 Seiten = 1,3 MB PDF-File. - (Analyse). - (Demokratie und Menschenrechte)Electronic ed.: Berlin : FES, 2020ISBN 978-3-96250-598-1
Zum Download (PDF) (1,3 MB PDF-File)
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