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Wie die Digitalisierung auf dem Weg zur Klimaneutralität helfen kann - Blogbeitrag von Svenja Schulze
Dieser Beitrag ist Teil der Blogreihe zum #DigiCap-Kongress vom 15. Bis 19. November 2021 Digitale Agenda für Europas Wirtschaft: – demokratisch • nachhaltig • gerecht.
Digitalisierung und Klimawandel, das sind die Themen unserer Zeit. Megatrend, Generationenaufgabe, Chefsache – an großen Worten dafür mangelt es nicht. Die künftige Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, wie erfolgreich sie diese beiden Zukunftsaufgaben angeht.
2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Das hat die Bundesregierung beschlossen und im Klimaschutzgesetz festgeschrieben. Nicht erst die Flutkatastrophe und die Waldbrände diesen Sommer haben gezeigt: Klimaschutz ist Zukunftssicherung. Wie dies gelingen kann, wird derzeit auch auf der Weltklimakonferenz in Glasgow diskutiert.
Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen ist eine gigantische Aufgabe. Und gleichzeitig eine gigantische Gestaltungschance. Da ist es nur folgerichtig und sinnvoll, Klimaneutralität mit einem anderen großen Trend zusammenzudenken, der aus unserem Leben längst nicht mehr wegzudenken ist: die Digitalisierung.
Wie können wir es schaffen, dass sich diese beiden Entwicklungen nicht gegenseitig ausbremsen, sondern beflügeln? Wie kann die Digitalisierung uns helfen, den ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben? Aus meiner Sicht sind dafür drei Dinge entscheidend:
Erstens: Digitalisierung muss nachhaltig werden und ihre Umweltauswirkungen müssen minimiert werden. Die rasante Digitalisierung hat zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. Diese gilt es zu begrenzen. Das bedeutet konkret, zum Beispiel dafür zu sorgen, dass für die Produktion von Bitcoins keine alten Kohlemeiler reaktiviert werden müssen, dass Rechenzentren keine Stromfresser sind und dass Elektroschrottberge möglichst gar nicht erst entstehen.
Um das zu erreichen, habe ich für Deutschland im Frühjahr letzten Jahres eine Umweltpolitische Digitalagenda vorgestellt. Sie enthält strategische Ziele und Grundsätze für eine Digitalisierung im Einklang mit Klima, Natur und Umwelt. Vor allem aber beschreibt sie 70 konkrete Maßnahmen, von denen einige bereits in der Umsetzung sind.
Ein zentrales Zukunftsprojekt ist beispielsweise der digitale Produktpass. Er soll alle Daten zu einem Produkt von der Herstellung bis zur Entsorgung enthalten – wie eine Art digitaler Waschzettel. Konsumentinnen und Konsumenten können auf dieser Basis bewusstere Kaufentscheidungen treffen. Denn bisher wissen wir zwar, wie effizient unser Kühlschrank ist, aber nicht, wo und unter welchen Arbeitsbedingungen unser Smartphone produziert wurde. Und oft auch nicht, wie wir es nutzen sollten, damit es lange hält und möglichst wenig Energie verbraucht. Das soll sich mit dem Produktpass ändern. Denn ein wichtiger Schritt zu mehr Energie- und Ressourceneffizienz ist Transparenz darüber, was in einem Produkt steckt.
Zweitens: Digitale Technologien und KI müssen so eingesetzt werden, dass sie dem Umwelt- und Klimaschutz dienen. Wenn sie von vornherein energiesparend und ressourcenschonend aufgesetzt werden, bieten Digitale Technologien und KI enorme Chancen für den Klimaschutz und die Energiewende. Zu einem sehr aktuellen Thema, der viel diskutierten Blockchain-Technologie, hat das Bundesumweltministerium gerade durch das Wuppertal-Institut eine Studie erstellen lassen. Das Ergebnis: Blockchain-Anwendungen sind besser als ihr Ruf und können erheblich zum Klima- und Umweltschutz beitragen.
Ein sinnvolles Einsatzgebiet für Blockchains ist die Steuerung eines zunehmend dezentralen Strommarktes. Wenn viele kleine und flexible Stromerzeuger – zum Beispiel Besitzerinnen von Häusern mit Solardächern – am Strommarkt direkt mit Verbrauchern handeln können, macht das die erneuerbaren Energien nochmal attraktiver und kann der Energiewende einen gewaltigen Schub verleihen. Blockchain-Technologie kann helfen, diesen Handel zu organisieren, gleichzeitig noch Netzstabilität und Versorgungssicherheit berücksichtigen und so den ökologischen Umbau vorantreiben. Auch zur Schaffung von Transparenz in komplexen Lieferketten oder zur einfacheren Abwicklung des Emissionshandels eignet sich die Technologie.
Zur Unterstützung konkreter Projekte hat das Bundesumweltministerium gerade die zweite Runde der Förderinitiative „KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen“ gestartet. Unter dem Schwerpunkt KI-Innovationen für den Klimaschutz geht es zum Beispiel darum, wie sich mit Hilfe von KI Treibhausgasemissionen einsparen lassen. Ein Beispiel ist der Gebäudesektor – der schlafende Riese im Klimaschutz. Durch den Einsatz von KI lässt sich der Energiebedarf in Gebäuden reduzieren. Intelligente Kontroll- und Steuerungssysteme sorgen dafür, dass Wärme und Strom nur dann genutzt werden, wenn sie wirklich gebraucht werden. Dazu können erneuerbare Energiequellen aus dem Umfeld des Gebäudes und energieeffiziente Speichertechnologien einbezogen werden. Das verbessert die Energiebilanz und den Wohnkomfort und spart dazu noch Energiekosten.
Drittens: Wir brauchen eine nachhaltige Digitalisierung mit europäischem Gesicht. All diese nationalen Maßnahmen müssen selbstverständlich in den europäischen Kontext eingebettet werden. Digitalisierung ist ein globales Phänomen. Wenn Deutschland großen Tech-Nationen etwas entgegensetzen will, kann das nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern gelingen. Europa muss jetzt weltweit Maßstäbe setzen für eine nachhaltige und demokratische Digitalisierung. Wir können der Digitalisierung ein eigenes europäisches Gesicht geben, mit einer klaren umwelt-, klima- und verbraucherfreundlichen Ausrichtung. Dafür muss jede IT-Anwendung von Anfang bis Ende im Kreislauf gedacht werden. Das sollte zu einem europäischen Markenzeichen werden. Deutschland arbeitet eng mit der EU-Kommission zusammen, die den Handlungsbedarf genauso erkannt hat. Das kann man am European Green Deal und der Digitalstrategie gut erkennen.
Konkret haben die europäischen Umweltministerinnen schon einiges vorangebracht: Im letzten Dezember hat der EU-Umweltrat unter deutschem Vorsitz die Ratsschlussfolgerungen „Digitalisierung zum Wohle der Umwelt“ beschlossen. Die EU untermauert damit ihren Anspruch, weltweiter Vorreiter für eine nachhaltige Digitalisierung zu werden.
Darüber hinaus soll in einigen Jahren ein digitales europäisches Register von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen entstehen. Investierende und Verbraucher können sich dort darüber informieren, welche Unternehmen umwelt- und klimafreundlich produzieren.
Derzeit werden in der EU weitere wichtige Regulierungsvorschläge verhandelt, die darauf abzielen, faire Wettbewerbsbedingungen auf den digitalen Märkten zu schaffen. Gerade für kleinere Unternehmen, die mit großen Plattformanbietern und Tech-Giganten konkurrieren, ist es ungemein wichtig, dass klare Regeln für alle gelten, zum Beispiel beim Zugang zu Daten. Deshalb sollen die von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschläge für den Digital Markets Act und Digital Services Act die etablierten Regeln des Wettbewerbsrechts ergänzen. Denn Europa steht ja nicht nur für hohe Umweltstandards, sondern auch für soziale Gerechtigkeit, Bürgerrechte und Datenschutz.
Vieles ist im Fluss – nicht zuletzt, weil es bei der Digitalisierung so viel Dynamik gibt. Aber die Bundesregierung hat die Weichen gestellt, in Deutschland und in Europa. Meine Überzeugung ist, dass die Digitalisierung so gestaltet werden kann, dass sie im Klimaschutz nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung ist. Daran arbeitet das Bundesumweltministerium, dafür setze ich mich ein.
Wenn wir dafür sorgen, dass sich digitale und ökologische Transformation gegenseitig beflügeln, wird aus der doppelten Herausforderung eine doppelte Chance: für den Schutz von Klima und Umwelt, für soziale Gerechtigkeit, für mehr Lebensqualität und eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft für uns alle.
Zur Autorin
Svenja Schulze ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (geschäftsführend).
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