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Der Staat als Unternehmer? Innovations- und Industriepolitik in China und Europa

Beim Kongress "Digitaler Kapitalismus" hatten wir Gelegenheit, ein kurzes Interview mit Florian Butollo zu führen.

 

Florian Butollo leitet die Forschungsgruppe "Arbeiten in hochautomatisierten Prozessen" am Weizenbaum-Institut in Berlin und ist Sachverständiger in der Enquete Kommission "Künstliche Intelligenz" im Deutschen Bundestag.

Herr Butollo, wie hat es die chinesische Politik geschafft, nationalen Digitalunternehmen zum Durchbruch zu verhelfen?

Die Frage ist zunächst, welche nationalen Unternehmen das sind. Im Digitalbereich sind es vor allem Alibaba und Tencent. Und das kommt ganz einfach daher, dass man Google, Facebook und andere Unternehmen in China nicht zulässt. Erst mal aus einem Sicherheitsinteresse heraus, letztendlich aber auch mit einem strategischen Ziel, die Daten zu kontrollieren. Denn es wurde sehr wohl erkannt, dass Daten einen zentralen Stellenwert in digitalen Ökonomien haben. So erlangt man – bei allen damit verbundenen Problemen des Autoritarismus – natürlich enorme industriepolitische Spielräume. Durch die Kooperationen zwischen den chinesischen Digitalunternehmen und dem Staat ist es möglich, eine Abhängigkeit zu überwinden, in der Staaten wie Indien oder Indonesien, die diese eigenständigen Player nicht haben, durchaus sind.
 

Welche Lektionen lassen sich für Deutschland und Europa aus dem Aufstieg des Digitalen Kapitalismus chinesischer Prägung ziehen?

Zunächst ist wichtig zu verstehen, dass die Unterschiede trotz vieler gravierender Unterschiede graduell sind. Es handelt sich um Wachstumsmodelle mit unterschiedlichen Spielarten der Interaktion von Staat und Kapital. Es ist es eine Fiktion, zu glauben, das eine repräsentiere „den Markt“ und das andere eine rein staatliche Wirtschaft. Vielmehr ist es in allen Regionen eigentlich so, dass der Staat wichtige Bereiche ökonomischer und technologischer Entwicklung definiert. Zugleich gab es im Zuge des Neoliberalismus im Westen ein Zurückweichen davon, diese Aufgaben von staatlicher Seite offensiv wahrzunehmen. In China dagegen werden die Stärken und Schwächen der wirtschaftlichen Entwicklung genau analysiert und es wird gezielt versucht, einzelne Bereiche zu fördern. Diese Förderung ist wesentlich chaotischer und weniger systematisch als das in der deutschen Öffentlichkeit häufig wahrgenommen wird – und möglicherweise ist sie auch nicht auf Dauer erfolgreich. Insofern kann das chinesische Vorgehen kein unmittelbares Vorbild sein – abgesehen davon, dass es schon allein aus normativen Gründen kein Vorbild für uns sein kann. Trotzdem sollte man sehr wohl fragen, wie der Staat Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung definieren und fördern kann – insbesondere im Sinne einer sozialökologischen Transformation und eben nicht alleine aus dem Interesse an Wachstum als Selbstzweck heraus.
 

Mit welchen Maßnahmen kann die deutsche IKT-Branche nachhaltig unterstützt werden?

Das ist wirklich schwer zu sagen. Nur weil eine strategische Industriepolitik ausgerufen wird, sind die Konturen nicht unbedingt klar. Im Moment ist es hauptsächlich eine protektionistische Reaktion auf die Dominanz von Playern in den USA und China, weniger eine pro-aktive staatliche Politik, die ein strategisches Wachstumsmodel entwickelt oder gar sozial-ökologische Zielsetzungen verfolgt. Insofern hat die aktuell verfolgte Ausrichtung der Industriepolitik große Schwächen, insbesondere in der Innovationspolitik. Hier wird das Modell des Silicon Valley in einer schizophrenen Art und Weise gefeiert: Einerseits heißt es, „wir wollen nicht so sein wie die USA“, andererseits wird es doch als der Königsweg betrachtet. Das bedeutet aber, dass man Technologieentwicklung von Interessen von Investoren abhängig macht, die nur deswegen in neuen Technologien investieren, weil sie sich davon enorme Gewinne versprechen. Damit wird Technologieentwicklung der Gewinnerwartung untergeordnet und da sehe ich ein ganz massives Problem. Denn das ist genau das Gegenteil von einer politisch bewussten Steuerung und beinhaltet eine Privilegierung von Finanzmarktakteuren gegenüber gesellschaftlichen Gemein-wohlinteressen.
 

Herr Butollo, vielen Dank für das Gespräch.
 

Die Fragen stellte Jonas Ferdinand.


Dr. Johannes Crückeberg

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