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Frauen und ökonomische Resilienz nach der Pandemie – Eine asiatische Perspektive

Die Covid19-Krise hat zahlreiche Verwerfungslinien offengelegt: besonders stark betroffen sind Frauen. In einem neuen W7-Blogbeitrag der FES erläutern Fiona Vaz, Peny Rahmadhani und Rizki Amalia Affiat, wie ein Neuanfang gelingen kann.

 

Angesichts der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der Pandemie ist es wichtiger denn je, Frauen auf allen Ebenen in die Politikgestaltung einzubeziehen. Nur so können transformative Strategien entwickelt werden, um Frauen und Mädchen besseren Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, Erwachsenenbildungsprogrammen und anderen resilienzfördernden Maßnahmen zu bieten.

Weltweit deutet vieles darauf hin, dass wir auf ein baldiges Ende der COVID-19-Pandemie hoffen dürfen. Nach und nach scheinen wir uns auf die lang ersehnte "Welt nach der Pandemie" zuzubewegen, in der der versprochene Wiederaufbau endlich umgesetzt werden kann. Die Wirtschaft hat während der Pandemie stark gelitten. In Armut lebende Menschen waren davon am meisten betroffen. Auch Frauen spürten die Auswirkungen in besonderem Maße: Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern haben sich verschärft; ein ungünstiges sozioökonomisches Umfeld hatte zusätzliche nachteilige Effekte. Immer noch diktieren diskriminierende Geschlechternormen die sozialen Beziehungen und drücken der Arbeitswelt ihren Stempel auf – verstärkt durch ein kapitalistisches System, das von der Feminisierung unbezahlter Sorgearbeit und vieler anderer Formen von Arbeit profitiert. All dies hat zu einer weiteren Prekarisierung von Arbeitsbedingungen und noch stärkerer Belastung von Frauen entlang einer großen Bandbreite von Verantwortungsbereichen geführt – im bezahlten wie im unbezahlten Bereich. Die Krise hat zahlreiche Verwerfungslinien offengelegt. Allerdings können diese auch als Chancen begriffen werden, gemeinsam notwendige Veränderungen zu identifizieren, um Frauen zu helfen, die Krise zu überstehen.

Damit die Erholung der Weltwirtschaft in neue Bahnen gelenkt werden kann, müssen wirtschaftliche Maßnahmen sich auf Veränderungen auf der Mikroebene konzentrieren:

Bessere Sozialleistungen für Arbeitsmigrantinnen und Frauen, die im informellen Sektor arbeiten

In vielen Ländern existiert ein Leitbild der Sesshaftigkeit ("sedentärer Bias"), das sich unter anderem in der Anforderung niederschlägt, einen festen Wohnsitz anzugeben, um Sozialleistungen für Arbeitnehmende zu beziehen. Dort, wo während des Lockdowns Arbeitsmigration stattfand, führte dieser sedentäre Bias unter anderem dazu, dass Arbeitsmigrant_innen ohne dokumentierte Adresse von Sozialleistungen ausgeschlossen blieben und daraufhin in die Städte zogen, um Arbeit zu suchen – sei es als Haushaltsvorstand oder zur Aufbesserung des Familieneinkommens. Zusammen mit patriarchalen Strukturen, die Frauen eine eigenständige Identität unabhängig von ihren Familien und/oder Ehemännern verweigern, bedeutete dieser sedentäre Bias, dass Haushalte von Arbeitsmigrantinnen oft keinerlei staatliche Unterstützung erhielten. Wenn sozialstaatliche Maßnahmen für Frauen angeboten wurden, mussten die Frauen dafür meist lange anstehen – zu einer Zeit, in der sie bereits erhebliche zusätzliche Verpflichtungen im Haushalt hatten. Die Staaten müssen ihre Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeitnehmerinnen verstärken, zumal es nicht zuletzt Frauen sind, die die Stadtzentren am Laufen halten. Die wirtschaftlichen Entscheidungen von Frauen haben in der Regel äußerst positive Auswirkungen auf Gemeinschaften. Frauen investieren in Bildung, Gesundheit und Betreuungseinrichtungen für ihre Angehörigen; sie kaufen Lebensmittel, Kleidung und Artikel des täglichen Bedarfs. Dadurch fördern sie die lokale Wirtschaft und kurbeln letztlich auch die Gesamtwirtschaft an.

Mehr Förderung von Erwachsenenbildung

Viele Kinder und Jugendliche aller Geschlechter brachen während der Pandemie die Schule ab. Besonders betroffen sind junge Mädchen; auch der Trend zu frühen Eheschließungen hat sich verstärkt. Wenn Mädchen eine Ehe eingehen, verfolgen sie nur selten ihre Bildungslaufbahn weiter. Deshalb ist es wichtig, dass Staaten ihr Engagement für die Erwachsenenbildung wieder verstärken, nachdem das Thema mit der Einführung einer allgemeinen Grundschulbildung eine Zeitlang in den Hintergrund getreten war. Ein Schulabschluss hat gleich mehrere Vorteile. Begünstigt wird der Lernerfolg durch Lerngruppen, die aus Gleichaltrigen in möglicherweise ähnlichen Lebensumständen bestehen. Ein verheiratetes Mädchen in einer Klasse voller unverheirateter Mitschülerinnen fühlt sich möglichweise so fremd in der Gruppe, dass ihr Bildungserfolg dadurch nachhaltig beeinträchtigt wird. Alphabetisierungskurse für Erwachsene haben sich hierbei als recht wirkungsvoll erwiesen, da sie sowohl die funktionale Alphabetisierung fördern als auch Fähigkeiten vermitteln, die sich positiv auf Gesundheit, Ernährungsstatus, Finanzen und andere soziale Indikatoren auswirken. Diesbezügliche Verbesserungen auf lokaler Ebene können auch erhebliche positive Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben.

Forschungsförderung und Entwicklung transformativer Ansätze

Wir brauchen mehr Forschung in verschiedenen Gebieten, die sich verstärkt dem Geschlechterdiskurs sowie vergeschlechtlichten Praktiken und Normen widmet und dabei auch Theorien weiterentwickelt, wie Geschlecht, sozioökonomische Ungleichheiten und die öffentliche Politik miteinander in Wechselbeziehung stehen. Viele Entwicklungsinitiativen zur Förderung und Stärkung von Frauen sind nicht in der Lage, strukturelle Zwänge effektiv zu bekämpfen. Sie wurden geschaffen, um unmittelbare Not zu lindern – etwa durch Barmitteltransfers, Bereitstellung von Lebensmitteln oder Gesundheitsdienstleistungen. Strategische Pläne zur langfristigen Stärkung der Resilienz von Frauen haben diese Initiativen nicht. Es braucht empirische Daten und generell mehr Wissen um die Lebensrealitäten von Frauen sowie verstärkte Verbreitung dieses Wissens, um aufzuzeigen, welche Maßnahmen im momentanen Kontext welche vergeschlechtlichten Auswirkungen haben. Dies kann politisch Verantwortlichen wie nichtstaatlichen Akteur_innen helfen, gerechtere und transformativere Ansätze zu entwickeln, damit auch Frauen und Mädchen die Krise gut überstehen.

Investitionen in bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit

Forschungsergebnisse zeigen, dass anhaltende Schließungen von Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen erhebliche Auswirkungen auf die Sorgelast zu Hause haben und dazu führen, dass mehr Mädchen vorzeitig die Schule verlassen und Frauen Beschäftigungschancen nicht ergreifen können. Dazu kommt, dass die meisten bezahlten Sorgearbeitenden Frauen sind – oft Migrantinnen, die unter schlechten Bedingungen und bei geringer Bezahlung im informellen Sektor arbeiten. Investitionen in den Pflege- und Betreuungssektor tragen zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen bei, indem sie Frauen und Mädchen die Rückkehr in die Schule oder an den Arbeitsplatz ermöglichen. Hierzu ist zunächst erforderlich, diskriminierenden Geschlechternormen entgegenzuwirken, die unbezahlte Sorgearbeit als Frauensache definieren. Durch gezielte Ressourcenverteilung müssen Anreize für den Privatsektor geschaffen werden, Arbeitsplätze so zu gestalten, dass die Sorgelast innerhalb der Haushalte gerechter verteilt werden kann – etwa durch bezahlte Freistellung, flexiblere Arbeitszeiten und Finanzierung von Kinderbetreuung. Öffentliche Förderprogramme müssen Lücken und Defizite in der Bereitstellung bezahlbarer Betreuungsangebote unterschiedlicher Art identifizieren. Bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und Betreuung sind unerlässlich, um diese Berufszweige für weibliche wie männliche Arbeitnehmende attraktiv zu machen.

Eine stärkere Stimme für Frauen in der politischen Entscheidungsfindung

Durch das plötzliche Auftreten der Pandemie waren Gesundheits-, Innen-, Sozial- und Finanzminister_innen weltweit dazu gezwungen, schnelle Entscheidungen zu treffen, um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen. Gleichzeitig mussten in den Frauen-, Familien- und Jugendministerien Maßnahmen für eine gerechte Verteilung von Sozialleistungen ergriffen werden. Die meisten Ministerien weltweit standen unter männlicher Führung, als die Pandemie begann. Eine Folge davon war, dass Maßnahmen zur Eindämmung des Virus die Bedürfnisse vulnerabler Gruppen wie Frauen und Kinder nicht ausreichend berücksichtigten. In der überwältigenden Mehrzahl der Länder wurden Frauen in der politischen Entscheidungsfindung an den Rand gedrängt. Gleiches galt für das Gesundheitswesen, die Medizin und die Wissenschaft. Das Fehlen geschlechtersensibler Ansätze führte dazu, dass Frauen die Hauptlast der Pandemie trugen: Sie waren steigender häuslicher Gewalt ausgesetzt, übernahmen den Großteil der Hausarbeit und mussten sich um Sozialleistungen bemühen – alles als Ergebnis der Pandemie. Diese schädlichen Auswirkungen einer Politik, die Geschlechterfragen ignorierte, sind nach wie vor zu spüren und ein Grund, warum viele Frauen immer noch nicht gegen COVID-19 geimpft sind. Die Politik muss dafür sorgen, dass Frauen in allen Entscheidungsgremien gehört werden, damit gleichberechtigter Fortschritt entstehen kann. Zu diesem Zweck gründete die Gruppe der akkreditierten Kräfte im sozialen Gesundheitswesen (ASHA) im indischen Bundesstaat Maharashtra eine Gewerkschaft, die durch hartnäckige strategische Aktion ihre Anliegen durchsetzen konnte. Zahlreiche staatliche Angestellte konnten davon direkt profitieren. Die Initiative Women in Global Health, die von führenden Frauen in Medizin und Gesundheitswesen getragen wird, wies auf die Vernachlässigung der Belange von Pflegekräften hin und sorgte dafür, dass Schutzausrüstung auch in Größen hergestellt wird, die Frauen passen. Diese Gruppen haben gezeigt, dass alle Selbstverpflichtungen der WHO oder der indischen Regierung, für Geschlechtergerechtigkeit in der staatlichen medizinischen Versorgung zu sorgen, gescheitert sind. Es ist lebenswichtig, dass Frauen und feministische Initiativen auf allen Ebenen eingebunden werden. Nur so kann eine transformativere, geschlechtergerechtere Politik formuliert werden.

Es muss mehr geschehen, um Frauen den Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen zu erleichtern, damit auch sie sich von der Pandemie und ihren Nachwirkungen erholen können. Andere Formen von Unterstützung, die das Wohlergehen von Frauen auch in Zukunft stützen (z. B. Zugang zu Bildung, Impfungen und anderen Ressourcen), sind ebenso wichtig. Führungs- und Entscheidungspositionen mit mehr Frauen zu besetzen, kann dabei helfen, dies zu erreichen. Ziel ist die bewusste Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts für Frauen.

 

Fiona Vaz ist Geschlechterforscherin mit Schwerpunkt Bildung, Arbeitsmarktbeteiligung und Repräsentanz in Politik und Entscheidungsfindung.

Peny Rahmadhani ist seit sechs Jahren in den Bereichen Lehrplanentwicklung, Forschung und Lehre tätig und forscht zur den Wechselbeziehungen zwischen Bildung, Geschlecht und sozialem Kontext.

Rizki Amalia Affiat arbeitet seit zehn Jahren in der Forschung und ist Aktivistin in den Bereichen Gender, Post-Conflict-Entwicklung und soziale Gerechtigkeit. Sie ist an unterschiedlichen transnationalen Forschungsprojekten beteiligt.

 

 

 

Alle drei Autorinnen sind Mitbegründerinnen und Direktorinnen von InteGRAL, einer Forschungs- und Beratungsstelle im Globalen Süden mit Schwerpunkt auf Geschlechterfragen.


Dr. Johannes Crückeberg

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Johannes.Crueckeberg(at)fes.de

Marcus Hammes

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Marcus.Hammes(at)fes.de

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