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Die neue (alte) Achse Berlin-Paris sollte sich für einen Neuanfang in der EU-Flüchtlingspolitik einsetzen – auf Basis der Menschenrechte.
Bild: Kanjiza Refugee Centre, in Northern Serbia von Martin Leveneur lizenziert unter CC BY-ND 2.0
Flucht und Migration, seit der kurzen Phase der offenen Grenzen im Sommer und Herbst 2015 sind das europaweit wahlentscheidende Themen geworden. Zwar gab es die Krise schon zuvor, ertranken jährlich mal Hunderte, mal Tausende Menschen beim Versuch das Mittelmeer zu überqueren. Besonders in Deutschland verschloss man gerne die Augen vor den Problemen, um die Menschen kümmern mussten sich schließlich Italien oder Griechenland – Dublin sei Dank.
Doch mit der Eskalation des Bürgerkriegs in Syrien, dem Staatskollaps in Libyen und der damit verbundenen großen Zahl an Flüchtenden hat sich auch in der Bundesrepublik die Perspektive gewandelt. Denn nun kamen die Menschen auch in Deutschland an und forderten ihr Recht auf Asyl. Seitdem spricht die deutsche Regierung plötzlich von Solidarität bei der Bewältigung der Herausforderungen und fordert diese von den anderen Mitgliedstaaten ein. So egoistisch dieser Wandel erscheint, falsch ist eine europäische Lösung natürlich nicht. Denn die Aufgaben im Zusammenhang mit der Migration betreffen nicht nur einzelne Länder, sondern den ganzen Kontinent.
Mit der Wahl Emanuel Macrons zum neuen französischen Präsidenten besteht jetzt die Hoffnung, dass sich auch in diesem Bereich etwas bewegen könnte. Er hat sich demonstrativ die europäischen Werte auf die Fahne geschrieben und will zusammen mit Berlin eine aktive Europapolitik betreiben.
Vielleicht bringt das den nötigen Anstoß in der europäischen Flüchtlingspolitik. Denn die schönen Worte von den Werten taugen nur etwas, wenn diese auch tatsächlich in der Politik Anwendung finden. Was das für die Zusammenarbeit der europäischen Staaten bedeutet, hat die Politikwissenschaftlerin Petra Bendel in einem Gutachten für die Friedrich-Ebert-Stiftung dargelegt. Kompass für die Neuausrichtung der Politik sollte nach Bendel eine konsequente Orientierung an den Menschenrechten sein – angefangen in der Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitstaaten, in der Seenotrettung und den Erstaufnahmezentren sowie an den Orten, wo die Flüchtenden dann Asyl beantragen beziehungsweise erhalten.
In diesem Zusammenhang fordert Bendel auch eine stärkere Einbindung des EU-Parlaments. Der Diskurs hat sich in der Flüchtlings- und Migrationspolitik immer stärker von der Innen- und Rechtspolitik in die Außen- und Sicherheitspolitik verlagert, wo das Parlament wenig Mitspracherechte hat.
Bei aller Kritik verteidigt sie auch das EU-Türkei-Abkommen. Denn hier wurde wenigsten der Versuch gemacht, eine konstruktive und kooperative Antwort auf die Migrationsbewegungen zu finden. Bei der Vorstellung des Gutachtens Ende März entzündeten sich genau an diesem Punkt die meisten Diskussionen. Belinda Bartolucci von Pro Asyl lehnte den „Deal“ aufgrund wachsender Menschenrechtsverletzungen in der Türkei ab, Elisabeth Kotthaus, Vertreterin der EU-Kommission in Berlin, verteidigte ihn – weniger Menschen verlören ihr Leben in der Ägäis.
Die derzeitige Situation erlaubt nicht unbedingt Hoffnungen auf eine rasche Neuausrichtung der Politik, Bendel sieht die Gefahr „einer weiteren Interessenspaltung, einer Renationalisierung und einer zunehmenden Entsolidarisierung entlang der Flüchtlingsfrage in Europa“. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, so der Dichter Hölderin, und auch Petra Bendel sieht die „Chance eines Umdenkens und einer Wiederbesinnung auf die menschen-rechtlichen Grundlagen und die Werte der Europäischen Union.“
Ansprechpartner in der Stiftung:
Günther Schultze
Weiterführende Links:
Petra Bendel 2017: EU-Flüchtlingspolitik in der Krise. Blockaden, Entscheidungen, Lösungen
Petra Bendel, Professorin für Politische Wissenschaft, im Interview zur Flüchtlingspolitik und warum die EU hier endlich zusammenfinden muss.
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