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Interview mit Maria Karen Viola über ihre Beweggründe nach Deutschland zu kommen, die Situation in den Philippinen und ihr neues Leben in Freiburg.
Bild: von Maria Karen Viola
Maria Karen Viola arbeitet als OP-Krankenpflegerin in der Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg. Sie absolvierte ein 4-jähriges Studium im Fach Krankenpflege, in dem ihr sowohl Theorie als auch Praxiskenntnisse im Rahmen von verpflichtendem Praxisunterricht oder betrieblicher Ausbildung vermittelt wurden. Nach Abschluss des Studiums legte sie die Lizenzierungsprüfung (Nursing Licensure Examination, NLE Board Exams) ab. In der Prüfung wurden zahlreiche Gebiete der Krankenpflege abgefragt, darunter: Grundlagenwissen, Mutter und Kind, Gemeindeversorgung, übertragbare Krankheiten, Jugendliche, Erwachsene und Senioren sowie geistige Gesundheit und Psychiatrie. Viola kam 2017 über das Triple Win Projekt (TWP) nach Deutschland. Dieses Projekt ist eine Kooperation der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), welches die Vermittlung von qualifizierten Pflegefachkräften in deutsche Betriebe zum Ziel hat. Bis zuletzt (September 2019) fanden bereits 2600 Pflegekräfte über twp deutsche Arbeitgeber. Wir sprachen mit Maria Karen Viola über ihre Beweggründe nach Deutschland auszuwandern, die Situation in den Philippinen und ihr neues Leben in Freiburg.
FES: Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, von den Philippinen nach Deutschland umzusiedeln?
Maria Karen Viola: Abgesehen von dem Wunsch nach einem besseren Arbeitsumfeld war mein Sohn meine Hauptmotivation. Als alleinerziehende Mutter bin ich sehr bereit außerhalb der Philippinen zu arbeiten, wenn ich meinem Sohn damit ein besseres Leben bieten kann. Ich könnte auch in einem anderen, besser bezahlten Beruf arbeiten, aber Pflegefachkraft zu sein, ist Teil meiner Identität und der Beruf, für den ich am besten geeignet bin. Ich weiß, dass auch in anderen Ländern wie Kanada, Australien, den USA und Neuseeland Arbeitsplätze in Pflegeberufen angeboten werden. Doch ich habe mich dank der guten Versorgungsleistungen für Arbeitnehmer_innen für Deutschland entschieden. Ein weiterer Faktor war Deutschlands geografische Lage in der Mitte von Europa. Da es im Leben nicht nur um Arbeit geht, wollte ich in einem Land arbeiten, von dem aus ich Ausflüge und Reisen unternehmen kann.
Was denken Sie, warum arbeiten so viele philippinische Fachkräfte im Gesundheitswesen im Ausland?
Der Hauptgrund ist die generelle Situation für Gesundheits- und Krankenpfleger_innen in den Philippinen. Im staatlichen und auch privaten Sektor mangelt es an Mitteln, beispielsweise für angemessene Gehaltsstufen oder Löhne, eine sichere Ratio von Pflegekräften und Patient_innen, Versorgungspakete für Arbeitnehmer_innen, Zugang zu medizinischer Grundversorgung und freien Stellen. Neben der instabilen Wirtschaftslage gibt es immer noch zu wenige Möglichkeiten für Pflegekräfte und auch im Bereich der Arbeitskonditionen gibt es noch viel Verbesserungsbedarf. Des Weiteren ist die Gewährleistung eines angemessenen Zugangs zu Gesundheitsversorgung innerhalb der Philippinen eine große Herausforderung. Jedoch ist das Land auch für seine hervorragend ausgebildeten Pflegekräfte bekannt. Dies führt – dank Rekrutierungsprogrammen aus dem Ausland – dazu, dass gerade die am qualifiziertesten und erfahrensten Fachkräfte auswandern, was wiederum die Qualität der Gesundheitsversorgung in den Philippinen potentiell beeinträchtigen könnte.
Es gibt viele in den Philippinen ansässige Rekrutierungsfirmen, die Pflegejobs im Ausland vermitteln. Sie sind mit dem “Triple Win Projekt” (TWP) nach Deutschland gekommen. Wieso fiel ihre Wahl auf dieses Programm?
Ich entschied mich für „Triple Win Projekt“, da dieses Programm eine Kooperation zwischen der deutschen und philippinischen Regierung und somit sehr sicher ist. In den Philippinen gibt es zwar viele Rekrutierungsfirmen für Jobs im Ausland, doch nicht mit jeder ist ein sicheres und legales Verfahren garantiert. Es gab bereits viele erwiesene Fälle von illegalen Werbeverfahren in den Philippinen, was ich natürlich vermeiden wollte. Auch in den letzten sechs Jahren hat TWP seine Vorreiterstellung für Einwanderung nach Deutschland nicht eingebüßt. Ich glaube, dass dank TWP mittlerweile über 900 Pflegefachkräfte aus den Philippinen nach Deutschland gekommen sind. Aber der Fairness halber sollte ich auch erwähnen, dass bereits Hunderte andere Gesundheitsfachkräfte über private Rekrutierungsagenturen aus den Philippinen hierhergekommen sind.
Sie sind Teil des philippinischen Diaspora-Netzwerks. Was genau ist ihre Arbeit dort und wie sieht sie aus?
Im Januar 2017, bereits 6 Monate vor meiner Ausreise nach Deutschland, gründete ich eine geschlossene Gruppe bei Facebook für andere Pflegefachkräfte, die in diesem Jahr ebenfalls nach Deutschland reisen sollten. Wir nutzten die Gruppe, um uns zu verbinden und auszutauschen, was in Bezug auf Alltagsprobleme, wie die Eröffnung eines Bankkontos in Deutschland, die Bewältigung von Nervosität am ersten Arbeitstag oder die Verbesserung unserer Deutschkenntnisse sehr hilfreich war. Darüber hinaus teilen wir Ressourcen miteinander, beispielsweise in den Bereichen Spracherwerb oder fachlicher Weiterbildung. Außerdem poste ich dort auch Info-Videos, die ich auf Youtube erstelle und mit denen ich Pflegekräften schon viel weiterhelfen konnte, sowohl denen, die schon hier sind, wie auch den neudazugekommenen. Mit der Zeit wuchs die Gruppe auf mehr als 10.000 Mitglieder an und ist mittlerweile eine der ersten Anlaufstellen für Nachrichten, Hilfeforen und andere für philippinische Pflegekräfte in Deutschland relevante Informationen. Die Gruppe setzt sich aus Pflegekräften, die schon hier sind, aus generell Interessierten, aus denen, die den Einwanderungsprozess schon begonnen haben sowie aus Seiten von Weiterbildungszentren zusammen. Weiterhin bieten wir dort auch Gruppenchats für soziale Unterstützung und kostenlose Deutsch-Nachhilfe.
Sie leben nun seit über zwei Jahren in Deutschland. Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie hier zu kämpfen?
Am Anfang hatte ich es sehr schwer. Es gab eine Reihe an Problemen, mit denen ich teilweise immer noch zu kämpfen habe: Kulturelle Integration, die deutsche Sprache, Arbeitskultur, den Ansprüchen meiner Kolleg_innen gerecht werden und vor allem Heimweh. Ohne die Unterstützung anderer philippinischer Pflegekräfte, meinen deutschen Arbeitskolleg_innen und natürlich meiner Familie zuhause hätte ich diese Hürden nicht überwinden können. Die Kultur war einer der schwersten Teile der ganzen Integration, aber kulturelle Unterschiede haben mich auch gelehrt, offener zu sein. Deutsche sind ernster, direkter und disziplinierter, aber wir Philippiner_innen sind enthusiastischer und sehr hartnäckig, aber eher schüchtern. Aber noch zwei Jahren konnte ich die meisten Probleme überwinden, bloß das Heimweh und die Sprachschwierigkeiten bleiben – beides wird wohl niemals ganz weggehen. Menschen aus den Philippinen sind sehr familienbezogen, daher wird Heimweh ein ständiger Begleiter sein, wenn man hier lebt. Jedoch ist die deutsche Sprache die größte Hürde von allen. Selbst nach zwei Jahren hier finde ich die Sprache immer noch unglaublich schwer; die richtigen Worte finden, grammatikalisch korrekt zu sprechen und andere Leute zu verstehen, bleibt ein kontinuierlicher Lernprozess. Zum Glück bietet mein Arbeitgeber kostenfreie Sprachkurse an. Zurzeit besuche ich in meiner Freizeit Kurse auf dem C1 Niveau.
Können sie sich vorstellen, dauerhaft in Deutschland zu leben oder gar die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen?
Um ehrlich zu sein, bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich für immer hier in Deutschland bleiben möchte. Ja, Deutschland ist ein idealer Ort zum Leben. Wenn ich hier mit meinem Sohn leben könnte, dann wäre meine Antwort ein lautes: Ja. Doch als Alleinerziehende habe ich viel Ungewissheit; ich weiß immer noch nicht genau, wie ich meinen Sohn zu mir holen kann und wie die Situation für alleinerziehende Mütter wie mich aussehen würde. Wenn es eine einfache Chance gäbe mein Kind herzuholen, dann würde ich für eine sehr lange Zeit bleiben wollen. Ich hoffe daher auf Unterstützung im Bereich Familienzusammenführung für Pflegekräfte aus dem Ausland und besondere Ausnahmen für Alleinerziehende wie mich.
Die deutsche Staatsbürgerschaft wäre eine gute Idee, aber auch eine sehr schwere Entscheidung. Man muss vor einem Wechsel der Staatsbürgerschaft viele Faktoren beachten; es gibt Dinge, die aufgegeben und Dinge, die akzeptiert werden müssen. Im Moment käme dies also für mich nicht in Frage. Mein Ziel wäre zunächst die Erlangung einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung. Danach kann ich dann immer noch über meine Zukunft entscheiden – mit meinem Sohn an meiner Seite, versteht sich.
Das Interview wurde im Rahmen eines Fokusgruppen-Evaluierungsworkshops mit Pflegekräften aus den Philippinen, Tunesien, Bosnien und Herzegowina und Serbien durchgeführt, der von der FES und Ver.di in Zusammenarbeit mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) organisiert wurde.
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Dr. Johannes Crückeberg
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Marcus Hammes
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