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In den Beziehungen zu Russland braucht Westeuropa einen langen Atem. Selbstbewusstsein, Vernunft und Interessenausgleich sind angesagt.
Bild: putin sunglasses von Jedimentat44 lizenziert unter CC BY 2.0
Die Annexion der Krim und die Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine; Propaganda und mutmaßliche Versuche der Wahlbeeinflussung; Unterstützung rechtsnationaler und populistischer Parteien in ganz Europa; der unaufgeklärte Mordversuch an einem Ex-Agenten in Großbritannien; der demonstrative Schulterschluss mit den Potentaten in Teheran und Ankara – und das sogar, obwohl man im Syrienkrieg auf gegnerischen Seiten kämpft.
Die Liste allein der aktuellen Zerwürfnisse zwischen Putins Russland und dem Westen ist schier endlos. Moskau positioniert sich gegen den liberalen Westen, wo es nur geht. Isoliert und wegen des Ukrainekonflikts immer noch mit Sanktionen belegt, versucht man sich daran, die Autoritäre Internationale des 21. Jahrhunderts zu schmieden. Der Ansatz ist durchaus erfolgversprechend, das antiwestliche Lager wächst und auch in der EU hat es seine Unterstützer. Überhaupt scheint der Stern der liberalen Weltordnung im Sinken begriffen. Zumindest ist unter einem erratischen Donald Trump in den USA und einer sich nach den Krisen des vergangenen Jahrzehnts gerade berappelnden EU wenig zu erwarten, was zu einer konstruktiven Weiterentwicklung internationaler Institutionen beitragen könnte. Die gewieften Politstrategen im Kreml verstehen zudem ihr Handwerk: jeder taktische Fehler des Gegners wird zum eigenen Vorteil ausgenutzt – so wie im Falle der sofortigen kollektiven Ausweisung russischer Diplomaten, die Russland im eigenen Sinne erfolgreich umdeutete.
Politisch haben die Beziehungen einen vorläufigen Tiefpunkt erreicht und die Fronten verhärten sich zusehends. In Syrien wütet ein mörderischer Krieg, der die Gefahr einer direkten Konfrontation der ehemaligen Großmächte des Kalten Krieges birgt. Die Lage ist also hochgradig vertrackt. Was ist zu tun?
Matthias Platzeck, ehemaliger SPD-Landesvorsitzende und Ministerpräsident Brandenburgs ist seit 2014 Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums. Unermüdlich ist er seitdem um die Verbesserung der Beziehungen zwischen Deutschland und Russland bemüht. Auch auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung ist er bisweilen unterwegs. So sprach er im März im sächsischen Delitzsch über „Deutschland, Russland und Europa – Brauchen wir einander?“. Rund 150 Interessierte kamen und die Mehrheit nahm seine Positionen wohlwollend auf. Platzeck warb für mehr Verständnis und einen politischen Dialog mit dem großen Nachbarn im Osten. Die Sanktionen seien wirkungslos und die Angst Russlands vor einer NATO-Erweiterung ernst zu nehmen. Wichtigstes Ziel müsse die Erhaltung des Friedens in Europa sein. In der Krimfrage könne man sich derzeit nur darauf einigen, dass man sich nicht einigen kann. Tatsächlich befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung eine Annäherung an Russland: 81% sprechen sich laut einer Umfrage der Körber-Stiftung für ein engeres Verhältnis zum großen Nachbarn im Osten aus.
Sicher ist die Verbesserung der Beziehungen mehr als wünschenswert. Auch steht außer Frage, dass Russland angesichts der zahlreichen kulturellen wie historischen Parallelen zu Europa gehört. Gleichzeitig ist das Bild Russlands im Westen mehr von Vorurteilen und als durch eigene Erfahrungen geprägt. Wie viele Studierende machen ein Auslandssemester in St. Petersburg, Nischni Nowgorod oder Kasan? Wie viele besuchen das Land als Touristen oder lernen die Sprache? Auf gesellschaftlicher und kultureller Ebene sollte sicher viel mehr getan werden, um das Interesse und das Wissen von und übereinander zu vergrößern.
Und ja, der europäische Westen sollte auch politisch auf Russland zugehen. Die Aufhebung der Sanktionen ist möglich, wenn sich Moskau endlich wirksam für die Beilegung der Kriegshandlungen in der Ostukraine einsetzt und mit einem konstruktiven Vorschlag für die Zukunft aufwartet. Klar ist indes, dass der Beitrag Russlands zur politischen Kultur nichts Nachahmenswertes bereithält. Zwar sollten wir uns mit moralischer Überheblichkeit zurückhalten. Doch auch Dostojewski, der Gewährsmann für die „tiefe russische Seele“ und damit oft Kronzeuge der Russland-Versteher, wollte nichts vom „Geist des Westens“ wissen. Menschenrechte und politischen Freiheiten sind nicht verhandelbar.
Ansprechpartner in der Stiftung
Matthias Eisel
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