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Das Tivoli in Gotha ist ein bedeutsamer historischer Ort in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie und ein wichtiger Ort der deutschen Demokratiegeschichte. 1875 vereinigten sich dort der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands, die sich 1890 in SPD umbenannte. Zudem wurde das Gothaer Programm verabschiedet. Zum 150. Jubiläum im Jahr 2025 soll eine neue Dauerausstellung im Tivoli entstehen.
Wir fragen uns: Wie kann Soziale Demokratie im Tivoli erlebbar gemacht werden? Wie kann Demokratiegeschichte in einer neuen Dauerausstellung vermittelt werden? Was macht das Tivoli als historisch-politischen Lernort in Thüringen aus und wo liegen die Chancen für einen Beitrag zur aktiven Stärkung der Demokratie in unserer herausfordernden Gegenwart? Die hier fortlaufend erscheinenden Essays verstehen sich als Beiträge zu dieser Diskussion und begleiten den Prozess von der Idee zur Ausstellung.
Verantwortlich
Dr. Peter Beule Angelina Schaefer
0228 883 8076Peter.Beule(at)fes.de
Joachim Brenner M.A. studierte Global History, allgemeine Geschichte und Philosophie und promoviert aktuell an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg über das Thema „Atomare Kindheit. Die Vermittlung von Atomenergie an Kinder und Jugendliche während des Kalten Krieges.“ Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neben Kindheitsgeschichte und Kulturgeschichte des Kalten Krieges auch die Geschichte der Arbeiterbewegung.
Ben Gattermann studiert Geschichte und Politik-Wirtschaft (B.A.) an der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg. Neben dem Studium arbeitet er im „Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Emslandlager“ in den Bereichen Sammlung & Social-Media. Seit Juli 2021 ist er Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Laura Boga promoviert an der Eberhard Karls Universität Tübingen im Fach Geschichte und ist Stipendiatin in der Promotionsförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Moritz Faist promoviert an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. im Fach Geschichte und ist Stipendiat in der Promotionsförderung der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Johannes Valentin Korff ist Historiker und Doktorand am Historischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Erinnerungs- und Geschichtskultur in den Unterhaltungsmedien.
Verena Weller ist Doktorandin am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Universität Mannheim und seit 2020 Promotionsstipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Das Thema ihres Promotionsprojektes lautet „Die Rolle der Frauen in der vormodernen Kreditwirtschaft.“ Von 2013 bis 2019 hat sie Geschichte und Romanistik in Mannheim, Umeå und an der Université Paris-Sorbonne studiert.
Vom 14. bis 18. Februar 2022 veranstalteten das Archiv der sozialen Demokratie und das Landesbüro Thüringen mit großer Unterstützung des Tivoli e.V. einen Workshop im Tivoli in Gotha. Stipendiat_innen der FES aus unterschiedlichen Fachrichtungen kamen mit Expert_innen der Ausstellungs- und Museumsarbeit zusammen, um verschiedene Dimensionen zwischen Konzeption, Vermittlung und Design von Demokratiegeschichte im Museum zu diskutieren und Impulse für eine neue Dauerausstellung zu geben. Von Beginn an stand der Gedanke im Vordergrund, Wissen nicht nur zu vermitteln, sondern auf Erfahrungslernen zu setzen und Ansätze wie Multiperspektivität, Partizipation und Inklusion in die Praxis umzusetzen.
In Arbeitsgruppen entwickelten die Workshopteilnehmenden konkrete Ideen für ein Ausstellungskonzept. Diese beinhalteten unter anderem Überlegungen zu einem Leitbild für das Tivoli als einem der ältesten Orte der Demokratie in Deutschland. Vermittlungsansätze sowie Gestaltungsmöglichkeiten wurden ausgearbeitet. Zudem wurden Möglichkeiten der besseren Sichtbarkeit und größeren Wahrnehmung des Hauses diskutiert.
Die hier in regelmäßigen Abständen erscheinenden Diskussionsbeiträge der Workshop-Mitwirkenden greifen die Ideen des Workshops weiter auf, konkretisieren und ergänzen sie.
So unscheinbar das Tivoli im thüringischen Gotha von außen erscheint, so bedeutend ist es für die Geschichte der Sozialdemokratie und für die deutsche Demokratiegeschichte insgesamt. Zunächst als einfaches Wirtshaus eröffnet, war es ab Mitte des 19. Jahrhunderts reger Treffpunkt für Handwerker_innen und Gewerbetreibende. Mit den zunehmenden ökonomischen Veränderungen durch die Industrialisierung und den wachsenden sozialen Ungleichheiten entstand auch in Gotha eine aktive Arbeiter_innenbewegung, die sich im Tivoli traf. Im Mai 1875 vereinigten sich der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) im großen Saal des Wirtshauses zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) und verabschiedeten das Gothaer Programm. Die Gründung der SAP im Tivoli, die sich 1890 in Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) umbenannte, stellt eine entscheidende Wegmarke in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie dar. Als Ort der Demokratiegeschichte ist das Gothaer Tivoli aufs Engste mit dem Kampf der deutschen Arbeiter_innenbewegung für politische und soziale Gleichberechtigung und soziale Gerechtigkeit verbunden.
Im Fortlauf erlebte das Tivoli wechselhafte Ereignisse, geprägt von der jeweiligen Zeit und den Umständen. Während der NS-Zeit betrieb die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt ein Kindertagesheim im Tivoli. In der DDR wurde es als nationale Arbeitergedenkstätte in den Dienst der SED-Diktatur gestellt. 1990 wurde im Tivoli wieder Demokratiegeschichte geschrieben, als sich der SPD-Landesverband Thüringen im historischen Saal des ehemaligen Wirtshauses neugründete. Einige Jahre später entstand der Förderverein Tivoli Gotha e.V., der den Gedenkort bis heute ehrenamtlich betreibt.
Der Förderverein Gothaer Tivoli e.V. hat 2005 das Haus übernommen und es seitdem zu einer bekannten Gedenkstätte mit einem vielseitigen Veranstaltungsangebot zu aktuellen und historischen Themen aufgebaut. In ehrenamtlicher Arbeit wurde die bis heute bestehende Dauerausstellung konzipiert, das Archivmaterial zur Geschichte des Tivoli gesichtet und in einigen Publikationen verarbeitet.
Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums des Vereinigungsparteitags im Jahr 2025 soll eine neue Dauerausstellung im Tivoli entstehen. Zudem soll das Tivoli als Ort der Begegnung und des Austauschs weiter etabliert werden. Als Ort der Demokratiegeschichte will das Tivoli Demokratie erlebbar machen und sowohl regional als auch über lokale Grenzen hinweg Menschen zusammenbringen, diskutieren und voneinander lernen lassen.