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Die Sozialdemokratie ist so geschwächt wie nie. Für einen Politikwechsel braucht es breite linke Bündnisse.
Bild: Delacroix on the 25th April in Athens (1975) Nikias Skapinakis (1931) von Pedro Ribeiro Simões lizenziert unter CC BY 2.0
Europa, wie wir es kennen, ist nicht vorstellbar ohne den Beitrag der sozialdemokratischen und sozialistischen Parteien. Wohlfahrtstaat, Chancengleichheit, gesellschaftliche Freiheiten, der Frieden – es gäbe sie nicht, hätte nicht die Linke dafür gekämpft. Heute, im europäischen Zeitalter der Krisen, steht einerseits die europäische Integration auf dem Spiel, andererseits findet sich auch die Sozialdemokratie in ihrer schlechtesten Verfassung seit 1945.
Die Wahlen letztes Jahr haben den Parteien der linken Mitte in Europa schwere Schläge versetzt. Besonders in den Niederlanden und in Frankreich haben die PvdA und die Parti Socialiste historische Wahlniederlagen erlitten – letztere steht womöglich vor dem aus. Auch in Deutschland hat die SPD so schlecht abgeschnitten wie nie seit dem Ende des Kriegs. Die jetzigen Umfragewerte liegen sogar noch unter dem schon miserablen Wahlergebnis.
Nun könnte man sagen: alles nicht so schlimm, die Sozialdemokratie hatte ihr Jahrhundert, die historische Mission ist erfüllt. Doch das hieße, es sich gar zu leicht zu machen. Denn erstens sind die Errungenschaften sozialdemokratischer Politik – Wohlfahrtsstaat, Chancengleichheit, Freiheit, Frieden – immer mehr unter Beschuss. Und zweitens mag es zwar andere linke Parteien mit ähnlichen Programmen geben, diese bedienen aber in erster Linie „ihre“ Milieus. Es ist die Sozialdemokratie, die willens ist, progressive Politik für die ganze Gesellschaft zu betreiben, gerade auch in Europa. Die Ausnahme macht vielleicht Emanuel Macron, ihm kommt jedoch das französische Präsidialsystem zugute. Zudem muss er sich erst noch beweisen.
Doch so schlecht die Lage für die Sozialdemokratie insgesamt aussieht, so gibt es auch erfolgversprechende Ansätze in anderen Ländern. In Großbritannien verlor Labour unter dem Linken Corbyn die Wahlen letzten Sommer nur überraschend knapp. In Portugal regieren die Sozialisten erfolgreich in einer Minderheitsregierung, toleriert durch Kommunisten und den linkssozialistischen Bloco de Esquerda (Linksblock). Und das so erfolgreich, dass man auf der Suche nach neuen Ansätzen auch in Berlin in den äußersten Westens Europas schaut.
So am 14. Juni auf einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Unter dem Titel „Alles neu oder zurück in die Zukunft“ diskutierte SPD-Bundesgeschäftsführer Thorben Albrecht mit Tiago Fernandes, Professor an der Universidade Nova Lisboa, Adrian Pabst von der University of Kent und Ronja Kempin, Frankreichexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Adrian Pabst zeichnete den bisherigen Erfolg von Corbyns Labour nach, der unter anderem dank der starken Mobilisierung junger Wähler*innen zustande kam. Einen Wahlsieg würde er ihm aber nicht zutrauen – zu links, zu etatistisch, zu sehr auf Minderheiten orientiert. Ob diese Einschätzung stimmt? Bei den letzten Wahlen trennen Labour und Tories nur 800.000 Stimmen. Eher als sein vermeintlich linksradikales Programm macht Corbyn sein Lavieren beim Brexit zu schaffen.
Für Ronja Kempin hat die letzte Stunde der französischen Sozialisten bereits geschlagen. Sie referierte sichtlich beeindruckt das Tempo, mit der Staatspräsident Macron sein Programm abarbeitet. Da wird wahrscheinlich nicht viel Platz für die PS bleiben, zumindest kurzfristig. Wie stark Macrons „En Marche“-Bewegung ist, wird sich nächstes Jahr bei den Europawahlen zeigen.
Bleibt das Modell Portugal. Das Land wurde in der Euro-Krise hart geprüft und ist auch jetzt noch davon gezeichnet. Doch die Wende bei Wirtschaftswachstum und auf dem Arbeitsmarkt hat der Sozialist António Costa mit Unterstützung weit links stehender Parteien geschafft. Das Erfolgsrezept hierfür: Gemeinsamkeiten betonen, Unterschiede ausklammern. So stützen Linksblock und Kommunistische Partei die Regierung, obwohl sie z. B. EU und Nato-kritisch sind. Das Besondere dieser Mitte-Links-Regierung ist denn auch, dass sie die Erhaltung und Erneuerung des portugiesischen Sozialstaates unter Einhaltung der strengen EU-Finanzregeln anstrebt, diese zugleich aber auch reformieren will, hin zu einer stärkeren Wachtstumsorientierung.
Auch Thorsten Albrecht hielt den portugiesischen Ansatz für die SPD am ehesten geeignet. Es ist also höchste Zeit, linke Allianzen vorzubereiten. Gerade auf europäischer Ebene braucht es eine starke linke Stimme für eine faire Lastenverteilung. Und die nächste Bundestagswahl kommt womöglich schneller als erwartet.
Ansprechpartner in der Stiftung
Thomas Hartmann
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