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Viele Länder Afrikas befinden sich in einer Staatsschuldenkrise, die durch den weltweiten Anstieg von Preisen auf Energie oder Nahrungsmittel noch verschärft wird. Ein neues Instrument der AU könnte Hilfestellungen bei Umschuldungen oder Verhandlungen mit Gläubigern bieten.
Die Verschuldungsprobleme afrikanischer Staaten sind seit einiger Zeit wieder zurück auf der internationalen politischen Agenda. Während Verschuldungsstände schon vor der Covid-Pandemie kletterten, hat der weltweite wirtschaftliche Abschwung seit Mitte 2020 dazu beigetragen, dass die öffentlichen Haushalte in den meisten Ländern auf dem Kontinent inzwischen in krisenhafte Turbulenzen gekommen sind. Von den 55 Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union befinden sich bereits 23 im oder nah an der Grenze zum sogenannten „debt distress“, also in einer Staatsschuldenkrise mit dem Risiko der Zahlungsunfähigkeit (vgl. https://library.fes.de/pdf-files/bueros/fes-ua/19365.pdf) – Tendenz steigend. Verschärft wird die Lage durch den weltweiten Anstieg von Preisen auf Energie und Nahrungsmittel, auf deren Import viele Länder in Afrika angewiesen sind. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat die Situation zusammen mit dem Wirtschaftsdirektorat der AU-Kommission (ETTIM Department) in zwei Studien untersuchen lassen.
Staatsverschuldung ist kein neues Phänomen, in den vergangenen Jahrzehnten hat es etliche Verschuldungskrisen gegeben, in denen sich Länder gezwungen sahen, Schulden umzustrukturieren oder Schuldenerlasse mit Gläubigern zu verhandeln. Immer wieder hat die internationale Gemeinschaft, zumeist angeführt von Weltbank, IWF und den Paris-Club-Ländern, in Schuldenerlassinitiativen wie bspw. dem Toronto-Plan (1988), HIPC (ab den 90er Jahren) oder MDRI (2005) auf diese Krisen reagiert. Die derzeitige Krise lässt sich jedoch nicht einfach in diese Reihe einordnen – und damit versagen auch die eingeübten Lösungswege.
Hauptgrund dafür ist ein Wandel in der Gläubigerstruktur in den Ländern des Globalen Südens. Während afrikanische Länder traditionell Darlehen bei den Ländern des Pariser Clubs sowie multilateralen Institutionen wie IWF und Weltbank aufgenommen haben, hat sich seit Beginn der 2000er der Anteil privater Gläubiger sowie von Ländern außerhalb des Pariser Clubs stark erhöht.
Öffentliche Verschuldung afrikanischer Länder nach Gläubigerart in Millionen USD:
Private Gläubiger (das sind z.B. kommerzielle Banken oder Hedgefonds) halten inzwischen knapp 40% der Schulden auf dem afrikanischen Kontinent – und das zu i.d.R. höheren Zinskonditionen als die Darlehen der traditionellen Gläubiger. Dies hat zur Folge, dass der jährliche Schuldendienst zu weit mehr als 50% an private Gläubiger fließt. Und mit Blick auf Umschuldungs- oder Erlassinitiativen gilt bislang: private Gläubiger zeigen kein Interesse, sich hier an internationalen Runden mit anderen Gläubigern zu beteiligen. Dies alles bedeutet, dass die erhebliche Belastung der öffentlichen Haushalte afrikanischer Länder durch die Verschuldung und mögliche Lösungswege aus der Krise erheblich komplexer geworden sind.
Die AU versucht die Verschuldungsprobleme seiner Mitgliedsländer zu thematisieren, der zuständige Kommissar Albert Muchanga hat wiederholt betont, dass er dies als eines der prioritären Themen ansieht. Aber die AU kann derzeit nicht viel mehr erreichen als Foren und Debattenplattformen anzubieten, in denen sich die Mitgliedstaaten austauschen und – so die Hoffnung – dann evtl. auch stärker untereinander abstimmen und koordinieren. Beim jährlichen Treffen der Fachminister_innen für Wirtschaft und Finanzen (das sogenannte STC-Meeting) in Lusaka, Sambia, im Juli, brachte die AU-Kommission, auf Grundlage einer Ausarbeitung durch die FES, zudem den Vorschlag der Etablierung eines „African Debt Observatory“ (ADO) ein. Die Idee hinter diesem ADO ist, dass dort v.a. Schuldenstatistiken aus den afrikanischen Ländern zusammengetragen und aufbereitet werden. Viele Daten finden sich zwar auch in den speziellen Schuldenstatistiken von Weltbank und IWF, aber zum einen hängen diese Statistiken zeitlich hinterher, zum anderen beinhalten sie keine Daten zu inländischer Verschuldung. Das ADO könnte also in engem Austausch mit den jeweils zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten sowohl aktuelle Daten zusammentragen als auch ein vollständigeres Bild der Verschuldungsstände zeichnen, um auf dieser Grundlage Vorschläge zu Umschuldungen bzw. Restrukturierungen zu erarbeiten. Bei entsprechender Ausstattung könnte ein ADO auch konkrete Hilfestellungen geben bei Schulden(neu)verhandlungen afrikanischer Länder mit Gläubigern. Damit würde auch dem Kapazitätsproblem entgegengewirkt, das viele, insbesondere kleine Länder haben, wenn sie sich in solch komplexen Verhandlungssituationen wiederfinden.
Der Vorschlag der AU-Kommission wurde in Lusaka allerdings noch als unvollständig von den Mitgliedstaaten bewertet und zur Überarbeitung zurückgegeben. Zum einen soll geprüft werden, inwiefern bereits bestehende Institutionen wie das STATAFRIC in Tunesien oder das ISSEA in Yaoundé solch eine Aufgabe evtl. übernehmen könnte. Zudem soll der genaue Auftrag für ein solches Observatory noch einmal geschärft werden. Neben dem Bewusstsein, dass dringend Wege zur Lösung der Verschuldungsproblematik gefunden werden müssen, steht das Bemühen, mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen effizient umzugehen und bestehende Strukturen so gut es geht zu nutzen. Einig sind sich Mitgliedstaaten und AU-Kommission aber in jedem Fall in dem Anliegen, die Debatte über Entschuldungsansätze nicht den Gläubigern zu überlassen, sondern selbst eine aktivere Rolle in den internationalen Diskussionen einzunehmen.
Alexander Geiger leitet das FES-Büro zur Kooperation mit der Afrikanischen Union (AU) mit Sitz in Addis Abeba, Äthiopien.
Website: african-union.fes.deinfo(at)fes-au.org
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