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Europäische Binnenmigration? Kommt nicht von ungefähr. Als wichtigster Treiber gelten die Unterschiede in den Lohnniveaus der einzelnen Mitgliedsstaaten. Ein Blick auf die nackten Zahlen gibt Aufschluss über deren gravierendes Ausmaß.
Bild: EUngleich_Lohnunterschiede von FES
Bild: ombres de mendiant et businessman von Jonathan Stutz lizenziert unter Adobe Stock
Auch heute noch sind die Lohnunterschiede in der Europäischen Union gewaltig und motivieren die Menschen aus Niedriglohnländern, ihre Heimat zu verlassen und Arbeit in den Hochlohnländern zu suchen. So betrugen die Löhne 2017 in Bulgarien nur etwa 20 Prozent des durchschnittlichen Lohns in den EU-15 (den reicheren Mitgliedstaaten). Kaum einer der neuen Mitgliedstaaten Mittel- und Osteuropas kam auf mehr als 40 Prozent. Deutlich werden diese gewaltigen Unterschiede auch mit Blick auf den Mindestlohn. Während dieser 2018 in Luxemburg bei 11,55 Euro pro Stunde lag und in den meisten westeuropäischen Ländern über 8,50 Euro betrug, erreichte er in Mittel- und Osteuropa sowie in Spanien, Portugal und Griechenland nicht einmal 5 Euro. In Bulgarien belief er sich auf 1,57 Euro. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bedeutete dies einen monatlichen Bruttolohn von rund 250 Euro.
Dabei sind die Löhne in Europa sehr unterschiedlich gewachsen, und zwar im großen Ganzen in wünschenswerter Weise: Besonders starke Zugewinne verzeichneten die Niedriglohnländern Mittel- und Osteuropas. Dort wuchs die Lohnsumme in Euro zwischen 2000 und 2017 teilweise um mehr als 300 Prozent (so in Bulgarien und Rumänien), während es im EU-Durchschnitt nur 57 Prozent waren. Weniger erfreuliche Tendenzen warenin der Südperipherie zu beobachten, wo die Lohnsumme deutlich langsamer als im EU-Durchschnitt wuchs. Seit 2008 sank das Lohnniveau in den Staaten Südeuropas relativ zu den EU-15 sogar – im Extremfall Griechenland von fast 70 Prozent des EU-15-Durchschnitts 2008 auf 50 Prozent in 2017. Folge einer sozial verheerenden, kontraproduktiven Austeritätspolitik.
Was ist zu tun angesichts der immer noch gewaltigen Unterschiede?
Zunächst sollte die EU aufhören, Druck auf die Löhne auszuüben. Im Namen einer falsch verstandenen Wettbewerbsfähigkeit versucht die EU, Länder zur Lohnzurückhaltung, innerer Abwertung und Senkung der Lohnstückkosten zu „überreden“ – vor allem in der Eurozone. Darüber hinaus drängt sie auf Arbeitsmarktreformen, die meist in erster Linie den Schutz der Beschäftigten reduzieren. Häufig werden dabei über Expertengremien wie die Ausschüsse für Produktivität oder durch Druck auf verschuldete Länder demokratische Entscheidungsprozesse umgangen. Auch wenn es dabei auch um die – für Wettbewerbsfähigkeit tatsächlich entscheidenden – Faktoren wie Produktivität und Produktqualität geht, sind Löhne und Lohnnebenkosten meist der erste Ansatzpunkt (siehe Griechenland). Tatsächlich ist die Lohnquote zwischen 2000 und 2017 in vielen Ländern und auch im EU-Durchschnitt zurückgegangen, weil das Wachstum der Löhne hinter dem der Produktivität zurückblieb.
Sodann sollte die EU einen EU-weiten Mindestlohn einführen. Damit ist kein einheitlicher Eurostundenlohn für alle Mitgliedstaaten gemeint, der angesichts der großen Produktivitäts- und Kaufkraftunterschiede kontraproduktiv wäre. Vielmehr sollte der Mindestlohn in allen Ländern in einem relativ festen Verhältnis zum Durchschnittslohn liegen und dabei sicherstellen, dass das Einkommen Vollzeitbeschäftigter mit Mindestlohn oberhalb der nationalen Armutsschwelle liegt. Regelmäßige Anpassungen des Mindestlohns entsprechend der Entwicklung der Arbeitsproduktivität könnten so zukünftig ein weiteres Absinken der Lohnquote vermeiden.
Nur noch wenige Wochen bis zur Europawahl am 26. Mai, und die Union steckt tief in der Krise. 75 Prozent aller Deutschen stimmen laut einer FES Studie derweil der Aussage zu, die meisten Probleme der EU seien auf soziale und wirtschaftliche Unterschiede zwischen ihren Mitgliedsstaaten zurückzuführen. Doch wie gravierend ist die Ungleichheit zwischen Stockholm und Athen, zwischen Dublin und Bukarest wirklich? Eine Frage, der wir in den kommenden Wochen nachgehen wollen. Verfolgen Sie uns dabei auch auf Twitter und Facebook.
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