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In Nordirland hat sich die EU als Friedensmacht bewährt. Nun wachsen auf der Insel die Sorgen über den Brexit.

Immer mehr „unbeabsichtigte Folgen“ zeichnen sich durch das Brexit-Votum in Großbritannien ab. Nachdem sich Premierministerin May für den Austritt aus dem Binnenmarkt und der Zollunion, also einen „harten Brexit“ (oder wie der ehemalige Premier Tony Blair sagt „einen Brexit um jeden Preis“) ausgesprochen hat, tut sich nun eine neue offene Flanke im komplizierten, territorialen und konstitutionellen Gefüge des „Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland“ auf. Es betrifft genau diesen Zusatz „und Nordirland“.

Wie die schottischen Nachbarn jenseits der Irischen See haben die Nordiren mehrheitlich gegen den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt – und sie wussten weshalb. Nicht nur fließt eine Menge Geld aus Brüsseler Töpfen an das Nordende der zweitgrößten der britischen Inseln. Die Tageszeitung „Die Welt“ schreibt, geschätzte 87 Prozent des Durchschnittseinkommens nordirischer Bauern käme aus Brüssel. Vor allem aber ist die EU – wenigstens indirekt – ein entscheidender Garant des Friedensprozesses.

Garant des Friedens

Knapp 20 Jahre sind seit dem Karfreitagsabkommen vergangen, das 1998 geschlossen wurde und die bürgerkriegsähnlichen „Troubles“, wie die Briten sie nennen, beendete. Vorausgegangen waren drei Jahrzehnte mal mehr, mal weniger intensiver gewalttätiger Konflikte. Immer wieder war auch London Ziel von Anschlägen irischer Nationalisten. 1993 explodiert eine Bombe in der Londoner City – ein Mensch starb, 44 wurden verletzt. Aufnahmen der umliegenden Straßen zeigen ein Bild der Verwüstung, wie man es heute in Aleppo oder Kabul vermuten würde.  Auch nach dem Friedensabkommen gab es noch blutige Anschläge. Doch insgesamt hält das Abkommen, das den Nordiren auch eine gewisse Autonomie im Königreich zurückgibt. Vorher, und immerhin 27 Jahre lang, wurde Nordirland direkt von Westminster aus regiert.

Mit dem Abbau der Binnengrenzen in der EU wurde auch die harte Teilung zwischen dem, zu Großbritannien gehörenden, Norden und der Republik Irland im Süden etwas gelockert. Gab es zu Zeiten des Konflikts gerade einmal 20 Grenzübergänge, fließt der Verkehr heute fast ungehindert über 200 Straßen. Das erklärt, warum sich viele Sorgen über die Auswirkungen eines harten Brexit, gerade auch auf die Wirtschaft, machen. Wird es wieder Personenkontrollen geben? Wird der Warenaustausch zurückgehen, weil zukünftig wieder eine Zollgrenze die Hoheitsgebiete trennt? Was ist mit den Tausenden von Grenzgängern und Berufspendlern, die tagtäglich die Grenze überqueren? Zwar beteuert London, keine harte Grenze zu wollen. Doch wie das zu bewerkstelligen sein wird, steht in den Sternen. Einen Plan hatten die Befürworter schon beim Referendum nicht. Nichts wie raus war die Losung – koste es, was es wolle. Wie hoch genau die Kosten sein werden, und wer sie zahlen wird, ist weiterhin nicht klar. Doch Nordirland wird sicherlich kein Profiteur sein – schon alleine, weil der Brexit gegen den Wunsch der Mehrheit hier geht.

Gute Grenze, schlechte Grenze

Bei den Wahlen für das Regionalparlament Anfang März gewann das republikanisch orientierte Lager zum ersten Mal die meisten Stimmen. Schon meldeten sich auch die ersten Stimmen, die ein Referendum für eine Vereinigung mit der Republik Irland in Betracht ziehen. Die katholischen und protestantischen Bevölkerungsteile sind mittlerweile fast gleich groß, die demographischen Prognosen gehen davon aus, dass es bald mehr Katholik_innen als unionistisch orientierte Protestant_innen geben wird. Und auch wenn ein Referendum, anders als in Schottland, vorerst unwahrscheinlich ist: Mit dem Brexit-Entscheid hat sich Westminster auch in Nordirland neuen Konfliktstoff eingehandelt. ‚Gute Zäune machen gute Nachbarn‘, sagt ein englisches Sprichwort. Es steht zu befürchten, dass man eine gute mit einer weniger guten Grenze austauschen wird.

Ansprechpartnerin in der Stiftung:

Kristin Linke


Dr. Johannes Crückeberg

030 26935-8332
Johannes.Crueckeberg(at)fes.de

Marcus Hammes

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