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Geld ist nicht alles

Im Zentrum der Griechenland-Debatte stehen vor allem makroökonomische Reformen. Mindestens ebenso nötig braucht das Land jedoch einen politisch-institutionellen Wandel.

Bild: U for Urges von Aritra Sen lizenziert unter CC BY-ND 2.0

Fallen dieser Tage die Stichworte „Griechenland“ und „Reform“, setzen diese Begrifflichkeiten vom sporadischen Zeitungsleser bis in den inner circle der europäischen Politik ähnliche Assoziationsketten in Gang. Von konservativen und wirtschaftsliberalen Kräften verteidigt, von links teils heftig kritisiert, teilen die Debatten um die Austeritätspolitik in der europäischen Währungsunion den inhaltlichen Fokus: Stets liegt dieser auf der Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung, sowie der Reform des öffentlichen Sektors, des Arbeits- und des Gütermarktes.

In den Schlaf gewiegt?

Weitgehend vernachlässigt blieb von den Autoren der Reformagenda jedoch, dass auch die einst in Griechenland selbst aus der Wiege gehobene Demokratie dringend eines gut gemeinten ‚Wachrüttelns‘, und reformwilliger Kräfte bedürfte. Im Vergleich zu anderen OECD-Staaten schneidet Griechenland in den jährlich von der Bertelsmann Stiftung erhobenen Sustainable Governance Indicators zur Qualität der Demokratie unterdurchschnittlich schlecht ab. Als Gründe werden vor allem die geringe Transparenz der Parteienfinanzierung, die fortbestehende Korruptionsproblematik sowie teils massive Verzögerungen in der Justiz – kurz: eine mangelhafte Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien – benannt. Darüber hinaus untergräbt die zwischen der griechischen Regierung und den internationalen Kreditgebern ausgehandelte und häufig per Dekret implementierte Krisen- und Reformpolitik die Legitimität der politisch Verantwortlichen und entbindet sie in weiten Teilen von ihrer Rechenschaftspflicht gegenüber den Wählerinnen und Wählern. 

Ermüdende Reformversuche

Für die überwiegend ernüchternde Bilanz der Reformbemühungen in jenen Politikbereichen, die von internationalen Vorgaben weitgehend unberührt blieben und der griechischen Demokratie zum Glanz vergangener Jahrtausende hätten zurückverhelfen können, sind jedoch in erster Linie innenpolitische Dynamiken verantwortlich zu machen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Analyse „Reform Dynamics in Greek Democracy Today“, die Dimitri A. Sotriopoulos im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung Athen verfasste. Sowohl mit Blick auf die Gewährleistung rechtsstaatlicher Prinzipien, die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien als auch hinsichtlich der Bemühungen um ein soziales Sicherungssystem können demnach vier übergreifende Ursachen des Misserfolgs identifiziert werden. Zunächst behindert die Unbeständigkeit der politischen Verhältnisse im exekutiven und administrativen Bereich die zielgerichtete Entwicklung und Implementation von Reformprojekten. Zweitens, fehlt es für deren Umsetzung schlicht an ausreichend qualifiziertem Personal. Zu Beginn der Krise wurde die Finanzierung für zahlreiche Reformprojekte zudem zugunsten anderer Maßnahmen gekürzt – fatalerweise weniger auf Basis einer sorgfältigen Erwägung der Prioritäten als vielmehr in Manier einer Vetternwirtschaft. Zu guter Letzt stellt sich eine einflussreiche Koalition populärer sozialer Interessen bis heute erfolgreich tiefgreifenden Reformen entgegen, da die Akteure vom Status Quo oder der fortbestehenden Trägheit des politischen Systems profitieren. Ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit illustriert dies: als eine ihrer ersten Amtshandlungen ordnete die derzeitige griechische Regierung eine Sonderzahlung an die Beschäftigten der staatseigenen Stromgesellschaft DEI an. Laut Sotiropoulos sei dies kein Zufall, war die hauseigene Gewerkschaft des Energieversorgers doch einer ihrer stärksten Verbündeten vor den Wahlen gewesen.

Raus aus den Federn!

Für alle, die in weiteren Reformbemühungen zur Stärkung der griechischen Demokratie angesichts dieser Lage einen Kampf gegen Windmühlen vermuten, und sich bereits ernüchtert zurück in die Kissen fallen lassen wollen, hält Sotriopoulos jedoch einen Maßnahmenkatalog bereit, der zwar – zugegeben – keineswegs der Traumwelt entstammt, dafür aber konkrete Handlungsanweisungen bereithält.
Darunter fällt unter anderem die Stärkung von Verwaltung und Massenmedien – als Gegengewicht zu Klientelismus und Vetternwirtschaft sowie die Planung und Implementation einer verpflichtenden horizontalen Mobilität öffentlich Angestellter, um dem Arbeitsbedarf in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Sektors flexibel begegnen zu können. Des Weiteren soll die Digitalisierung von öffentlichen Serviceleistungen, insbesondere solchen des Justizsystems und der sozialen Sicherung, vorangetrieben werden und neue Kommunikationskanäle zwischen Regierung, Bürgern und öffentlicher Verwaltung zur Widerherstellung der Legitimität politischer Institutionen führen.

Zukunftsorientierte Reformen müssen demnach aus einem nationalen Konsens für eine rechenschaftspflichtige, transparente und sozial-inklusive Demokratie heraus entstehen. Um den politischen Wettstreit der Ideen um die Zukunft des Landes zu eröffnen und den Weg für diesen Bottom-Up-Ansatz zu bereiten , muss die Macht zur Legitimation gesellschaftspolitischer Entscheidungen jedoch vor allem auch zurück in die Hände derjenigen gelegt werden, denen sie zusteht – und wo wenn nicht in Griechenland weiß man, wer das in einer Demokratie ist?

Ansprechpartner in der Stiftung

Ulrich Storck

Zentrale Genderkoordinatorin

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Redaktion

Dorina Spahn

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